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Technologie statt Erdöl

Spricht man über die Wirtschaft Russlands, dann geht es um Öl und Gas. Woran man nicht denkt: Innovationen und Start-ups. Im Großraum Moskau entsteht gerade eine neue Wissenschaftsstadt. Der Ort Skolkowo – der nicht mal 400 Einwohner hat - soll das russische Silicon Valley werden.

Von Gesine Dornblüth | 28.05.2013
    Das Gerät sieht aus wie ein Weinkühler. Arsenij legt einen Apfel hinein, schraubt den Deckel zu, drückt eine Taste. Eine Digitalanzeige leuchtet auf. "Made in Skolkowo" steht auf einem Schild. Der Apparat misst die Radioaktivität von Lebensmitteln, und Arsenij hat ihn erfunden.

    "Das ist der Prototyp. Wir können sofort in Serienproduktion gehen. Viele Leute kaufen gewöhnliche Geigerzähler und denken, sie könnten damit prüfen, ob Lebensmittel strahlen. Dafür ist aber ein Spezialgerät nötig."

    Arsenijs Erfindung zählt zu den Vorzeigeprojekten von Skolkowo, das sonst noch nicht viel vorzuweisen hat. Bisher steht auf dem Gelände vor den Toren Moskaus nur ein Gebäude, ein Hightech-Würfel, umgeben von Brachland. Für die zweitägige Start-up-Konferenz wurden eilig Zelte aufgestellt.

    Die meisten der bisher gut 900 in Skolkowo registrierten Firmen sitzen denn auch in Wirklichkeit anderswo. Arsenijs Arbeitgeber, die Firma AngioScan, hat das Labor in Moskau. Firmenchef Dmitrij Kovalenko:

    "Wir haben uns in Skolkowo natürlich vor allem wegen der Subventionen registriert. Aber in den letzten Monaten ist uns klar geworden, dass uns vor allem die PR nützt, die Skolkowo für uns macht. Und Skolkowo hat uns den Kontakt zu guten Kunden verschafft, etwa zu Samsung Electronics. Das ist mehr wert als die Zuschüsse."

    Von 2010 bis 2015 sollen umgerechnet mehr als zwei Milliarden Euro aus dem Staatshaushalt nach Skolkowo fließen. Dort registrierte Firmen erhalten Zuschüsse in Höhe von 50 Prozent der Investitionssumme. Außerdem zahlen sie bis zu zehn Jahre keine Steuern. Dennoch ist die Bereitschaft junger Russen, eine eigene Firma zu gründen, nach wie vor gering. Die meisten ziehen eine Anstellung in einem Staatsbetrieb vor. Bei der Start-up-Konferenz in Skolkowo ging es deshalb vor allem auch darum, Gründergeist zu beschwören. Der Finne Pekka Viljakainen, Berater der Skolkowo-Stiftung, sieht in Russland großes Potenzial.

    "Im Vergleich zu den westeuropäischen Start-ups haben die Gründer in Russland einen wirklich fundierten wissenschaftlichen Hintergrund. Zum Beispiel in der Raumfahrt. Diese Technologien werden jetzt für die Unterhaltungselektronik genutzt."

    Kritiker bemängeln, Skolkowo helfe vor allem schon bestehenden großen Unternehmen, ihre Forschungsabteilungen auszulagern. Mit echten Start-ups habe das wenig zu tun. An der Vorzeigefirma mit dem Geigerzähler für Lebensmittel etwa ist die Guta-Gruppe beteiligt, eine russlandweit operierende Holding mit mehr als 20.000 Mitarbeitern. Ljubov Simonova von Almaz Capital, einer der größten Wagniskapitalgesellschaften in Osteuropa, verteidigt diese Politik.

    "Innovationen sind mit Risiken verbunden. Ob aus einer Idee ein massentaugliches Produkt wird, steht vorher nicht fest. Eigentümer von Unternehmen wollen so ein Risiko oft nicht eingehen. Da setzt Skolkowo an, indem es ko-finanziert."
    Jüngst wurde Skolkowo von Skandalen erschüttert. Es geht um Veruntreuung in Millionenhöhe. Skeptiker sehen sich ein weiteres Mal bestätigt. Ljubov Simonova mahnt zu Geduld.

    "Lassen sie uns noch fünf, sechs Jahre warten. Dann können wir den Fortschritt von Skolkowo beurteilen."