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Terror in Brüssel
Durchsuchungen in ganz Belgien

Auf der Suche nach den Hintermännern der Anschläge in Belgien durchsuchen die Sicherheitsbehörden Häuser im ganzen Land. Bisher ist auch noch ein mutmaßlicher Attentäter auf der Flucht. Trotz der immer noch höchsten Terrorwarnstufe - das öffentliche Leben läuft wieder an.

Von Thomas Otto | 23.03.2016
    Polizei und Rettungskräfte im Brüsseler Stadtteil Schaerbeek.
    Polizei und Rettungskräfte im Brüsseler Stadtteil Schaerbeek. (AFP / Patrik Stollarz)
    Mindestens 34 Tote, über 200 Verletzte - so vorläufig die bittere Bilanz der gestrigen Anschläge am Brüsseler Flughafen Zaventem und der Metrostation Maelbeek im Europaviertel. Viele hatten nach den Anschlägen von Paris solch einen Terrorakt auch in Brüssel kommen sehen. Auch Premier Charles Michel hatte öffentlich befürchtet, dass solche Attentate auch in Belgien möglich seien. Am Abend wandte er sich, zum zweiten Mal an diesem Tag, an die Bevölkerung:
    "Ich möchte jenen barbarischen Feinden der Freiheit, der Demokratie und der Grundwerte mit größtem Nachdruck sagen, dass wir einig und geschlossen bleiben. Dass wir vollständig mobilisiert sind, heute mit einem tiefen Schmerz im Bauch und im Herzen, aber vollständig entschlossen, unsere Freiheit und unsere Lebensart zu verteidigen."
    Bis auf Weiteres gilt für das ganze Land Terrorwarnstufe vier, heißt: Mit weiteren Anschlägen muss gerechnet werden.
    Suche nach dem dritten Mann
    Derweil fahnden die Sicherheitsbehörden nach den Hintermännern der Attentate. Auf dem Bild einer Überwachungskamera von Flughafen sind drei Männer zu sehen, jeder schiebt einen Gepäcktrolley vor sich her. Zwei von ihnen sollen sich gestern Morgen gegen acht Uhr im Check-In-Bereich des Flughafens in die Luft gesprengt haben. Nach dem dritten Mann wird gesucht. Vermutlich war es seine Bombe, die von Sicherheitskräften gefunden und entschärft wurde. Generalstaatsanwalt Frédéric Van Leeuw erklärte auf einer Pressekonferenz:
    "Es finden vielerorts Tatortanalysen durch Kriminaltechniker und andere Experten statt. Eine sehr schwierige Arbeit, die noch Stunden dauern wird."
    Dabei haben die Ermittler bereits herausgefunden, dass die Attentäter vom Flughafen mit dem Taxi zu ihrem Anschlagsziel gefahren sind und ihre Bomben in Koffern versteckten. Bei einer Durchsuchung im Brüsseler Stadtteil Schaerbeek wurden außerdem ein weiterer Sprengsatz, Chemikalien und eine IS-Fahne gefunden.
    "Im ganzen Land gibt es Vernehmungen und Hausdurchsuchungen. Es ist von größter Wichtigkeit für die Ermittlungen, dass keine Adressen bekannt gegeben werden", warnte Van Leeuw in der Befürchtung, dass mögliche Hintermänner so gewarnt werden könnten.
    Gespenstische Stille am Nachmittag
    Am Nachmittag bekannte sich der sogenannte "Islamische Staat" zu den Anschlägen - Experten halten die Mitteilung für authentisch. Den ganzen Vormittag über lag über der Stadt das Geheul der Sirenen: Ein Krankenwagen nach dem anderen jagte mit Polizeieskorte durch die Straßen. Geschäfte hatten geschlossen, Bus, Tram und Metro stellten ihren Dienst ein.
    Am Nachmittag dann eine gespenstische Stille: Lediglich ein entfernter Polizeihubschrauber war zu hören, als sich eine lange Schlange von Menschen von der Metrostation Maelbeek her kommend, schweigend in Richtung Schuman - dem zentralen Platz des Europaviertels - bewegte. Nachdem es am Vormittag noch die Aufforderung gegeben hatte, Wohnungen und Büros nicht zu verlassen, machten sich nun die im EU-Viertel arbeitenden Menschen, noch sichtlich geschockt, auf den Heimweg.
    Mittlerweile haben in Brüssel die meisten Verkehrsmittel ihren Dienst wieder aufgenommen. Der Flughafen Zaventem soll allerdings noch bis mindestens Donnerstag geschlossen bleiben. Auch einige Schulen haben ihren Schülern frei gegeben.
    Einen Lockdown wie im November, als nach den Anschlägen von Paris das öffentliche Leben in Brüssel zum Erliegen kam, soll es aber nicht geben. Im ganzen Land wehen die Fahnen auf Halbmast. Bis Freitag sind drei Tage Staatstrauer angesetzt.