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Tennis nach Babypause
Kommt die "Lex Serena"?

"Beschämend" nennt die Zeitung USA Today die Babypausen-Regel im Tennis. Spielerinnen werden bei Turnieren nicht gesetzt, können früh auf starke Gegnerinnen treffen. Steve Simon, Chef der Tennisspielerinnen-Vereinigung, findet die Gleichstellung mit Langzeitverletzten dagegen angemessen.

Steve Simon im Gespräch mit Marina Schweizer | 25.03.2018
    Die US-amerikanische Tennisspielerin Serena Williams bei einem Schlag
    Die US-amerikanische Tennisspielerin Serena Williams (picture alliance / dpa / MAXPPP)
    Marina Schweizer: Sind Sie zufrieden oder beschämt über die Regeln die es gerade gibt?
    Steve Simon: Ich schäme mich sicher nicht für die Regeln, aber gleichzeitig finde ich, dass Muttersein auch anerkannt werden sollte. Wir finden sehr, dass eine Mutter, die an ihren Arbeitsplatz zurückkommt, dies auch gleichberechtigt tun können sollte und auch in einer Art und auf einem Level, wie dem, auf dem sie die Tour verlassen hat.
    Wenn man unsere Regel anschaut, dann bietet es ja ein special ranking. Eine Spielerin hat zwei Jahre nach ihrem letzten Turnier Zeit ihre Rückkehr einzuleiten und dann hat sie noch ein ganzes Jahr, um diese acht special ranking Möglichkeiten zu nutzen. Und das zusätzlich zu Wildcards. Also, wir sprechen von einem Drei-Jahres-Zeitraum, der aus meiner Sicht sehr fair ist.
    Marina Schweizer: Ich glaube, die Kritiker zielen darauf ab, dass man hier so behandelt wird, als sei man verletzt gewesen.
    Steve Simon: Ja, diese Regel ist an die Langzeitverletzungen angeglichen und ich glaube die Einzigartigkeit bei uns ist ja: Es ist ja nicht unbedingt eine normale Arbeitsumgebung – es ist ein Wettbewerb. Und ich denke, die Diskussion adressiert folgenden Punkt: Es geht darum, das special ranking auf die Setzliste anzuwenden. Unsere Spielerinnen haben das bisher nicht unterstützt.
    Ich habe Darren Cahills Kommentare gesehen und ich respektiere ihn sehr und es ist auch angebracht. Unsere Athletenkommission hat entscheiden, sich mit diesem konkreten Punkt nochmals zu befassen. Aber die Mütter, die zurückkommen, tun dies auf einem gleichgestellten Level zu allen Spielerinnen und all denjenigen, die nach jedweder Abstinenz zurückkehren.
    "Dann nimmt man einer anderen Spielerin etwas weg."
    Marina Schweizer: Also sagen Sie gerade: Es ist auch schwer durchzusetzen, weil Spielerinnen, die ihren Platz in der Setzliste sportlich verdient haben, weichen müssten?
    Steve Simon: Ja, das ist kompliziert. Wenn man in unserer Welt ein special ranking einsetzt, damit man an einem Wettbewerb teilnehmen kann, dann nimmt man einer anderen Spielerin etwas weg. Das ist schon einzigartig. Und wir haben folgende Situation hier: Wir haben auch Spielerinnen, die von ihrem Arbeitsplatz weg waren, weil sie verletzt, krank waren oder einen anderen Grund hatten. Und sie wollten auch nicht weg sein.
    Also ich glaube die Orientierung der Langzeitverletzung an der Mutterschaft, was ja auch eine Freistellung ist, ist ein angemessener Umgang und es sollte auch gleichgestellt sein. Ich denke, es geht eher darum, ob sich etwas an der Setzliste ändert.
    Marina Schweizer: Was denken Sie – sollte sich das verändern?
    Steve Simon: Es muss zusammen gedacht werden. Da fallen so viele Aspekte rein, dass wir es mit den Spielerinnen diskutieren sollten.
    Marina Schweizer: Was wäre da ein zeitlicher Rahmen, in dem so eine neue Regel geschaffen werden könnte?
    Steve Simon: Das wird Teil unserer Regelfindung sein, ich würde mal erwarten, dass wir uns die Regel in den nächsten Monaten ansehen und das schon Teil des Regelwerks 2019 sein könnte, wenn es eine Veränderung geben sollte.
    "Das Thema ist eindeutig mit Serenas Rückkehr aufgekommen."
    Marina Schweizer: Ich habe heute mit der Nummer 58 der Welt, Tatjana Maria gesprochen, die eine kleine Tochter hat. Sie hat gesagt. Sie wünscht sich mehr Kinderbetreuung auf den Turnieren und die Möglichkeit, mit ihrem protected ranking alle möglichen Turniere ansteuern zu können, wie sie mag.
    Steve Simon: Was die Kinderbetreuung angeht: Wenn man sich mit Kinderbetreuung beschäftigt, dann ist das eine Herausforderung, die damit zusammenhängt, wo man gerade ist und was es dort für Voraussetzungen gibt, um Kinderbetreuung anzubieten. An vielen Orten dieser Welt braucht man gewisse Voraussetzungen, wie eine Lizenz, um Kinderbetreuung anzubieten. Das ist eine Schwierigkeit für sich.
    Wenn man sich ihre Flexibilität anschaut, die sie haben möchte, um ihr special ranking auszuspielen: Das kann sie zumindest innerhalb aller Turniere unserer Organisation frei aussuchen, wir sind nicht verantwortlich für Grand Slams. Diese Entscheidungen müssen bei den Grand Slams fallen.
    Marina Schweizer: Letzte Frage. Was antworten Sie denen, die jetzt kritisieren: Wir besprechen die Problematik jetzt nur, weil es eine frühere Nummer 1, nämlich Serena Williams, betrifft?
    Steve Simon: Das Thema ist eindeutig mit Serenas Rückkehr aufgekommen. Es wurde hervorgehoben, als sie in ihrem zweiten Spiel in Indian Wells gegen ihre Schwester Venus spielen musste. Aber in dieser Diskussion geht es ja nicht um Serena und ich denke auch nicht, dass sie will, dass es um sie geht. Weil sie auch noch kein Wort dazu gesagt hat und ich erwarte auch nicht, dass sie es tun wird.
    Das ist eine schön länger währende Diskussion, die sich darum dreht, ob das special ranking auch auf die Setzliste bezogen wird. Wir haben auch schon vor einem Jahr darüber gesprochen, als wir ein paar Veränderungen eingeführt haben. Wir schauen uns diese Diskussion weiter an und ich denke, es ist auch angebracht.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    Das gesamte Gespräch können Sie mindestens sechs Monate in unserer Mediathek nachhören.