Freitag, 19. April 2024

Archiv

TesseracT-Sänger Daniel Tompkins
Auf Größe reduziert

Meist singt Daniel Tompkins in bombastischen Progressive Rock- oder Metal-Bands. In seinem elektronisch untermalten, reduzierten Soloalbum "Castles" wirkt die charismatische Stimme des Briten: größer, introvertierter und balladesk.

Von Thomas Elbern | 02.06.2019
    Ein grün geschminkter Mann blickt in die Kamera
    Sänger Daniel Tompkins wirkt wie einer Fantasywelt entsprungen. (Steve Brown)
    Daniel Tompkins, den man eher in der Progressive Metal Ecke zu Hause wähnte, präsentiert sich auf seinem Soloalbum von einer anderen Seite: Elektronischer, introvertierter und balladesk. Für den reinen Fan der Gruppe Tesseract vielleicht eine Überraschung, doch irgendwie auch ein logischer Schritt.
    Musikalische Vorlieben
    Doch Tompkins zeigt auf seinem Solodebüt "Castles" hier seine anderen Seiten. Kein Wunder, denn seine musikalische Prägung begann sehr früh.
    Daniel Tompkins: "Meine Mutter hat gerne Bob Marley gehört, mein Vater AC/DC und die Sex Pistols. Meine musikalischen Einflüsse sind sehr vielseitig. Ich wuchs mit Michael Jackson auf, aber auch beispielsweise mit der elektronischen Weltmusik von Enigma. Als ich dann älter wurde, entdeckte ich Künstler wie Massive Attack, Nine Inch Nails oder Björk, also alle diese seltsamen und spannenden neuen Künstler aus der Leftfield Electronica Ecke der 90er-Jahre. Später kam dann Trip Hop und Dubstep dazu. All diese Einflüsse kann man auf meinem Album hören und es ist meine Art diese etwas abwegigen musikalischen Territorien zu betreten."
    Pulsierende Synthesizer Sounds, wuchtige elektronische Rhythmen, darüber thront die Stimme von Daniel Tompkins. Nein, in so einem musikalischen Zusammenhang hat man die Stimme der Band Tesseract noch nicht gehört. Trotzdem wirkt "Castles" organisch und Tompkins zeigt hier seine andere Seite: Auf "Castles" dominieren oft zarte, gehauchte Gesangspassagen.
    Eingespielter Arbeitsprozess
    Da Tompkins während der Produktion entweder weltweit mit Tesseract auf Tour war oder zu Hause in England seinen vielen Projekten nachging, war eine Zusammenarbeit ohne das Internet nicht möglich.
    "Der Arbeitsprozess ist schon seit vielen Jahren etabliert. Filesharing über das Internet, Ideen über Skype und verschiedene Messenger Apps austauschen, mit Kreativ Partnern in unterschiedlichen Teilen der Welt mit verschiedenen Zeitzonen zu kommunizieren und so ein Projekt voranzubringen: So hab ich das bei diesem Album auch mit Eddie gemacht. Das war nicht besonders schnell und auch nicht unbedingt bequem. Da wir beide sehr beschäftigte Menschen sind, konnten wir nur daran arbeiten, wenn uns genügend freie Zeit zur Verfügung stand. Aber es hat dieses Mal auch wieder funktioniert und darauf kommt es an."
    Ein anderes Image
    Wer Tompkins als den harten Kerl in Erinnerung hat, der als Frontmann einer Progressive-Metal Band auch die Headbanger überzeugt, erlebt hier einen völlig anderen Typen. Feminin und wie aus einer Fantasywelt entsprungen: geschwärzte Augenpartie, bizarrer Halsschmuck.
    "Die Leute, die mich kennen und meine Karriere über Jahre verfolgen mögen sich gewundert haben, das ich auf einmal mit seltsamem Make-up, Halskette und seltsamen Kettenschmuck posiere. Ich seh das als Möglichkeit, den Daniel Tompkins auf dem Album zu repräsentieren und mich meinen Hörern auch mal von meiner verletzlichen Seite zu zeigen. Die Arbeit an dem Album war sehr spannend, das waren die Alben mit Tesseract auch, aber irgendwie kam hier auch so etwas wie Routine auf. Da ich als kreativer Künstler ständig arbeite, liebe ich es, auch mal Neuland zu betreten und zu schauen, wohin mich das führt. Wenn ich keine Spannung spüre, bin ich auch nicht motiviert und wenn mich meine eigene Musik nicht ausfüllt, dann würde ich sie nicht herausbringen."
    Abgründige Beziehungen als Inspiration
    Keyboard Flächen, mehrstimmige Chöre, ein melancholischer Unterton zieht sich wie ein roter Faden durch "Castles". Polternde Dubsteprhytmen, langsame elektronische Beats und bedrohliche Synthiebasstöne sorgen für das Grundgerüst unter Tompkins Stimme. Mit dem monumentalen Rocksound, den Tesseract spielen, hat das wenig zu tun.
    "Auf diesem Album geht es um verschiedene Perspektiven, die alle mit Beziehungen zu tun haben. Eine davon ist meine Vergangenheit als Polizeibeamter, wo ich in dem Schwerpunkt Gewaltprävention gearbeitet habe. Ich habe einige sehr schwierige und lebensbedrohliche Situationen in diesem Job erlebt. Ich habe aus nächster Nähe erlebt, was passiert, wenn Beziehungen außer Kontrolle geraten.
    Auf der anderen Seite hatte mein Produzent und Songwritingpartner Eddie gerade eine sehr turbulente Zeit in seiner Partnerschaft, als dieses Album entstand. Es geht also um unterschiedlichste Perspektiven zu diesem Thema. Um eine andere Herangehensweise an meine Texte zu schaffen, habe ich das Leid durch die Augen anderer gesehen."
    "Castles" ist anders als alles, was Tompkins bisher herausgebracht hat. In der auf Elektronik reduzierten musikalischen Grundierung wirkt seine charismatische Stimme umso größer.
    "Ich war kreativ gesehen an einem Punkt, an dem ich mich sehr ausgelaugt gefühlt habe. Als ich mit diesem Album anfing, hatte ich 12 Alben in 7 Jahren fertiggestellt. Ich hatte eigentlich nur gearbeitet und das Gefühl alles geschrieben und gesungen zu haben. Ich habe also nach einer neuen Art zu arbeiten gesucht. Wenn du kreativ fit bleiben willst, dann musst du den Prozess verändern, damit das Resultat ein anderes wird."