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Tauziehen im Weltraum

Die Sonne ist der zentrale Körper in unserem Planetensystem und zwingt die Planeten auf ihre Bahnen. Dass allerdings auch umgekehrt die kleinen Planeten Einfluss auf die Sonne haben, ihre Bewegung und Aktivität, legen Beobachtungen von Schweizer Forschern nahe.

Von Guido Meyer | 19.12.2012
    Manchmal ist die Astronomie gar nicht so verschieden von der Archäologie. Ein Forscher-Team aus der Schweiz hat sich die Mühe gemacht, 10.000 Jahre in die Vergangenheit zurück zu gehen und die Veränderungen von Baumringen und Eisbohrkernen zu untersuchen. Das hat nur auf den ersten Blick nichts mit Astronomie zu tun. Tatsächlich nämlich spiegeln sich die Veränderungen der Sonnenaktivität in Bäumen und im ewigen Eis wider. Jürg Beer, Physiker am Wasserforschungsinstitut Eawag im schweizerischen Duebendorf, erklärt wieso.

    "Wenn die Sonne unterschiedliche magnetische Aktivität zeigt, dann ist auch entsprechend unterschiedlicher Sonnenwind, der von der Sonne wegfließt. Und in diesem Sonnenwind drin sind gewissermaßen eingefroren Magnetfelder der Sonne. Und je nach dem, wie stark der Sonnenwind ist, kommt mehr oder weniger kosmische Strahlung in die Atmosphäre und produziert dort C-14 und Beryllium 10, die dann in Eisbohrkernen oder in Baumringen gespeichert werden."

    Dabei stießen die Schweizer auf Zyklen, auf besonders starke Element-Ablagerungen, die sich in regelmäßigen Abständen wiederholen und die die besser untersuchten elfjährigen Sonnenflecken-Zyklen überlagern. Alle 87 und alle 506 Jahre beispielsweise werden besonders viele Isotope mit dem Sonnenwind ins All und auf die Erde geschleudert. Diese Aktivität erlaubt Rückschlüsse auf das Auftreten von Sonnenflecken, die wiederum mit regelmäßigen Veränderungen in einer bestimmten äußeren Zone der Sonne einhergehen, der Tachocline. Oberhalb dieser Schicht wird die Energie nicht mehr – wie im Sonneninneren – durch Strahlung transportiert, sondern durch Konvektion, durch die Bewegung heißer Gase also.

    So wie die Ozeane der Erde auf die Anziehungskraft des Mondes reagieren, sind die Gase in dieser äußeren Sonnenschicht ebenfalls anfällig für Störungen von außerhalb – in diesem Fall: für den Schwerkrafteinfluss der Planeten. Sie erzeugen ein Drehmoment in dieser Zone, das letztlich zur Ausbildung von Flecken auf der Sonnenoberfläche führt.

    "Dieses Drehmoment, das zeigt eben genau die gleichen Zyklen wie die Planeten selber, wie das Signal, das wir im Eis und in den Baumringen gefunden haben. Und das hat uns dazu gebracht anzunehmen, dass das eben wirklich die Planeten sind, die da eine Rolle spielen. Es geht schön parallel mit dem, was man da in der Sonne beobachtet."

    In gewissen Abständen ist die Tachocline-Zone der Sonne höchst instabil und anfällig für Störungen von außen. Dann macht sich der minimale aber doch vorhandene Schwerkrafteinfluss der Planeten bemerkbar, die – so wie der Mond an den Ozeanen auf der Erde – an den Gasen in den oberen Sonnenschichten ziehen.

    "Wir haben Daten von C-14, wir haben Daten von Beryllium – beide Datensätze zeigen das gleiche Bild, nämlich die verschiedenen Perioden. Und die Planetenbahnen zeigen genau die gleichen Perioden, und das kann eigentlich kein Zufall sein."

    Dies lässt sich jedoch nicht geometrisch übertragen auf bestimmte Positionen, die jeder einzelne Planet einnehmen muss.

    "Es ist nicht die Planetenbahn als solche, sondern es ist das Drehmoment der Summe der Planeten auf diese Grenzschicht in der Sonne. Wenn man das rein mathematisch ausrechnet, dann sieht man, dass dieses Drehmoment stärker und schwächer wird. Und wenn man das analysiert, dann sieht man, dass da genau die gleichen Zyklen wieder drin sind, die wir auch aus unseren Daten aus den Baumringen und den Eisbohrkernen haben."

    Starke Indizien, die einen Zusammenhang zwischen Sonnenaktivität und Planeteneinfluss zwar noch nicht beweisen, aber nahelegen - findet auch Jose Abreu von der Eidgenössisch Technischen Hochschule in Zürich:

    "Die Planeten beeinflussen die Sonnenaktivität."

    Immer dann, wenn sich die Störungen und Reibungen in den Zonen unterhalb und überhalb der Tachocline hochgeschaukelt haben, ist die äußere Schicht der Sonne besonders anfällig für die Schwerkraftwirkung der Planeten. Sollten sich diese Erkenntnisse bestätigen, bestünde erstmals die Möglichkeit, die langfristen Zyklen der Sonne und damit die Entstehung von Sonnenflecken und Sonneneruption zuverlässig vorherzusagen.


    Weiterführende Links:

    Bald keine Sonnenflecken mehr?
    Blick ins Sonneninnere