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"Terror ist Terror"

Der Vorsitzende des Islamrates, Ali Kizilkaya, verurteilt die Anschläge auf die koptischen Christen aufs Schärfste. Zwar sei noch unklar, ob die Tat einen islamistischen Hintergrund habe. Unabhängig davon sei das Verbrechen "von der Religion her nicht zu rechtfertigen".

Ali Kizilkaya im Gespräch mit Gerd Breker | 03.01.2011
    Gerd Breker: In Ägypten haben sich nach dem Anschlag vor einer Kirche aufgebrachte koptische Christen Auseinandersetzungen mit der Polizei geliefert. Hunderte Christen demonstrierten in Kairo und in Alexandria, wo sich in der Nacht zu Neujahr ein Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt hatte. Mindestens 21 Menschen wurden dabei getötet. Die Demonstranten fordern mehr Schutz für die Christen im überwiegend muslimischen Ägypten und werfen der Regierung schlicht Feigheit vor. Und am Telefon bin ich nun verbunden mit dem Vorsitzenden des Islamrates für die Bundesrepublik Deutschland, mit Ali Kizilkaya. Guten Tag, Herr Kizilkaya!

    Ali Kizilkaya: Guten Tag!

    Breker: Herr Kizilkaya, von Ihnen hat man zu diesem Anschlag noch nichts gehört, wie lautet denn Ihre Stellungnahme?

    Kizilkaya: Also ich bedaure, dass man das noch nicht gehört hat, wir haben am Samstag eine Pressemitteilung aller islamischen Verbände, die im Koordinationsrat der Muslime zusammengeschlossen sind, herausgegeben, in der wir diese abscheuliche Tat verurteilt haben. Natürlich ist es eine schreckliche Sache und es hat uns sehr betroffen gemacht und sehr traurig gestimmt, dass unschuldige Menschen Opfer eines Terroraktes geworden sind, und zudem noch ein Gotteshaus, wo Menschen zum Gebet zusammengekommen sind. Also wir verurteilen das aufs Schärfste und unsere Anteilnahme gilt natürlich den Angehörigen.

    Breker: Herr Kizilkaya, der Islam galt ja bislang als tolerante Religion. Der Koran fordert ja ausdrücklich den Schutz des Lebens und auch den Schutz der Gotteshäuser.

    Kizilkaya: Ja sicher, natürlich ist es so. Aber man muss auch jetzt hier anmerken, dass zurzeit ja die Täter nicht bekannt sind, ob es einen vermeintlich islamischen oder islamistischen Hintergrund hat oder nicht, das weiß man ja nicht. Aber unabhängig davon ist es natürlich von der Religion her nicht zu rechtfertigen. Die Muslime haben in der Geschichte eigentlich im Alltag ein gedeihliches Zusammenleben mit anderen Religionen gehabt und ein tolerantes, das sieht man auch in Europa und im Balkan, wo Muslime lange Jahre geherrscht haben und die Religionen nicht assimiliert haben, sodass jeder nach seiner Religion selig werden konnte.

    Breker: Nun ist ja, Herr Kizilkaya, Ägypten kein Einzelfall: Der Irak scheint ja geradezu den Exodus der Christen anzustreben, im arabischen Raum ist die Religionsfreiheit offenbar nicht gegeben.

    Kizilkaya: Das ist leider wahr, allerdings muss man die besondere Situation im Irak natürlich auch vor Augen haben: Wird Irak von Muslimen regiert oder von den Besatzungsmächten? – Das ist eine andere Frage - und ob dieser Exodus auch religiös begründet ist oder nicht eher politisch?

    Breker: Warum?

    Kizilkaya: Ja das sind ja politische Kämpfe, die dort stattfinden, und da sucht man sich teilweise leider auch möglicherweise die Opfer willkürlich. Und die meisten Opfer im Irak sind ja Muslime, also es gehen ja Bomben vor Moscheen auch hoch. Und deswegen sollte man da sehr aufpassen, dass man jetzt ... Terror ist Terror, ist egal, gegen wen. Und Muslime sind genau so Opfer wie alle anderen Menschen.

    Breker: Ja, nur im Irak regiert ja die irakische Regierung, und nicht die Besatzungstruppen?

    Kizilkaya: Sicherlich, ich will damit nur sagen: Ich will niemandem die Schuld zuschieben, ich kann das auch gar nicht beurteilen, nur sage ich, dass da eine Chaossituation herrscht, in der leider so etwas gedeiht.

    Breker: Herr Kizilkaya, nun ist ja Toleranz keine Einbahnstraße. Wer also fordert, dass er seine Religion frei ausüben kann, der muss dem anderen natürlich auch zugestehen, dass er dessen Religion frei ausüben kann. Was muss da geschehen?

    Kizilkaya: Das ist sogar ein islamische Gebot, dass man den anderen mit Toleranz begegnen muss. Denn unser Schöpfer, an den wir glauben, der allmächtig ist, hat es so gewollt, dass die Menschen in Vielfalt leben. Denn wenn sie sagen, dass der Schöpfer allmächtig ist, dann wäre er auch in der Lage, die Menschen in einer Religion oder in einer Ethnie zu erschaffen. Und er wollte die Vielfalt und das findet sogar im Koran seinen Niederschlag. Und er sagt, wir haben die Vielfalt gewollt und das muss jeder Mensch und besonders jeder Moslem akzeptieren.

    Breker: Herr Kizilkaya, wenn wir die Lage der Christen im Irak nehmen, wenn wir diesen Anschlag in Alexandria nehmen: Ist es nicht an der Zeit, dass das friedliche Miteinander der Religionen Solidarität der unterschiedlichen Religionsgemeinschaften erfordert und dass da mal ein Zeichen gesetzt wird? Also werden Sie mit der Deutschen Bischofskonferenz reden, werden Sie mit der Evangelischen Kirche in Deutschland reden, um hier gemeinsam ein Zeichen für Religionsfreiheit zu setzen?

    Kizilkaya: In der Tat, das sollte man tun. Und das sollte man aber nicht nur für Christen, sondern für alle verfolgten Menschen tun, und egal aus welchen Gründen, ob aus ethnischen Gründen oder ob aus religiösen Gründen. Denn auch Muslime werden weltweit verfolgt und leider auch in sogenannten islamischen Ländern. Und da sollten wir Religionsgemeinschaften solidarisch sein und weltweit für Menschenrechte eintreten.

    Breker: Nun haben wir heute leider hören müssen, dass der koptische Bischof in Deutschland auch Anschläge auf Kopten in Deutschland befürchtet. Das Bundeskriminalamt habe ihn gewarnt. Ist es da nicht erst recht nötig, die Öffentlichkeit zu suchen und für Toleranz zu werben?

    Kizilkaya: Natürlich, das sollte jeder seinen Beitrag leisten, wie gesagt, für Religionsfreiheit, für Menschenrechte. Vor einigen Monaten wurden auch Moscheen sogar in Berlin Ziel von Anschlägen, innerhalb kürzester Zeit drei, vier Mal. Und da gilt es natürlich, für alle gesellschaftlichen Gruppen, für Freiheiten der Religionsgemeinschaften, aber auch der Gesellschaft gemeinsam einzutreten, dass man der Intoleranz keine Möglichkeiten gibt, unser gedeihliches und friedliches Zusammenleben zu stören.

    Breker: Im Deutschlandfunk war das die Position von Ali Kizilkaya, er ist der Vorsitzende des Islamrates für die Bundesrepublik Deutschland. Herr Kizilkaya, danke Ihnen für dieses Gespräch!

    Kizilkaya: Bitte schön!