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Tarifabschluss Metall- und Elektroindustrie
Die Wahl zwischen mehr Geld und mehr Freizeit

Die Tarifauseinandersetzung in der Metall- und Elektroindustrie war lange und hart. Jetzt ist die Einigung für die 900.000 Beschäftigten da, es gibt flexiblere Arbeitszeiten und eine Lohnerhöhung. Auch die Arbeitgeber können von den neuen Regelungen profitieren.

Von Nicole Freyler | 06.02.2018
    Ein Mitarbeiter der ThyssenKrupp Aufzugswerke schweißt in Neuhausen auf den Fildern (Baden-Württemberg) Metall
    Der Tarifabschluss der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg beinhaltet 4,3 Prozent Lohnerhöhung, eine Einmalzahlung sowie ein neues tarifliches Zusatzgeld. (picture alliance/ dpa/ Inga Kjer)
    Mercedes Benz Werk in Sindelfingen, früh am Morgen freuen sich die Daimler-Mitarbeiter über die Einigung:
    "Gott sei Dank haben sie sich geeinigt, alles super, perfekt.
    "Ein sehr guter Abschluss. Für mich der beste Abschluss seit Einführung der 35-Stunden-Woche."
    Bis tief in die Nacht wurde noch einmal in Stuttgart verhandelt. Kurz vor halb zwei dann die Einigung. Der Verhandlungsführer der IG Metall Roman Zitzelsberger ist zufrieden:
    "Wir haben zu allen drei wesentlichen Eckpunkten unserer Tarifforderung ein Ergebnis erzielt."
    Freizeit ist vielen wichtiger als Geld
    4,3 Prozent Lohnerhöhung, eine Einmalzahlung sowie ein neues tarifliches Zusatzgeld. Und es kann flexibler gearbeitet werden. Das war eine der Hauptforderungen der IG Metall: Zeit für Familie und Freizeit ist vielen wichtiger als Geld. Ab 2019 haben alle Vollzeitbeschäftigten die Möglichkeit, ihre Arbeitszeit von 35 auf 28 Stunden zu reduzieren. Das Ganze gilt für maximal zwei Jahre. Beschäftigte mit familiären Verpflichtungen können das neue Zusatzgeld in freie Tage umwandeln, und so mehr Freizeit haben. Entweder extra Geld oder extra Urlaub:
    "Ich schätz das ein, dass die, die das wirklich brauchen, das auch in Anspruch nehmen. Ob das ein Massenmodell wird, das kann ich nicht einschätzen, sondern da müssen wir jetzt einfach gemeinsam Erfahrungen sammeln."
    Mitverhandelt hat auch der Mannheimer IG-Metall-Bevollmächtigte Klaus Stein: "Für die Menschen in Mannheim kann ich sagen, Ihr bekommt deutlich mehr in den Geldbeutel und Ihr werdet insbesondere in den belasteten Situation - durch Pflege, durch Kind, aber auch für die Schichtbeschäftigten - in einem hohen Maße profitieren von zusätzlicher freier Zeit."
    Arbeitgeber profitieren von Flexibilität
    Aber auch die Arbeitgeber haben in Zeiten von Fachkräfte-Mangel etwas von der Flexiblität, denn es kann auch mehr gearbeitet werden. Der neue Tarifvertrag erlaubt es den Betrieben, mit deutlich mehr Beschäftigen 40-Stunden-Verträge abzuschließen. Südwest-Metall-Chef Stefan Wolf:
    "Es gibt uns die Möglichkeit, dass viele Mitarbeiter in unseren Betrieben, die das gerne möchten, mehr arbeiten können und damit auch mehr Geld verdienen. Wir haben also hier unser Ziel in breitem Maße erreicht und haben hier eine sehr innovative Arbeitszeitwelt geschaffen."
    Ein Pluspunkt auch für die Arbeitgeber: die lange Laufzeit von 27 Monaten. Das gibt Planungssicherheit. Mit Reaktionen halten sich die großen Arbeitgeber in Baden-Württemberg bislang zurück. Stefan Groch ist Vertrauenskörperleiter beim Stuttgarter Maschinenbauunternehmen Coperion. Er hat heute schon mit Kollegen gesprochen, die die Arbeitszeit reduzieren wollen:
    "Die Möglichkeit wird als sehr positiv aufgenommen, da denken einige Kollegen drüber nach. Jetzt wird noch die Frage sein, wie können wir das betrieblich umsetzen. Interesse ist da durchaus gegeben."
    Der Grundstein für ein flexibles Arbeitssystem ist gelegt, nun auch in der Metall- und Elektroindustrie. Es bleiben viele Fragen: Wie viele Arbeitnehmer wollen eine reduzierte Arbeitszeit, wie viele wollen aufstocken? Wie sich der Tarifabschluss in der Praxis bewährt, wollen die Tarifparteien in den kommenden zwei Jahren überprüfen.