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Tai-Chi für das Sofa

Technik. - Noch dominieren Maus und Tastatur die Steuerung des Computers. Doch neue Technologien ermöglichen sehr viel intuitivere und natürlichere Umgangsformen mit dem wichtigsten Arbeitsgerät: Per Vibrationssensorik lernen auch Möbel, Befehle für Rechner entgegenzunehmen.

Von Ralf Krauter | 17.07.2006
    Wolfgang Rolshofen von der Technischen Universität Clausthal will Alltagsgegenständen den Tastsinn beibringen. Dazu klebt er handelsübliche Vibrationsfühler an Küchenplatten, Wände oder Stühle, füttert die Daten in den Rechner und analysiert sie mit trickreichen Algorithmen für die akustische Mustererkennung.

    "Also wir sitzen hier gerade vor einem runden Badezimmerspiegel. Und dieser Badezimmerspiegel ist berührungsempfindlich. Es gibt gewisse Regionen, die in einem so genannten Training berührungsempfindlich gemacht wurden. Das heißt, man hat jetzt für bestimmte Klopfpositionen ein Tonsignal hinterlegt. In der einen Richtung, in der Vertikalen, ändert sich die Tonleiter – das heißt an unterschiedlichen Punkten erhalte ich unterschiedliche Töne. In der anderen, der horizontalen Richtung ändere ich die Oktave."

    Auf der Rückseite des Spiegels ist ein preiswerter Schwingungsfühler aufgeklebt, der über ein Kabel mit einem Laptop verbunden ist. Um das Prinzip zu demonstrieren, tippt Wolfgang Rolshofen mit dem Finger an verschiedenen Stellen auf den Spiegel. Wenn der Spiegel berührt wird, wird er unmerklich in Schwingung versetzt. Die Berührung an verschiedenen Stellen erzeugt minimal unterschiedliche Vibrationen – charakteristische akustische Fingerabdrücke sozusagen, aus denen die Analysesoftware den Berührungspunkt ermitteln und dann den zugehörigen Ton erzeugen kann.

    Klingt wie eine nette technische Spielerei, könnte unser tägliches Leben aber schon bald grundlegend verändern. Denn es ist die Blaupause dafür, wie man beliebige Objekte mit wenig Aufwand zu elektronischen Eingabegeräten umfunktionieren kann – vorausgesetzt, sie haben eine harte Oberfläche. Es genügt, ein paar preiswerte Sensoren aufzukleben und das System kurz zu trainieren. Wenn die Auswerteelektronik dann mit CD-Player, Fernseher oder Backofen verbunden wird, lassen sich die Geräte zum Beispiel mit einem Klopfen auf die Tischplatte ansteuern.

    "Es gibt heute schon Lösungen wie ein Touchscreen, Touchpad. Aber man möchte jetzt weg von teuren Anschaffungen und Geräten. Man will hin, dass man normale Geräte, die man eh schon im Haushalt hat, das Sofa, den Sessel, diesen Badezimmerspiegel – diese Objekte will man einsetzen, als berührungsempfindliche Geräte."

    Tai-Chi, so haben die Entwickler den Tastsinn für Möbel getauft: tangible acoustic interface. Mit dabei, bei dem EU-Verbundprojekt, ist auch Ming Yang. Der Forscher vom produktionstechnischen Zentrum der Universität Cardiff arbeitet daran, Tischplatten bei Bedarf zu vollwertigen Computertastaturen umzufunktioneren. Die Technologie sei bereits ausgereift, sagt er. Auf einer gewöhnlichen Tischplatte aus Holz, Glas oder Metall können die Forscher heute mit minimalem technischem Aufwand bereits bis zu 1000 verschiedene Berührungspunkte erkennen. Auch Algorithmen für die Erkennung schleifender Bewegungen funktionieren bereits – womit sich der Couchtisch bei Bedarf in Tastatur samt Mousepad verwandeln lässt, um den DVD-Rekorder zu programmieren oder im Internet zu surfen. Und selbst wenn man dann aus Versehen mal ein Weinglas auf die Delete-Taste stellt, ist da kein Problem.

    "Die Vibrations-Signatur eines Fingertipps unterscheidet sich deutlich von der, die entsteht, wenn Sie eine Kaffeetasse an einer bestimmten Stelle auf den Tisch stellen. Deshalb können wir solche Störsignale sehr effizient unterdrücken."

    Bis Jahresende wollen die Tai-Chi-Forscher erste marktreife Produkte entwickeln. Gut möglich also, dass Möbel mit Tastsinn schon bald unseren Alltag revolutionieren.