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Tarifverhandlungen
"Spektakuläre Einigung" im öffentlichen Dienst

Rund eine Million Angestellte in Kliniken, Schulen, bei Rettungsdiensten und der Polizei erhalten acht Prozent mehr Lohn - in drei Schritten. Laufzeit des Tarifvertrags: 33 Monate. Es sei "das beste Ergebnis für einen Lohnabschluss im Länderbereich seit vielen Jahren", so ein zufriedener Verdi-Chef Bsirske.

Von Vanja Budde | 03.03.2019
Frank Bsirske (l), Vorsitzender der Gewerkschaft Verdi, und Matthias Kollatz (SPD), Senator für Finanzen Berlin, nach der Einigung in den Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst der Länder
Einigung in den Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst der Länder: Verdi-Chef Frank Bsirske (l) und Matthias Kollatz (SPD), Senator für Finanzen Berlin teilten mit: Es gibt acht Prozent mehr Lohn! (picture alliance/Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa)
Es war zäh und mühsam, begleitet von bundesweiten Warnstreiks und massiven Verständigungsproblemen, doch dann ging es plötzlich überraschend schnell: Anderthalb Stunden vor Mitternacht traten die Tarifpartner am Samstagabend blass und erschöpft, aber zufrieden vor die Kameras und Mikrofone. Seit Donnerstagfrüh hatten sie in endlosen Runden um diesen Durchbruch gerungen.
"Das ist das beste Ergebnis für einen Lohnabschluss im Länderbereich seit vielen Jahren."
Sagte Verdi-Chef Frank Bsirske.
"Es ist ein guter Tag für die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst. Es ist zugleich auch ein guter Tag für die Bürgerinnen und Bürger, die ja angewiesen sind auf gute öffentliche Dienstleistungen in Kliniken, an Schulen, bei der Polizei, bei den Rettungsdiensten."
Sieben Milliarden Kosten für die Länder
Der Abschluss kann sich mit einem Gesamtvolumen von acht Prozent wahrlich sehen lassen. Die Gehälter sollen in drei Stufen steigen: Rückwirkend zum 1. Januar 2019 um 3,2 Prozent, zum 1. Januar 2020 um weitere 3,2 Prozent, am 1. Januar 2021 soll es 1,4 Prozent mehr geben. Die soziale Komponente sei beachtlich, betonte Bsirske, denn niemand werde weniger als 240 Euro zusätzlich bekommen. Eine Kröte mussten die Gewerkschaften bei der Laufzeit schlucken: Sie ist mit 33 Monaten ungewöhnlich lang.
Der Verhandlungsführer der Länder, Berlins Finanz-Senator Matthias Kollatz, nannte den Abschluss fair. Er werde die Länder sieben Milliarden Euro kosten, doch die lange Laufzeit sorge für Planungssicherheit.
"Die Forderungen der Gewerkschaften waren hoch. Die Verhandlungen haben ja durchaus eine bestimmte Zeit gebraucht. Die Einigung ist aus Sicht der Länder ein finanzieller Kraftakt. Es geht aber um viel."
Harter Kampf um Fachkräfte
Nämlich darum, die Jobs im Länderdienst im harten Konkurrenzkampf um Fachkräfte verlockender zu gestalten. Dafür wurden viele Berufsgruppen in der Entgelttabelle höhergestuft. Zum Beispiel die schwer beanspruchten Krankenpfleger, bei denen sich der Personalmangel schon deutlich abzeichnet.
"Bei Unikliniken glauben wir, dass sie gut und vielleicht ein bisschen besser als im kommunalen Bereich aufgestellt werden. Wir sehen deutliche Verbesserungen im Sozial- und Erziehungsdienst."
Eine examinierte Krankenpflegekraft werde in der dritten Stufe zwischen 420 Euro und 750 Euro mehr verdienen, erklärte Verdi-Chef Frank Bsirske. Für 2019 gebe es für Berufsanfängerinnen rund 300 Euro mehr.
"Das ist eine wirkliche Aufwertung des Berufsfeldes Krankenpflege!"
Signal für Berufseinsteiger, Ausbildungskräfte
Auch der Vorsitzende des Deutschen Beamtenbundes, Ulrich Silberbach, zeigte sich grundsätzlich zufrieden mit dem hart erkämpften Abschluss.
"Wir haben uns auf den Weg gemacht, insbesondere für Berufseinsteiger, für Ausbildungskräfte attraktiver zu werden. Weil wir uns in dem Segment mit der freien Wirtschaft um die besten Köpfe auseinandersetzen müssen. Den Wettbewerbsnachteil, den wir vorher hatten, konnten wir aufholen."
Doch bei den begehrten Ingenieuren und IT-Fachleuten hätte man noch mehr drauflegen müssen, kritisierte Silberbach.
"Demografischer Wandel hat schon Riesenlöcher gerissen. Wir brauchen im Fachkräftebereich bei den sogenannten MINT-Berufen deutlich mehr an Attraktivitätssteigerung, und hier werden wir nacharbeiten müssen."
Attraktive Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte
Auch für die Lehrer hätten sich die Gewerkschaften deutlichere Erhöhungen vorgestellt.
"Denn man kann in diesem Land nicht immer nur über Bildung reden, dass Bildung das höchste Gut ist. Sondern man muss dann eben auch attraktive Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte schaffen, und daran ist uns sehr stark gelegen."
Dennoch: Unter dem Strich ist dies ein Abschluss, der viele Angestellte besserstellt, der auf die Beamten übertragen werden soll und mit dem die Länder leben können.
"Ich freu mich darüber"
Sagte der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske, der damit die letzten Verhandlungen im Öffentlichen Dienst vor seinem Ruhestand bestritten hat.
"Und von mir aus könnte es gerne noch mehr solche Ergebnisse geben. Gerne auch für meine Nachfolger."