Donnerstag, 25. April 2024


Teil V: Siebenbürgen in Rumänien

Rumänien tut sich schwer mit der eigenen Vergangenheit. Im Augenblick tobt ein Streit um die ehemaligen Mitarbeiter der Securitate, des gefürchteten kommunistischen Geheimdienstes unter dem Diktator Ceausescu. Umso schwerer fällt es, die noch weiter zurück liegende Vergangenheit aufzuarbeiten.

Von Eberhard Nembach | 17.09.2006
    Aber noch leben in Rumänien Menschen, die sich erinnern können an den Zweiten Weltkrieg und die Zeit danach. Im mit Deutschland verbündeten Rumänien des diktatorischen Marschalls Antonescu war der Krieg bereits zu Weihnachten 1944 aus, erinnert sich Erna Kloos, die damals 18 Jahre alt war und gerade eine Stelle als Lehrerin an einer deutschen Schule in Siebenbürgen angetreten hatte.

    Die junge Erna Kloos musste damals nicht gleich beim ersten Transport mitgehen, sah zu, wie die Deutschen nach Russland deportiert wurden ...

    Am Ende fand sich aber auch die junge Erna Kloos frierend in einem eisigen Viehwaggon wieder, bei Frost und Schnee kam sie im sowjetischen Lager an ...

    Die Deportation der Deutschen aus Südosteuropa zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion geschah aufgrund eines Befehls von Stalins selbst, der ihn schon im Dezember 1944 erließ. Erna Kloos arbeitete wie viele andere deportierte Deutsche auch in den Kohleminen des Donbass ...

    Weil sie zu schwach war, wurde Erna Kloos schließlich zur Küchenarbeit abkommandiert, nach dreieinhalb Jahren durfte sie dann zurück, schaffte den langen Weg nach Siebenbürgen, wo sie noch heute lebt.

    Sie hat auch den großen freiwilligen Exodus der Deutschen aus Rumänien miterlebt, die in den 70er Jahren begannen, Rumänien in Scharen zu verlassen und die in die Bundesrepublik Deutschland gingen. Erna Kloos lebt heute in einem Altersheim der deutschen Diakonie in Hermannstadt, rumänisch Sibiu. Sie ist dieses Jahr achtzig geworden, die meisten Verwandten und Freunde sind entweder tot oder in Deutschland.

    Fast gleichaltrig ist Miriam Berkowicz, die ebenfalls ein wenig vereinsamt in Bukarest lebt, und eine andere Geschichte von Gewalt und Vertreibung erzählt. Miriam Berkowicz ist Jüdin, wurde in den vierziger Jahren, als die gefürchteten Grünhemden der so genannten Eisernen Garde und das Militär des Marschalls Antonescu mit den deutschen Nazis gemeinsame Sache machten, in ein Ghetto in der Bukowina deportiert - das liegt in der heutigen Moldau-Republik. Was Miriam Berkowicz bis heute ärgert, ist, dass viele Rumänen so tun, als hätten sie mit dem antisemitischen Naziterror nichts zu tun gehabt. Dabei hätten damals doch Rumänen die Vertreibungen organisiert, erzählt Miriam Berkowicz.

    Erst langsam setzt sch die rumänische Öffentlichkeit mit diesem Thema auseinander. Der Marschall Antonescu galt immer als großer Held, er gilt in Rumänien nach einer Umfrage als einer der zehn größten Rumänen in der Geschichte. Die EU-Kommission kritisierte den anhaltenden Kult um Antonescu, nach dem Straßen benannt sind, und dessen Denkmal vor einer von ihm gestifteten Kirchen in Bukarest steht. Während der kommunistischen Jahre wurde nicht kritisch über Antonescu gesprochen, erklärt Hore-Roman Patapievici, einer der führenden Intellektuellen in Rumänien.

    Die Aufarbeitung der Vergangenheit kommt inzwischen aber auch in Rumänien in Gang. Am 9. Oktober wird der offizielle Holocaust-Gedenktag begangen. Dann ist es genau 65 Jahre her, dass die systematische Deportation und Ermordung von Juden in Rumänien begann. Es wird sogar eine Holocaust-Gedenkstätte in Bukarest gebaut. Vorangegangen ist die Aufklärungsarbeit einer Kommission unter der Leitung von Elie Wiesel, der seinerzeit selbst zu den Opfern gehörte. Im abschließenden Kommissionsbericht heißt es: "Unter allen Verbündeten des nationalsozialistischen Deutschland trägt Rumänien die Verantwortung für den größten Beitrag zur Vernichtung der Juden, abgesehen von Deutschland selbst."

    Die Zeit der Leugnung scheint vorbei, noch im Jahr 2003 hatte die damalige rumänische Regierung erklärt, in Rumänien habe es nie einen Holocaust gegeben. Schwierig ist die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit für alle, auch für die Rumäniendeutschen selbst. Die siebenbürgische Journalistin Hannelore Baier zum Beispiel beobachtet, dass jüngere Rumäniendeutsche von ihren Großeltern auch nur ein einseitiges Geschichtsbild übernehmen.