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Testgelände für neue Technologien
Innovationen für die Straße der Zukunft

Selbstheilender Asphalt, intelligente Brücken und Straßen, die Strom erzeugen. Klingt nach Science Fiction, ist aber bereits Realität − zumindest auf dem duraBASt-Testgelände, das die Bundesanstalt für Straßenwesen am Autobahnkreuz Köln-Ost betreibt.

Von Nina Rink | 01.12.2017
    Ein Mobile Load Simulator fährt auf dem Demonstrations-, Untersuchungs- und Referenzareal der Bundesanstalt für Straßenwesen in Köln auf einer Probebahn mit Asphalt.
    Ein Mobile Load Simulator fährt auf dem Demonstrations-, Untersuchungs- und Referenzareal der Bundesanstalt für Straßenwesen in Köln auf einer Probebahn mit Asphalt. (dpa / Oliver Berg)
    Zehn Uhr morgens, der Verkehr stockt an einer Baustelle. Das Autobahnkreuz Köln-Ost ist in Sicht- und Hörweite:
    "Wir sind auf dem duraBASt-Gelände, das ist also das Demonstrations-, Untersuchungs- und Referenzareal der BASt, und BASt steht wiederum für die Bundesanstalt für Straßenwesen."
    Uli Zander leitet die Abteilung Straßenbautechnik. Das duraBASt-Gelände, das hier gerade entsteht, ist eine Art Miniaturausgabe der Straßenverkehrsinfrastruktur Deutschlands: Es gibt eine Brücke, einen kleinen Tunnel und verschiedene Straßenabschnitte mit unterschiedlichem Belag. Es riecht nach frischem Teer, an einer Stelle werden Betonfertigteile eingebaut, an einer anderen fährt ein Messfahrzeug eine Teststrecke ab. Acht Forschungsprojekte laufen derzeit, um Innovationen für die "Straße der Zukunft" zu testen:
    "Wir untersuchen neue Baustoffe, neue Ideen wollen wir in die Praxis überführen und haben mit diesem sehr schönen Gelände − 25.000 Quadratmeter, ein Kilometer lang etwa, 13 Millionen Euro durften wir hier verbauen − die Möglichkeit, diese neuen Ideen in eine erste Praxis zu überführen."
    Reales Wetter und wirkliche Reifen
    Die Projekte sind teils durch eigene Forschung der BASt, teils auf Anregung der Industrie entstanden. Die Ideen klingen futuristisch. Eine intelligente Brücke mit Sensoren, die ihren Zustand selbst überprüft und so teure Schäden verhindern soll. Die temperierte Straße, die mit Hilfe von Geothermie erwärmt oder abgekühlt werden kann. Oder der Asphalt, der sich selbst repariert. Was sich im Labor zunächst im Kleinen bewährt hat, landet hier und wird unter realen Bedingungen im Originalmaßstab verbaut und getestet:
    "Zusätzlich haben wir es aber dann jetzt natürlich hier draußen mit realem Wetter zu tun, einmal. Das haben wir im Labor natürlich auch nicht – und wir haben wirkliche Reifen, die drüberfahren, mit zehn Tonnen. Zehn Tonnen Last im Labor aufzubringen, mit einem Reifen, ist praktisch unmöglich. Hier können wir das zeitraffend machen, und mit wirklich vollem Gewicht, voller Größe."
    Umfangreiche Belastungstests
    Um neue Baustoffe oder Bauverfahren zu erproben, muss der laufende Verkehr auf Bundesstraßen und Autobahnen nicht gestört werden. Und nicht mehr aufwändig zurückgebaut werden, sollten sie sich nicht bewähren. Dafür werden auf dem Gelände umfangreiche Belastungstests durchgeführt. Mit dem sogenannten "Mobile Load Simulator", kurz MLS30, der aussieht wie ein orangefarbener Schiffscontainer mit riesigen Rädern.
    Stefan Höller, der Projektleiter des duraBASt, erklärt das Prinzip:
    "Sehen Sie den Reifen? Das ist ein Belastungsreifen, davon gibt’s vier Stück, das Ganze ist 'ne riesige Kette, und die läuft rund. Und das belastet, beschleunigt auf einer Länge von 3,60 Meter die Straße, da hat man nach wenigen Monaten das, was auf einer Landstraße in 30 Jahren passiert. Und damit hat man natürlich schneller die Ergebnisse der Belastungen, der Schädigungspotenziale."
    Wenn die Straße Strom liefert
    Durch den Test im Zeitraffer wissen die Forscher schneller, ob ihre Ideen funktionieren und dem hohen Verkehrsaufkommen standhalten. Zum Beispiel die Idee der stromerzeugenden Straße. Mitentwickelt wurde sie von der TU Dresden. Unter der Asphaltdecke sind Rohre verlegt, die mit Flüssigkeit gefüllt werden. Bei Sonneneinstrahlung erwärmt sich die Straße und liefert Strom. Oder das System wird zur Temperierung der Straße genutzt, überlegt Stefan Höller:
    "Das ist zunächst nur zur Stromerzeugung. Es könnte aber auch dazu eingesetzt werden, eine Straße zu temperieren. Da nimmt man also aus der Geothermie Wasser, aus tieferen Schichten, das hat immer 10 Grad Plus. Das könnte man im Winter bei Frost durch diese Rohrregister schicken und damit die Straße aufwärmen und würde damit deutlich beim Winterdienst sparen."
    Da das Streusalz die Oberfläche schädigt, würde die Straße auch länger halten.
    Der Ingenieur Bastian Wacker kniet auf dem Demonstrations-, Untersuchungs- und Referenzareal der Bundesanstalt für Straßenwesen in Köln auf einer Probebahn mit Asphalt.
    Der Ingenieur Bastian Wacker kniet auf dem Demonstrations-, Untersuchungs- und Referenzareal der Bundesanstalt für Straßenwesen in Köln auf einer Probebahn mit Asphalt. (dpa / Oliver Berg)
    Straßen langlebiger zu bauen ist auch das Anliegen von Höllers Kollege Bastian Wacker. Er betreut ein paar Meter entfernt das Projekt "Healroad", die selbstheilende Straße. Der Ingenieur bereitet gerade zusammen mit den niederländischen Kolleginnen und Kollegen den nächsten Versuch vor:
    "Wir sehen jetzt gerade, dass der Projektpartner in dem Projekt Healroad das Induktionsgerät aufgebaut hat. Dieses Induktionsgerät besteht im Moment aus zwei Spulen, die hintereinander angeordnet sind, und diese Spulen sind in einem gewissen kleinen Wagen befestigt. Dieser Wagen kann jetzt über die Oberfläche gezogen werden, die – in Anführungsstrichen – Herdplatte, das Induktionskochfeld, über die Straße bewegt, um dann wirklich das Bitumen anzuregen, weicher zu werden, und halt sich zu verdrücken."
    Das Testgelände hält 30 Jahre
    Das spezielle Bitumen enthält winzige Metallpartikel. Durch die Induktionsenergie werden sie schlagartig erwärmt. Die Oberfläche kann dann bis zu 90 Grad heiß werden, hat Wacker gemessen. Bei diesen Temperaturen wird das Bitumen weich und verschließt kleinste Risse, bevor die kleinen Risse zu großen Schlaglöchern werden:
    "Dieser selbstheilende Asphalt soll es ermöglichen, das größere Schäden im Bestandsnetz, also wenn das Healroad-Material mal aufgebracht wird, verzögert wird, dass es halt nicht so schnell aufkommt, dass sich Risse zu großen Schadstellen entwickeln und dann eine aufwändige Sanierung notwendig wird."
    Das Prinzip funktioniert, haben die Forscher festgestellt. Die weiteren Versuche sollen zeigen, wann der richtige Zeitpunkt für die Selbstheilung ist. Auf dem Gelände können noch in den nächsten 30 Jahren Projekte wie diese realisiert werden.