Donnerstag, 18. April 2024

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Terrorgefahr im Osten Afrikas

Hans-Joachim Wiese: Am Telefon begrüße ich jetzt den Terrorismusexperten Erich Schmidt-Eenboom, guten Tag.

24.03.2004
    Erich Schmidt-Eenboom: Ich grüße Sie.

    Wiese: Wie ernst nehmen Sie diese Terrordrohung gegen Rau, ist der Abbruch seiner Reise aus Ihrer Sicht gerechtfertigt gewesen?

    Schmidt-Eenboom: Ich denke, er war gerechtfertigt und vernünftig, denn offenbar hatten die Sicherheitsbehörden, vorrangig der Bundesnachrichtendienst, sehr konkrete Hinweise, zunächst einmal vage vor wenigen Tagen und die haben sich dann offensichtlich bei der nachrichtendienstlichen Spurensuche so verdichtet, dass man ein größeres Risiko nicht ausschließen konnte.

    Wiese: Bundesinnenminister Schily sieht eher einen regionalen Hintergrund der Drohung gegen Rau als einen, der auf internationalen Terrorismus weist. Stimmen Sie dem zu?

    Schmidt-Eenboom: Doch, man muss ins Auge nehmen, dass die gesamte Ostküste Afrikas von Somalia über Dschibuti bis runter nach Kenia und Tansania seit Jahren von den Saudis vorbereitet wird als Nährboden für Terrorismus. Die versuchen, ihre besonders aggressive Auslegung des Islam, den Wahabismus, durch Wohlfahrt und Missionierung durchzusetzen und damit ist natürlich ein antiwestliches Umfeld entstanden und vor dem Hintergrund so aktueller Krisen wie Palästina und dem Irak mündet das in einzelne Terrorakte. Ich gehe nicht davon aus, dass es aus dem Herzen, dem Kernbestand von El Kaida kommt, aber dass es durchaus lokale Netzwerke gibt, die in Kooperation mit diesem Terror stehen.

    Wiese: Aber es geht schon um den islamistischen Terror?

    Schmidt-Eenboom: Ja, den islamisch inspirierten, der sich gerade in dieser Region klassischerweise gegen die alten Kolonialherren, die Franzosen, gerichtet hat und der natürlich nun, da die Bundeswehr mit einer Fregatte im Rahmen der Anti-Terror-Operation vertraten ist, auch eine gewisse Sogwirkung auf die Bundeswehr im Ausland hat. Aber ich teile die Einschätzung des Bundesinnenministers, dass die innere Sicherheitslage Deutschlands davon unberührt ist.

    Wiese: Glauben Sie, dass der heutige Tag bewusst ausgewählt wurde, wo ja heute in Madrid die Trauerfeiern für die Anschlagsopfer von Madrid beginnen?

    Schmidt-Eenboom: Da würde ich keinen zeitlichen Zusammenhang sehen sondern man hat gezielt den Bundespräsidenten an diesem Ort ausgewählt, weil das ein erklärter Stützpunkt zur Bekämpfung des Terrorismus in der Region ist und da muss man natürlich auch ins Auge fassen, dass an einem solchen Stützpunkt die deutschen und die französischen Nachrichtendienste stark waren und hier offensichtlich auch im Vorfeld des Terrors ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt haben.

    Wiese: Es ist im Zusammenhang mit den Drohungen immer sehr vage von Erkenntnissen dieser Dienste die Rede. Wie entstehen denn solche Warnungen eigentlich, auf welchen Informationen fußen sie?

    Schmidt-Eenboom: Insbesondere für die französischen Dienste gilt, dass sie ihren mulikulturellen Vorteil, nämlich sehr viele Bürger aus arabischen Staaten im eigenen Lande zu haben, ummünzen in Agentenrekrutierung. Dass es ihnen im Gegensatz zu den Amerikanern immer gelungen ist, in terroristischen Umfeldern mindestens Quellen zu haben und über diese kommen dann natürlich Informationen zustande und die Sicherheitsbehörden verraten natürlich überhaupt nichts über diese Quellen, um sie nicht für zukünftige Terrorwarnungen zu gefährden.

    Wiese: Aber Sie halten die Arbeit, die die Dienste in diesem Falle geleistet haben, der BND hat ja nicht unbedingt den allerbesten Ruf, in diesem Falle doch schon für sehr professionell?

    Schmidt-Eenboom: Ja. Es wird noch zu klären sein, ob es eine alleinige Leistung des BND ist oder ob verbündete Partnerdienste im arabischen Raum oder gerade die Franzosen wesentlich dazu beigetragen haben, aber das wäre ja nach dem Scheitern der Verhandlungen über eine gemeinsame europäische Geheimdienstarbeit ein Lichtblick, dass es auf der Schiene Paris-Berlin funktioniert.

    Wiese: Die Berliner Politiker scheinen ein wenig zu versuchen, die Bevölkerung zu beruhigen und darauf zu verweisen, dass die Sicherheitslage in Deutschland selbst sich nicht verändert habe. Ist es nicht aber doch so, dass der Terror auch aufgrund dieses Ereignisses in Afrika immer näher an Europa, auch an Deutschland heranrückt?

    Schmidt-Eenboom: Er rückt mit Sicherheit näher an Europa heran und die Bundesrepublik ist auch nicht ganz frei von Risiken. Wenn es hier Zielobjekte für El Kaida gibt, dann insbesondere Einrichtungen von Israelis, Amerikanern, Spaniern, Polen und dergleichen. Die Bundesrepublik ist kein risikofreier Raum, nur dass ein Attentat, ein größeres, gezielt auf Deutschland zugeschnitten wird, halte ich für keine prioritäre Zielsetzung von El Kaida. Nicht nur, weil sie sich im Irak nicht am Krieg beteiligt hat sondern vor allem weil der Ruf Deutschlands im arabischen Raum als einer nicht klassischen kolonialen Macht und als einem Wegbegleiter bei der Entkolonialisierung sehr gut ist.

    Wiese: Das war der Terrorismusexperten Erich Schmidt-Eenboom. Vielen Dank, auf Wiederhören.

    Schmidt-Eenboom: Bitteschön, Wiederhören.