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Terrormiliz IS
Palästinenser leiden im Flüchlingslager Jarmuk

Syrien bereitet sich offenbar auf einen Militäreinsatz in Jarmuk vor. Laut einem Regierungsmitglied will man die "Terroristen vertreiben". Die IS-Miliz greift das Flüchtlingslager seit vergangener Woche an. Die meisten der fast ausschließlich palästinensischen Bewohner sind längst geflohen.

Von Sebastian Engelbrecht | 09.04.2015
    Eine Palästinenserin verlässt mit ihren beiden Kindern das Flüchtlingslager Yarmouk bei Damaskus.
    Eine Palästinenserin verlässt mit ihren beiden Kindern das Flüchtlingslager Jarmuk bei Damaskus. (dpa / Dmitriy Vinogradov)
    Nach Augenzeugenberichten ist das Leben im Flüchtlingslager Jarmuk bei Damaskus für die Menschen dort zur Hölle geworden. An vielen Ecken lauern Scharfschützen, Granaten werden abgefeuert. Der Kampf zwischen Islamischem Staat und der Armee des syrischen Präsidenten Bashar al Assad geht auf Kosten der Palästinenser, die in Jarmuk leben. Sie sind nach dem Unabhängigkeitskrieg Israels gegen die Palästinenser 1948 nach Syrien geflohen. Das Lager von Jarmuk wurde über die Jahrzehnte zu einer Kleinstadt bei Damaskus. Die Fahrt von Jarmuk in die syrische Hauptstadt dauert mit dem Auto nur zehn Minuten.
    Mahmud Abbas, Palästinenserpräsident und Chef der Palästinensischen Befreiungsorganisation, PLO, berichtete in Ramallah, palästinensische Kämpfer versuchten, das Lager gegen die Truppen des "Islamischen Staates" zu verteidigen.
    "Mitglieder der Palästinensischen Befreiungsorganisation, PLO, die in Damaskus leben, versuchen, diese Tragödie mit dem geringstmöglichen Schaden zu lösen."
    Ein Foto der staatlichen syrischen Nachrichtenagentur SANA zeigt Bewohner des palästinensischen Flüchtlingslagers Yarmouk in Damaskus.
    Vor dem Krieg in Syrien lebten rund 150.000 palästinensische Flüchtlinge in Yarmouk. (picture alliance / dpa / Sana Handout)
    Viele sind aus Jarmuk geflüchtet
    Palästinensischen Quellen zufolge kontrolliert der Islamische Staat gegenwärtig 60 Prozent der Fläche des Flüchtlingslagers und 95 Prozent der Bevölkerung. In Friedenszeiten lebten 150.000 Palästinenser in Jarmuk, heute sind es noch 18.000.Sie benötigen dringend Lebensmittel und medizinische Hilfe.
    "Das Flüchtlingslager Jarmuk, dieses bedeutende Lager im Süden von Damaskus, hat in früheren Tagen gelitten und leidet heute unter Krieg und Angriffen. Es leidet unter Angriffen all der Kämpfer offizieller und inoffizieller Organisationen. Und wir zahlen den Preis."
    PLO-Chef Abbas will dem Leiden seiner Landsleute in Jarmuk nicht tatenlos zusehen.Er schickte eine Delegation aus Ramallah unter Leitung von Ahmad Majdalani nach Damaskus. Dieser traf dort nach Informationen des palästinensischen Rundfunks mit dem stellvertretenden syrischen Außenminister Faisal Mekdad zusammen.
    In Jarmuk verteidigen sich Palästinenser verschiedener Fraktionen gegen das eindringende IS-Militär. Die syrische Regierung ist nach Informationen der PLO-Delegation bereit, die Palästinenser militärisch zu unterstützen. Zudem wollen sich PLO und Damaskus bemühen, humanitäre Güter nach Jarmuk zu bringen.
    PLO-Chef Abbas bittet Assad um Hilfe
    Nach palästinensischen Medienberichten haben IS-Terroristen in Jarmuk bereits 26 Palästinenser getötet und mindestens 75 entführt. Ein Kämpfer der islamistischen Hamas soll enthauptet worden sein. Eran Singer, Korrespondent des israelischen Rundfunks für die arabischen Nachbarländer, sieht vor allem die palästinensische Hamas in Syrien in einer schwierigen Situation.
    "Die Hamas befindet sich in einer sehr problematischen Lage. Denn die Hamas kann sich nicht an das Regime in Damaskus wenden und um Hilfe bitten. Warum? Die Hamas-Leute waren die ersten, die Assad zu Beginn des Krieges verrieten und ihm den Rücken kehrten. Und jetzt bitten sie Assad um Gnade, dass er ihren Brüdern im Flüchtlingslager Jarmuk zu Hilfe kommt."
    PLO-Chef Abbas konnte angesichts der fast aussichtslosen Lage in Jarmuk immerhin noch beim syrischen Präsidenten Assad Gehör finden und um Hilfe für die Palästinenser in Not bitten. Den Islamisten der Hamas steht dieser Weg heute nicht mehr offen.