Dienstag, 19. März 2024

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Temperaturmessungen in der Erdatmosphäre
Mini-Satelliten für die Klimaforschung

Temperaturmessen 90 Kilometer über der Erde - das soll neue Erkenntnisse für Wetter- und Klimamodelle bringen, erklärte Umweltforscher Prof. Ralf Koppmann von der Uni Wuppertal im Dlf. Je besser man bestimmte Prozesse in der Erdatmosphäre verstehe, desto besser würden am Ende auch die Vorhersagen.

Ralf Koppmann im Gespräch mit Ralf Krauter | 11.02.2019
    Mini-Satelliten, CubeSats, fliegen im All, im Hintergrund die Erde
    Mit solchen Mini-Satelliten wollen die Wissenschaftler bestimmte Wellen in der Atmosphäre besser verstehen (picture alliance / Newscom)
    Ralf Krauter: Warum ist es aus der Sicht des Atmosphärenphysikers so spannend, mehr über die Temperaturverteilung in der oberen Atmosphäre 90 Kilometer über dem Erdboden zu erfahren?
    Ralf Koppmann: Der Hintergrund für diese Messungen ist folgender: Wir interessieren uns für alle Wellenaktivitäten in der Atmosphäre. In der Luft gibt es wie im Wasser Wellen, die sich in der Atmosphäre ausbreiten. Wenn zum Beispiel Luft über ein Gebirge strömt, dann wird die Luft ausgelenkt, und das breitet sich als Welle in der Atmosphäre aus.
    Diese Wellen verhalten sich tatsächlich wie Wasserwellen – das heißt, sie können auch brechen in der Atmosphäre – und treiben damit die großräumige Luftströmung an. Sehen können wir diese Wellen nicht, aber wir können sie messen über Temperaturschwankungen in der Atmosphäre. Und deshalb schauen wir auf die Temperatur, um über diesen Weg etwas über die Wellenaktivitäten in der Atmosphäre zu lernen.
    Diese Wellen dehnen sich aus bis in 100, 120 Kilometer Höhe. Der Bereich von 90 Kilometern ist für uns besonders interessant, weil Wellen dort oft brechen in diesem Höhenbereich.
    Mini-Satelliten sollen Messungen fortsetzen
    Krauter: Sie sagen, wir wüssten gern mehr über die Temperaturverteilung, weil die Rückschlüsse erlaubt. Wie misst man die denn bisher?
    Koppmann: Diese Temperaturen werden bisher auch schon von Satelliten aus gemessen. Das Problem ist im Moment, dass viele dieser Satelliten seit vielen Jahren in der Erdumlaufbahn sind und eigentlich ihre Lebensdauer schon überschritten haben. Das heißt, wir gehen im Moment davon aus, dass wir in den nächsten Jahren eine Lücke haben in den Messwerten, die für uns so wichtig sind.
    Und deshalb haben wir, das Forschungszentrum Jülich und die Bergische Universität Wuppertal, ein gemeinsames Projekt ins Leben gerufen zum Bau von kleinen Miniatursatelliten, die diese Messungen sozusagen ersetzen. Das fernere Ziel ist, einen ganzen Schwarm solcher Satelliten in die Umlaufbahn zu bringen, um eine möglichst lückenlose Überwachung dieser Daten in der Atmosphäre zu bekommen.
    Krauter: Wir sprechen da über sogenannte CubeSats, also Satelliten von der Größe einer Getränkekiste Pi mal Daumen, von denen man viele kostengünstig herstellen und in den Orbit bringen könnte.
    Koppmann: Die Getränkekiste ist schon zu groß. Ein typischer CubeSat hat ein Volumen von einem Liter. Das ist ein Würfel von zehn mal zehn mal zehn Zentimetern.
    Krauter: Also eher eine Milchtüte …
    Koppmann: Ja, genau. Und was uns vorschwebt, ist eine etwas größere Einheit. Wir können die Einheiten zusammensetzen. Unsere Planung sieht im Moment vor, einen solchen CubeSat aus sechs Einheiten zu bauen, in dem unser Messgerät untergebracht werden kann. Aber Sie haben recht, diese Geräte kann man mit relativ preiswerten und relativ einfachen Mitteln huckepack auf einem anderen Satellitenstart unterbringen und mit einer Rakete starten.
    Testphase erfolgreich gestartet
    Krauter: Um schon mal nachzuweisen, dass das prinzipiell interessante Einsichten ermöglichen würde, haben Sie ein Spektrometer namens AtmoSHINE gebaut, das am 22. Dezember 2018 an Bord einer chinesischen Rakete in den Orbit gestartet ist. Wie funktioniert das?
    Koppmann: Das ist ein relativ kleines, kompaktes Spektrometer. Sie müssen es sich so vorstellen: Sie gucken sich ein Spektrum an, das ist sozusagen ein Fingerabdruck eines Moleküls. Wir schauen auf Sauerstoff, der reichlich in der Atmosphäre vorkommt. Wir schauen also die Strahlung der Moleküle aus der Atmosphäre an mit diesem Gerät, messen diese Strahlung und können aus diesen Daten die Temperatur ableiten.
    Sie müssen sich das so vorstellen: Es ist ein kleines Glasbauteil, drei mal drei Zentimeter groß nur, das in diesem Gerät steckt, mit einer entsprechenden Optik. Das heißt, wir gucken mit einer Art von Teleskop horizontal in die Atmosphäre, bilden dies ab auf dieses Gerät und können dann aus diesem Bereich der Atmosphäre die Temperatur ableiten.
    Krauter: Wissen Sie schon, ob das funktioniert? Liefert Ihr Gerät die erwarteten Daten?
    Koppmann: Ja, wir wissen, dass es funktioniert. Im Moment läuft eine sogenannte Testphase. Das heißt, unser Gerät war jetzt erst mal für zwei Erdumläufe, für zwei Orbits eingeschaltet, sodass wir das Gerät erst mal testen konnten. Wir sehen also das sogenannte Luftleuchten, diese Strahlung aus der Atmosphäre. Wir können auch die entsprechenden Spektren, diese Fingerabdrücke sehen und ableiten.
    Das heißt, unser Gerät funktioniert auch unter diesen etwas ruppigen Weltraumbedingungen einwandfrei. Wir werden jetzt noch einmal eine zweite Testphase haben, in der wir einen kompletten Tag abdecken. Und durch die Messung eines ganzen Tages erreichen wir, dass wir die Erde komplett, global abdecken, also Messwerte über die gesamte Erde haben. Und dann, ab Ende April etwa, wird unser Gerät dauerhaft messen.
    Studenten bauen Spektrometer
    Krauter: Dieses Spektrometer für die Atmosphärenforschung, das Sie gebaut haben, fliegt an Bord eines chinesischen Satelliten sozusagen huckepack mit. Was waren denn bislang die größten Herausforderungen dieser Mission?
    Koppmann: Die Herausforderungen waren schon ordentlich. Wir haben dieses Gerät gebaut vor zwei Jahren für eine Studentenmission im Rahmen des REXUS-Projekts. REXUS steht für Rocket Experiment for University Students. Da kriegen Studenten die Möglichkeit, ein Experiment auf einer Höhenforschungsrakete auszuprobieren, zu testen.
    Und wir haben dieses Spektrometer damals gebaut und auf einer Höhenforschungsrakete erfolgreich getestet. Aufgrund dieses Tests und dieser Erfahrung, die wir haben, haben wir den Zuschlag bekommen, auf diesen chinesischen Satelliten zu gehen. Und die größte Herausforderung war, dieses Gerät so zu modifizieren, dass es in diesen Satelliten hineinpasst. Dazu hatten wir nicht mal ein Jahr Zeit. Das heißt, wir haben ein relativ straffes Programm gehabt, dieses Gerät zu bauen.
    Sie müssen sich vorstellen, Sie müssen alle Tests durchlaufen, einen Rütteltest, einen thermischen Test, einen Vakuumtest und so weiter. Und das musste alles vorher erledigt sein, bevor wir dieses Gerät dann im Frühjahr letzten Jahres nach China liefern mussten für den Einbau in den Satelliten.
    Bessere Klimamodelle möglich
    Krauter: Das klingt in der Tat sportlich, aber Sie haben es geschafft. Schauen wir nach vorn. Mal angenommen, die Datennahme und Auswertung läuft während der geplanten Lebensdauer des Satelliten von einem Jahr weiter nach Plan. Welche neuen wissenschaftlichen Einsichten erhoffen sich Sie und Ihre Kollegen dann?
    Koppmann: Wir hoffen, dass wir über diese Temperaturvariationen, die wir in der Atmosphäre messen, etwas über das Verhalten dieser sogenannten Schwerewellen erfahren oder lernen können. Bisher geht man davon aus, dass diese Wellen sich senkrecht in der Atmosphäre nach oben ausbreiten.
    Alle Modellrechnungen, seien es Wettervorhersagen oder Klimamodelle, gehen von dieser Tatsache aus. Das ist aber falsch. Diese Wellen breiten sich nicht nur senkrecht hoch in die Atmosphäre aus, sondern sie laufen auch horizontal. Sie biegen ab in andere Höhen und brechen an ganz verschiedenen Stellen. Das heißt, es kann Ihnen passieren, dass eine Welle ausgelöst wird – wir haben solche Messungen schon gemacht über Island – die laufen dann aber horizontal weiter und gehen irgendwo über Russland nach oben in die Atmosphäre und brechen an dieser Stelle.
    Und wir wollen gern wissen, wie sich diese Wellen in der Atmosphäre verhalten, um solche Effekte dann auch in die entsprechenden Modelle einbauen zu können. Und je besser wir diese dynamischen Prozesse in der Atmosphäre verstehen, desto besser werden am Ende auch die Modelle.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.