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Terminservice-Gesetz
Ärzte protestieren gegen Spahns Praxispläne

Das von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn geplante "Terminservice- und Versorgungsgesetz" stößt bei den Ärzten in Deutschland auf wenig Gegenliebe. Sie fürchten um längere Praxisöffnungszeiten und wehren sich vehement. Spahn will aber unbedingt an dem Gesetz festhalten.

Von Volker Finthammer | 23.01.2019
    Arzt mit einer Patientin im Gespräch
    Der neue Terminservice-Gesetz verschlechtert die Arbeitsbedingungen, glauben viele Ärzte (imago/Jochen Tack)
    Die Ärzte machen mobil. Die in dem von der Bundesregierung geplanten Terminservice- und Versorgungsgesetz, kurz TSVG, vorgesehenen längeren wöchentlichen Praxisöffnungszeiten würden zu einer Entmündigung und Demotivierung der Ärztinnen und Ärzte führen, heißt es in einem Aufruf des Verbandes der niedergelassenen Ärzte.
    Der Unmut der Ärzte sollte heute zugleich über bundesweit geschlossene Praxen zum Ausdruck gebracht werden. Doch wie viele niedergelassene Ärzte sich bundesweit daran beteiligt haben, blieb bis zur Stunde unklar. Offenbar war es doch nur eine überschaubare Zahl, die der Aufforderung gefolgt ist.
    Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat heute eine Aktionen gestartet, mit der man sich gegen die geplanten Änderungen wehren will. Mit einer drei Meter langen rückwärts laufenden Arztzeituhr will die KBV deutlich machen, wie die potentielle Behandlungszeit durch die Neuregelung sogar deutlich schneller schwinden würde, als das bislang schon der Fall ist.
    Was ist die Definition einer Sprechstunde?
    "Und deshalb ist dies Regelung, sie ist nicht nur übergriffig, sie ist inhaltlich sinnfrei weil niemand eine Definition hat, was ist Sprechstunde. Aber alle beißen sich an dieser Sprechstunde fest, und ich hab den Eindruck, das ist ein Ausguss der Koalitionsvereinbarung, und wir hören uns immer an, dass die bis tief in die Nacht hat gehen drei, vier, fünf Uhr. Es gibt Studien, die sagen, dass wenn die zu wenig Schlaf bekommen, ja ihre kognitive Fähigkeiten ungefähr dem Level von jemand entspricht, der den Abend getrunken hat. Deshalb ist vielleicht nicht jede Regelung, die im Koalitonsvertrag steht, wirklich extrem sinnhaftig durchdacht", sagt der KBV-Vorsitzende Andreas Gassen.
    Dabei hatte Gesundheitsminister Jens Spahn erst Ende vergangener Woche ganz nüchtern darauf hingewiesen, dass man an dieser Einigung im Koalitionsvertrag grundsätzlich nicht viel ändern könne, weil sie einen Kompromiss in der Debatte über die Einführung einer Bürgerversicherung mit gleichen Zugangsrechten für private und gesetzlich Versicherten bei der ärztliche Terminvergabe darstellt. Und da habe die Politik handeln müssen, weil die Selbstverwaltung der Ärzte auch in jahrelangen Debatten keine Verbesserung zustand gebracht habe.

    "Wenn ich fünf Jahre hintereinander den Bürgern bei mir im Wahlkreis beim selben oder gleiche Problem sage: Das ist Selbstverwaltung, da kann ich nichts machen, stärkt das nicht so richtig das Vertrauen in die Politik. Das ist halt noch nicht gelöst."
    600 Millionen Euro Mehrverdienst für die Ärzte
    Deshalb will Spahn an der Regelung festhalten, zumal die zusätzlichen Sprechstunden extra vergütet werden sollen. 600 Mio. Euro pro Jahr sollen die Ärzte für diese Zusatzleistung erhalten. Doch das halten die Kassenärzte nicht für hinreichend. Andreas Gassen:

    "Wenn sie es auf 160.000 Vertragsärzte runterbrechen, dann sind es noch nicht einmal mehr als 4000 Euro aufs Jahr pro Praxis. Und jeder von ihnen kann sich ausreichend dass es schwierig für 4000 Euro relevante Änderungen am ende sogar mit Personalaufstockung umzusetzen. Insofern wird der eine oder andere Sagen, dann verzichte ich lieber drauf und habe meine Ruhe."

    Der ökonomische Anreiz ist für die Ärzte offenbar nicht hoch genug, deshalb fordern sie ein Ende der Budgetierung, also der finanziellen Deckelung, um das Problem grundsätzlich lösen zu können. Doch dem Wunsch dürfte die Politik am Ende nicht folgen. Veränderungen wird es aller Voraussicht nach nur in Detailfragen geben. Das hat der Gesundheitsminister bereits zugestanden.