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Tennis
Nachrichten über Spielmanipulation häufen sich

Ende letzten Jahres wurde in Australien ein Ex-Profi wegen Spielmanipulation verurteilt. Italien sperrte jüngst zwei Davis-Cup-Spieler. Ende März nahm die Tennis Integrity Unit einen französischen und einen italienischen Profi für sechs Monate aus dem Wettkampfgeschehen. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs.

Von Tom Mustroph | 04.04.2015
    Drei Tennisbälle in der Hand eines Spielers
    Bevor es Tennis gab, erfüllte die Hand ganz allein die Funktion des Schlägers. (picture alliance / dpa)
    Tennis hat ein Manipulationsproblem. Davon ist Roberto di Martino, Staatsanwalt im italienischen Cremona, überzeugt. Di Martino leitet die große Betrugsermittlung im italienischen Fußball. Er stieß dabei auch auf gekaufte Tennisspieler.
    "Diese Sache ist weit verbreitet, sehr weit verbreitet. Und darin verwickelt sind Tennisspieler, die an der Spitze ihres Sports stehen, drei von den ganz großen. Betroffen sind Spieler der zweiten, aber eben auch der ersten Reihe."
    Di Martino kam durch die Auswertung von beschlagnahmten Computern der betrügenden Fußballprofis auf Chats, in denen es um Manipulationen auch im Tennis geht.
    "Aus diesen Chats versteht man, dass eine Gruppe von Italienern einige italienische Tennisspieler rekrutiert hat und versuchte, noch andere zu gewinnen. Da gibt es Diskussionen, wie man das angeht, und wie man es besser nicht machen soll. Und man spricht ganz klar von Geld, davon, was man für eine einzelne Begegnung geben kann."
    Bei den italienischen Tennisspielern handelt es sich um Daniele Bracciali und Potito Starace. Die beiden Doppelspezialisten vertraten ihr Land im Davis Cup. Sie erhielten eine Sperre von 40 Tagen. Während Di Martino den italienischen Komplex der Tennismanipulationen für begrenzt und weitgehend aufgeklärt hält, steht er bei der Ermittlung der internationalen Dimension noch am Anfang.
    "Da gibt es Absprachen. Ein ehemaliger Tennisprofi, ein früherer Top 100-Spieler, der sich jetzt um Wetten kümmert, gab den Italienern Ratschläge, auf welche internationalen Spiele sie setzen sollten."
    Dieser Ex-Profi stammt aus Schweden, sein Name steht in den Abhörprotokollen. Er ist ein früherer Doppelpartner eines aktiven deutschen Tennisprofis.
    "Er nennt diese Vorschläge 'Creme'. Er sagt: 'Ich gebe ihm eine Creme.' Er spricht da auch von einer Person in Deutschland. Wenn er von diesen 'Cremes' erzählt, begründet er manchmal auch, warum man auf bestimmte Spiele und bestimmte Resultate setzen soll."
    Laut Di Martino prahlt dieser Betrugsvermittler mit seiner Nähe zu den Profis. Er trifft sie einen Tag vor dem Spiel.
    "Und man merkt, dass er versucht, sie von den Manipulationen zu überzeugen."
    Die Ermittlungen in der internationalen Tennisszene fallen Di Martino aber schwerer als die in Italien. Italiener kann er zum Verhör vorladen, in Untersuchungshaft stecken und so zum Reden bringen. Bei ausländischen Verdächtigen sind ihm die Hände gebunden.
    Wie bedroht der weiße Sport ist, wurde bereits vor vier Jahren durch die lebenslange Sperre gegen den österreichischen Profi Daniel Köllerer klar. Die Tennis Integrity Unit hat seit 2010 insgesamt 14 Spieler wegen wettbezogener Manipulation gesperrt, fünf davon wie Köllerer lebenslang.
    In der Szene kursiert ein Spiel vom Challenger-Turnier in Meerbusch bei Düsseldorf vom August 2014 zwischen zwei holländischen Profis als Lehrbeispiel für Wettbetrug: Derjenige, der das Spiel am Ende verliert, gewinnt den ersten Satz und treibt so die Quoten in die Höhe. Ein gängiges Muster, das auch Staatsanwalt Di Martini beobachtete.
    Tennis hat zwei strukturelle Probleme, die Manipulationen begünstigen. Das erste ist ein Finanzierungsproblem. Nur etwa 2 Prozent aller Tennisprofis können mit den Preisgeldern ihren Lebensunterhalt bestreiten. Das fand eine Studie von Tennis Australia heraus.
    Michael Bane, Autor der Studie:
    "Wir haben 8.000 Männer und 4.000 bis 5.000 Frauen betrachtet, die mindestens ein Turnier gespielt haben. Unsere Studie untersuchte die Kosten dieser Spieler. Sie liegen bei 160.000 Dollar pro Jahr. Und wenn man dann auf das Preisgeld schaut, das verteilt wurde, und auf die jeweiligen Rankings in der ATP und der WTA Tour, dann sieht man, dass man um Position 150, 160 liegen muss. Das bedeutet, nur 160 Profis schreiben eine schwarze Null. "
    150 bis 160 von mehr als 8.000 Männern und mehr als 4.000 Frauen verdienen durch das Tennis. Der große Rest zahlt trotz Preisgeldern von insgesamt 160 Millionen Dollar pro Jahr drauf.
    Zwar gesteht Bane ein, dass Spieler auch ihre Kosten reduzieren können.
    "Wenn man in den Top 1.000 ist, dann hat man vielleicht Ausgaben von 40 - 50.000 Dollar im Jahr. Aber es bleibt schwierig. Ein Elternteil gibt oft den Job auf, um den Spieler zu begleiten. Sie müssen sparen, wo es nur geht. Hotelzimmer teilen, bei Freunden unterkommen. Oft ist es für Spieler schwer, zu den Turnieren zu reisen, bei denen sie tatsächlich spielen wollen."
    Nun wird nicht jeder Spieler, dem es an Einkünften mangelt, gleich zum Betrüger. Weil Manipulationen im Tennis vergleichsweise leicht zu bewerkstelligen sind, ist die Versuchung aber groß.
    Staatsanwalt Di Martino:
    "Es ist viel leichter, ein Tennisspiel zu manipulieren als ein Fußballspiel. Im Fußball kam es immer wieder vor, dass, selbst wenn die komplette Abwehr einverstanden war, einfach kein Tor fiel. Der Torwart kann sich ja nicht einfach wegdrehen, wenn der Ball kommt. Im Tennis reichen ein paar Bälle ins Netz."
    Bei Monitoringunternehmen fallen pro Woche weltweit etwa drei Tennisspiele als verdächtig auf. Als gängiges Muster hat man dort beobachtet, dass sich Spieler vorher auf ein Deuce in bestimmten Spielen eines Satzes verständigen. Nach diesem zwischenzeitlichen Unentschieden wird kompetitiv weiter gespielt.
    Nachweisen kann man solche Absprachen kaum. Sie werfen den einzelnen nicht einmal bei der Jagd nach Weltranglistenpunkten zurück - und können sogar denen eine Extraeinnahme bringen, die ihren Lebensunterhalt locker aus Preisgeldern bestreiten. Der weiße Sport hat eine ganz düstere Seite.