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Terrorgefahr
IS-Rückkehrer stellen Heimatländer vor Probleme

Angesichts des Niedergangs der Terrormiliz Islamischer Staat im Irak und in Syrien sind nach UN-Angaben Hunderte ausländische Kämpfer wieder auf dem Weg nach Hause. Die Heimatländer müssen darauf reagieren. Doch von welchen Rückkehrern eine Gefahr ausgeht, lässt sich schwer einschätzen.

Von Kai Clement | 14.04.2018
    Ein kurdischer Kämpfer nähert sich einem Tor in der Nähe des Tischrin-Dammes in der syrischen Provinz Aleppo, auf dem das Logo des IS prangt, der von dort vertrieben wurde
    Die Terrormiliz Islamischer Staat wurde im Irak und Syrien aus vielen Gebieten wieder vertrieben - nun kehren Hunderte ausländische Kämpfer in ihre Heimatländer zurück, heißt es in einer UN-Studie (Imago)
    Es war noch Barack Obama, der da im September 2014 den UN-Sicherheitsrat leitete: Die Welt müsse zusammenstehen im Kampf gegen ausländische Kämpfer. Da hatte die Terrormiliz Islamischer Staat bereits Fotos und Videos von Enthauptungen ihrer Opfer um die Welt geschickt. Grauen als Propaganda. Ein Grauen, an dem auch Menschen mitwirken, die ihre Heimat verlassen, um sich Al Kaida anzuschließen oder dem Islamischen Staat. Der sogenannte Dschihadi John aus Großbritannien ist ein bekanntes Beispiel. Obama:
    "Was neu ist, ist der beispiellose Strom von Kämpfern in den vergangenen Jahren aus und in die Konfliktgebiete. Afghanistan, das Horn von Afrika, Jemen, Libyen und zuletzt Syrien und Irak."
    Der als "Dschihadi John" bekannt gewordene Kämpfer des IS in einem Propagandavideo der Terrorgruppe.
    Der als "Dschihadi John" bekannt gewordene Kämpfer des IS in einem Propagandavideo der Terrorgruppe (picture alliance / dpa)
    UN legt Studie über Rückkehrer vor
    Jetzt hat das Anti-Terror-Komitee der Vereinten Nationen in New York eine aktuelle Studie dazu vorgelegt. Angesichts des allmählichen Niedergangs etwa der Terrormiliz Islamischer Staat seien aus dem Irak und Syrien Hunderte der Terroristen sozusagen auf "Heimreise", heißt es in dem 22-seitigen Bericht. Die Heimatländer stünden vor einem Dilemma, sagt die belgische Juristin Michèle Coninsx, die das Komitee leitet:
    "Untersuchungen zeigen, dass historisch gesehen nur recht wenige der zurückkehrenden ausländischen Terror-Kämpfer eine ernsthafte, direkte Bedrohung darstellten. Die wenigen aber, die eine Bedrohung waren, sind verantwortlich für einige der grausamsten und tödlichsten Terroraktionen."
    30.000 sind dem Lockruf des Terrors seit den 80ern gefolgt
    Die erste Welle solcher Kämpfer sei bereits in den 80erJahren aus dem Afghanistan-Krieg zurückgekehrt. Die jetzige aber sei größer, vielschichtiger und vielfältiger als die vorangegangenen.
    Insgesamt bis zu 30.000 ausländische Kämpfer aus über 100 Staaten seien dem Lockruf des Terrors gefolgt, so schätzten die UN vergangenes Jahr. Die aktuelle Gruppe sei eher jung und habe auch Kinder, die teils in den Kampfgebieten geboren seien - ausgebildet und gedrillt von den Terroristen.
    Zuallererst müsse man Aufenthaltsorte ermitteln. Biometrische Ausweise oder der Austausch von Fluggastdaten seien unverzichtbar, fordert Coninsx zusammen mit ihrem Kollegen David Scharia angesichts der Heimkehrer:
    "Identifizierung der Person am Flughafen bis zur strafrechtlichen Verfolgung. Gefängnis dann, wenn nötig. Dabei auch Rehabilitation und Wiedereingliederung."
    Selbst Haftstrafe kann Gefahr nicht immer stoppen
    Dafür aber brauche es einen langen Atem und eine gute Balance zwischen "repressiven" und "weichen" Maßnahmen, wie es in dem Bericht heißt. Studien zeigten, dass eine Haftstrafe die Gefahr durch die Rückkehrer vielleicht verzögern, aber nicht immer stoppen könne, sagt Coninsx.
    Dabei sei oft schon eine Verurteilung selbst schwierig: Denn die Taten hätten sich schließlich in schwer zugänglichen Kriegsgebieten ereignet. Und dann gebe es noch "Schläfer". Welche Rückkehr besonders gefährlich sind - das ist eine der Fragen, die am Ende trotz all der Studien unbeantwortet bleibt:
    "Schwierige Frage. Das sind alles direkte, klare Fragen, und wir geben so komplexe Antworten. Das tut mir leid. Aber die Wirklichkeit ist so komplex."