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Technik gegen Terror
Wie Scanner Attentate im Flugzeug verhindern sollen

Wegen der hohen Terrorgefahr wurden die Flughäfen weltweit mit Körperscannern ausgestattet. Der Münchner Elektronikkonzern Rohde & Schwarz hat nun mit Unterstützung des Bundesforschungsministeriums einen neuen Detektor entwickelt, der schneller scannen und eine niedrige Fehlalarmrate aufweisen soll.

Von Ralf Krauter | 06.03.2017
Der Quick Personal Scanner, kurz QPS, der Firma Rohde & Schwarz.
Der Quick Personal Scanner soll bald an deutschen Flughäfen eingesetzt werden. (Rohde & Schwarz)
Technik gegen Terror (1/10): Attentäter im Flugzeug
Mit den kabinenartigen Körperscannern, die Vielflieger längst kennen, hat das neue Gerät von Rohde & Schwarz äußerlich wenig gemein. Der Quick Personal Scanner, kurz QPS, versperrt den Weg durch die Sicherheitsschleuse nicht, sondern flankiert ihn mit zwei grau-blauen Paneelen vom Format hochkant stehender Tischtennisplatten. In ihrer Mitte muss sich der Reisende zur Seite drehen und kurz in einer Pose verharren, die ein wenig an John Wayne erinnert: breitbeinig und mit leicht abgespreizten Armen.
"Jetzt beschreiben wir einfach mal das, was unser Passagier gerade tut: Er hat eine Positur eingenommen, die aus unserer Sicht eben sehr freundlich ist."
Scan dauert wenige Millisekunden
Christian Evers ist Senior Director bei Rohde & Schwarz und für die Entwicklung des Körperscanners verantwortlich. Im Demonstrationszentrum des Elektronikkonzerns am Münchner Ostbahnhof mimt einer seiner Mitarbeiter einen Reisenden, ein anderer den Luftsicherheitsassistenten, der auf ein Touchscreen-Panel drückt, um den Sicherheitscheck zu starten.
"Es gibt eine Vorauswahl für einen männlichen oder eben einen weiblichen Passagier. Das machen wir jetzt mal. Sowie der Ton erfolgt ist, ist der Scan durchgeführt. Er dauert nur wenige Millisekunden, was dazu führt, dass die Aufnahme nicht verwackelt wird."
Nach wenigen Sekunden erscheint auf dem Monitor das Wort ‚Pass‘: Der Fluggast darf passieren: Die Reflexionen der Millimeterwellen, die seine Kleidung durchdrungen und ihn bis auf die Haut abgetastet haben, lieferten keine Hinweise auf am Körper verborgene Gegenstände. Vor dem zweiten Durchlauf steckt sich der Mann einen kleinen Plastikbeutel in die rechte Hosentasche. Sein Inhalt: ein granulares Sprengstoffimitat. Außerdem klemmt er sich unterm Hemd eine Pistole in den Gürtelbund.
"Wir führen das Ganze jetzt noch mal durch. Das charakteristische Piepen ist erfolgt, das Gerät analysiert es in wenigen Sekunden. Und wir sehen jetzt einen geschlechtslosen Avatar abgebildet, die Vorder- und die Rückseite. Und über der vermeintlich rechten Hosentasche befindet sich eben ein Alarmsignal. Das ist das Granulat, das gefunden wurde. Und auf dem Rücken ist – auch mit einer Grobkontur versehen – der Umriss der Waffe zu finden."
Niedrigere Fehlalarmrate
Am Flughafen würde ein Kontrolleur den Mann nun zur Seite winken und die auffälligen Bereiche abtasten. Verglichen mit den Körperscannern des Marktführers L3 Communications aus den USA bietet der Millimeterwellen-Detektor aus München drei Vorteile. Erstens: Die Passagiere müssen die Arme nicht mehr über den Kopf heben, wie bei einer Verhaftung. Zweitens: Das Gerät arbeitet vollelektronisch, ohne rotierende Antenne, und muss deshalb seltener gewartet werden. Drittens: Da in den Paneelen je 3.008 Radarsensoren stecken, die Millimeterwellen 128 verschiedener Frequenzen aussenden, wird ein Vielfaches an Rohdaten gewonnen. Dank cleverer Auswertealgorithmen hilft das, die Erkennungsrate zu steigern und die Fehlalarmrate zu drücken.
Der Quick Personal Scanner, kurz QPS, der Firma Rohde & Schwarz.
Der QPS soll eine niedrigere Fehlalarmrate haben als ältere Geräte. (Rohde & Schwarz)
"Es ist so, dass wir Software-Versionen haben, die eben in der so genannten Labor-Fehlalarmrate, wo sich die Probanden eben genau an die Anweisung halten, auf einstellige Fehlalarmraten kommen."
Verglichen zu den Anfängen im Jahr 2011, wo die damaligen L3-Geräte bei einem Testlauf in Hamburg noch bei sieben von zehn Passagieren Alarm schlugen, sind das enorme Fortschritte. Möglich wurden sie durch Deep Learning, durch sich selbst optimierende Algorithmen also, die mit reichlich Rohdaten von harmlosen und gefährlichen Passagieren gefüttert wurden, erklärt Dr. Athanasios Karamalis, der für die Softwareentwicklung verantwortlich war.
"Wir haben das System in den Werken aufgestellt und einfach mal die Belegschaft gebeten, durch das System zu gehen. Danach haben wir hier im Labor eine große Messreihe durchgeführt mit unterschiedlichen Objekten. Das Ganze wurde dann unserer Software übergeben, damit diese maschinell also vollautomatisch lernt: Wie sieht denn ein normaler Mensch aus? Wie sieht denn ein verdächtiges Objekt unter der Kleidung aus?"
Vereinfacht gesagt, schlägt das System immer dann Alarm, wenn sich irgendwo am Körper etwas befindet, was dort - anatomisch betrachtet - nicht hingehört: Sei es ein Taschentuch in der Hosentasche, ein Banknotenbündel im Büstenhalter oder ein Päckchen Plastiksprengstoff in der Unterhose.
Alle deutschen Flughäfen werden neu bestückt
Nach ausgiebigen Tests, auch bei der Forschungs- und Erprobungsstelle der Bundespolizei in Lübeck, hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière im August 2016 300 Geräte bestellt - genug, um praktisch alle Kontrollspuren an deutschen Flughäfen zu bestücken. Bei knapp 200.000 Euro Stückpreis plus Zubehör und Service dürfte sich der dreijährige Rahmenvertrag auf rund 100 Millionen Euro summieren. Selbst für einen Konzern wie Rohde & Schwarz ist das ein ziemlich großer Fisch. Dass man den nun am Haken habe, sagt Christian Evers, verdanke man teils auch dem Bundesforschungsministerium.
"Das BMBF hat ganz entscheidend dazu beigetragen, dass wir in die Lage versetzt wurden, mit entsprechender Aufbereitung der ganzen Grundlagenforschung, dann eben ein Produkt zu machen."
TERATOM und QPASS - so hießen die Verbundprojekte, die den Weg wiesen. Das Bundesforschungsministerium förderte sie von 2007 bis 2012 mit Millionen: mit dem Ziel, deutsche Firmen mittelfristig in die Lage zu versetzen, den US-Vorreitern der Technologie Konkurrenz zu machen. Offensichtlich mit Erfolg.
Markt für Körperscanner wird wegen Terrorgefahr anwachsen
Ohne die Perspektive der beteiligten Partner, zu denen neben Hochfrequenztechnikern der Uni Erlangen-Nürnberg und Experten der Bundespolizei auch Ethiker aus Tübingen gehörten, hätten die Ingenieure wohl an den Bedürfnissen des Marktes vorbei entwickelt, sagt Christian Evers:
"Es ist eben nicht überall gewünscht, dass die Damen vor dem Kontrollpersonal die Hände heben und vielleicht dann noch Körperdrehungen vollführen müssen. Das sind No-Gos. Das sind am Anfang extrem richtungsbestimmende Dinge, die hier festgelegt werden."
Branchenanalysten prognostizieren, dass der Markt für Körperscanner an Flughäfen aufgrund der gewachsenen Terrorgefahr bis 2021 auf über 100 Millionen Euro anwachsen wird. Bei Rohde & Schwarz möchte man, ein Stück vom Kuchen abbekommen. In Japan, Brasilien und Katar gab es bereits Testinstallationen und man hofft auf weitere Großaufträge.