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Terror im Nordkaukasus
Fünf Tote nach Anschlag in Tschetschenien

Angesichts der Ukraine-Krise geriet der Terror im russischen Nordkaukasus in Vergessenheit - doch nach wie vor gehört er dort zum Alltag. Am Sonntag starben in Grosny, der Hauptstadt Tschetscheniens, bei einem Selbstmordanschlag fünf Polizisten.

Von Gesine Dornblüth | 06.10.2014
    Präsident Ramzan Kadyrov spricht zu mehreren Journalisten, nachdem bei einem Selbstmordattentat in der Tschetschenischen Hauptstadt Grosny fünf Polizisten starben.
    Ramzan Kadyrow, Präsident der Teilrepublik Tschetschenien, kündigt an, die Täter mit aller Härte zu verfolgen: "Wir müssen den Extremismus ausrotten." (picture-alliance / dpa / Yelena Afonina / ITAR-TASS)
    Es geschah ausgerechnet am Tag der Stadt Grosny, gleichzeitig dem Geburtstag von Republik-Präsident Ramzan Kadyrow. Das autoritär regierende Oberhaupt Tschetscheniens ließ sich gestern Abend mit einem Konzert feiern. Der Attentäter, nach Behördenangaben ein 19-jähriger Einheimischer, zündete den Sprengsatz, als er am Eingang in die Konzerthalle von Sicherheitsbeamten kontrolliert wurde.
    "Wir müssen den Extremismus ausrotten"
    Fünf Polizisten starben sofort, 13 zum Teil Schwerverletzte werden im Krankenhaus behandelt. Das Konzert fand anschließend dennoch statt. Kadyrow kündigte an, die Täter mit aller Härte zu verfolgen: "Wir werden zeigen, dass sie kein Recht haben, hier zu existieren. Wir haben sie vernichtet und werden sie weiter vernichten, egal, wo sie sind. Wir müssen den Extremismus ausrotten. Und ich denke, wir werden diejenigen, die hinter diesem Anschlag stehen, schon in allernächster Zukunft vernichten."
    Kadyrow setzt, wie Russlands Präsident Putin, darauf, Terroristen mit Gewalt zu bekämpfen. Es heißt, Kadyrow beaufsichtige Antiterroraktionen persönlich. Seine Sicherheitskräfte sind berüchtigt. Ihren Operationen fallen oft auch Unbeteiligte zum Opfer, ihnen werden Entführungen und Folter angelastet.
    Harte Kurs gegen den Terror schiebt Problem nur auf
    Lange schien der harte Kurs Erfolg zu haben. Der Terror verlagerte sich aus dem kriegsgebeutelten Tschetschenien in die russischen Nachbarrepubliken, vor allem nach Dagestan und Kabardino-Balkarien. Dort sind Überfälle und Anschläge auf Uniformierte an der Tagesordnung. Das auf die Region spezialisierte Internetportal Kavkazkij Uzel hat gezählt, dass im ersten Halbjahr 2014 181 Menschen im Rahmen des bewaffneten Konflikts im Nordkaukasus starben: meist mutmaßliche Untergrundkämpfer, aber auch dutzende Uniformierte und einige Zivilisten.
    Doch Tschetschenien ist dabei nicht ausgenommen. Vor einem halben Jahr fielen dort bereits vier Soldaten einem Anschlag zum Opfer. Nordkaukasusexperten warnen schon seit Längerem, dass der harte Kurs Kadyrows das Terrorproblem nur aufschiebe. Jekaterina Sokirjanskaja von der International Crisis Group sagte dem Deutschlandfunk:
    Wachsende Zahl russischer Islamisten
    "Es scheint nur, dass der repressive tschetschenische Antiterrorkampf effizient ist. Die Opferzahlen sind gering. Aber ich bin mir sicher, dass das nur vorübergehend ist. Denn die repressiven Methoden schaffen keine Basis für einen nachhaltigen Frieden."
    Um die Wurzeln der Konflikte zu bekämpfen, müsse man die sozialen und wirtschaftlichen Fragen in der Region lösen. Der Nordkaukasus ist verarmt und von Zuwendungen aus Moskau abhängig, die Korruption ist immens, das Gewaltpotenzial hoch. Kämpfer aus Tschetschenien tauchten zuletzt auch in der Ostukraine auf, Medienberichten zufolge sowohl aufseiten der Separatisten, als auch bei deren Gegnern.
    Experten beunruhigt zudem die wachsende Zahl russischer Islamisten, die an der Seite von Terroristen in Syrien und im Irak kämpfen. Schätzungen zufolge, handelt es sich um zwischen 300 und 2.000 Radikale, die, wenn sie nach Russland zurückkehren, ihre Kampferfahrungen dort umsetzen könnten.