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Teil 2: Keine Lust auf Deutschland?

Sie sind gut qualifiziert, sprechen fließend deutsch und werden trotzdem nicht zum Bewerbungsgespräch eingeladen. Deutschtürken haben auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland geringere Chancen: Das "Institut für Türkeistudien" hat sogar ermittelt, dass Interessenten mit einem türkischen Namen sich zehnmal so häufig bewerben müssten, wie Bewerber mit deutschsprachigem Namen.

Von Reiner Scholz | 01.11.2008
    Warum zieht es Deutschtürken wie Mahir Hamurcu und andere in das Land ihrer Väter? Dafür gibt es viele Gründe. Einer ist zweifellos, dass sie es auf dem deutschen Arbeitsmarkt schwerer haben als andere. Selbst diejenigen, die Erfolg in der Schule hatten, können nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass die nächsten Integrationsschritte gelingen. Unabhängig davon, wie gut sie in der Schule waren und welche Zeugnisse sie hatten, berichteten viele Zuwanderer von großen Problemen, in Deutschland einen angemessenen Job zu finden. Ein Thema, für das sich bislang kaum jemand wirklich interessiert, beklagt die Hamburger Sozialwissenschaftlerin Tanja El-Cherkey:

    "Da mangelt es noch an wissenschaftlicher Evidenz, an Studien. Das müsste man sich gerade auch in Deutschland noch mal genauer angucken, woran es wirklich hapert, gerade jetzt der Übergang in den Ausbildungsplatz oder vom Ausbildungsplatz auf die Arbeitsstelle. Gerade diese Übergangsfragen sind ja oft so Grauzonen, bei denen man nicht ganz sicher ist, woran liegt es eigentlich, woran hapert es?"

    Zuwanderer, das besagen die wenigen Untersuchungen, die es zu diesem Thema überhaupt gibt, werden offenbar bei der Arbeitsplatzvergabe diskriminiert. Nach einer Untersuchung der internationalen Arbeitsagentur ILO beispielsweise müssten sie sich drei bis vier Mal so häufig bewerben wie Deutsche, bis sie überhaupt nur zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden.

    Das "Institut für Türkeistudien" hat sogar ermittelt, dass Interessenten mit einem türkischen Namen sich zehnmal so häufig bewerben müssten. Nach einer anderen Studie berichteten fast 20 Prozent befragter Deutschtürken, bei der Bewerbung diskriminiert worden zu sein. Bei Stellen im Banksektor und im Außendienst schnellte diese Zahl sogar auf 50 Prozent hoch. Auf der Suche nach möglichen Gründen wurde Tanja El-Cherkey im deutschsprachigen Ausland fündig:

    "Aus einer Studie in der Schweiz ging hervor, dass es nicht unbedingt harte Vorurteile waren sondern Geschichten vom Hörensagen. Die Unternehmer antworteten, ja, vielleicht arbeitet er ein bisschen weniger, vielleicht überzieht er seinen Urlaub, ist nicht ganz so strukturiert. Also, es kamen gewisse Klischees zutage. Und interessant war dann die folgende Frage: 'Haben sie das denn selbst erlebt?' - und interessanterweise hatten sie es nicht erlebt, sondern es waren Geschichten vom Hörensagen, aber keine eigenen Erfahrungen."

    Die Sozialwissenschaftlerin ist Leiterin des Kompetenzbereiches "Migration" am "Hamburger Weltwirtschafts-Institut". Kürzlich hat sie als Teil eines größeren Projekts 60 ausführliche Interviews zum Thema "Migration" ausgewertet. Dabei stieß die Sozialwissenschaftlerin auf interessante Details. So berichtete ein Unternehmer, dass allein ein fremd klingender Name ihn bereits davon abgehalten habe, sich die Bewerbung genauer anzuschauen:

    "Der Lebenslauf sah auf den ersten Blick sehr gut aus. Und einfach diese Hemmschwelle und eine gewisse Form der Bequemlichkeit und es sich bewusst zu machen, dort anzurufen und als erstes ganz offen zu fragen, wie spricht man eigentlich ihren Namen aus. Es war ein relativ schwieriger Name und dieser Unternehmer sagt, das ist wahr, man ist dann manchmal ein bisschen bequem, legt die erst mal beiseite und sagte auch selbst, man muss es sich erst mal bewusst machen und es ist überhaupt kein Problem, den Hörer abzunehmen und einfach erst mal zu fragen, wie spricht man ihren Namen aus."

    Fälle wie diese dürfte es öfter geben. Vielfach ist es Bequemlichkeit, nicht selten wohl auch Ablehnung, an denen Bewerbungen scheitern. Die meisten Studierenden mit türkischen Wurzeln wissen aus Berichten von Freunden und Bekannten, dass es diese Mechanismen gibt, lange bevor sie selbst einen Job suchen. Der angehende Jurist Belit Onay ist deshalb skeptisch, was seine Zukunft anbetrifft. Er geht zwar davon aus, dass er irgendeine Arbeit findet. Vielleicht aber nur im sogenannten "Ethnomarketing", also mit ausländischen Kunden als Zielgruppe. Doch ist es nicht das, was er sich als künftiger Volljurist wünscht:

    "Man hat auch einfach die Befürchtung, dass dann später im Berufsleben sich Probleme ergeben. Ich hab halt Kommilitonen, die mit mir fertig geworden sind, die sich langsam bewerben, in die Firmen kommen, und dann auch einfach merken, dass dann auf das Türkische einfach abgestellt wird, manchmal ist das schon ein bisschen ätzend"