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Teure Krankheiten kostengünstig behandeln

Die Menschen werden älter und kränker, die Behandlungen - insbesondere gegen Krebs - werden immer teurer. Wer wird wann und wie aufwendig behandelt? Die Lösung soll in der "Priorisierung" der Patienten liegen - eines der Kernthemen des Deutschen Krebskongresses, der am Wochenende zuende ging.

Von Marieke Degen | 28.02.2012
    Nexavar ist ein relativ neues Medikament gegen Leberkrebs. Es kann den Krebs nicht wegzaubern, aber es kann das Leben der Patienten verlängern: um durchschnittlich drei Monate, was aber nicht automatisch heißt, dass auch die Lebensqualität verbessert wird. In Großbritannien dürfen Ärzte das Medikament nicht mehr einsetzen. Die zusätzlichen drei Monate Lebenszeit kosten umgerechnet nämlich 32.000 Euro, und das ist zu teuer. In Großbritannien werden Gesundheitsleistungen priorisiert. Das heißt: Nicht jeder bekommt das an Behandlung, was er theoretisch bekommen könnte, aus Kostengründen.
    Eine Maßnahme, über die auch in Deutschland diskutiert wird.

    "Priorisierung heißt, dass man letztendlich in der Mittelzuweisung Prioritäten setzt, und manche Dinge vorenthält, die er gerne hätte. Als Zwangsfolge daraus. Das ist dann aber Rationierung. Und das ist, denke ich, die Angst der Menschen im Lande, dass ihnen Hilfe und Behandlung vorenthalten wird, weil dazu das Geld nicht mehr reicht."

    Professor Werner Hohenberger leitet die chirurgische Universitätsklinik in Erlangen und ist Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft.

    "Und an diesem Punkt sind wir eben noch nicht. Sondern es bekommt mit wenigen Ausnahmen jeder das, was er aufgrund des aktuellen Wissens an Diagnostik und Behandlung braucht."

    Die Frage sei doch, wie man Geld sparen könne, sagt Werner Hohenberger. Und da gebe es im Moment noch viele Möglichkeiten – auch ohne Priorisierung.

    "Wir haben noch erhebliche Einsparungspotenziale, und das geht in Milliardenbeträge."

    Geld sparen, das heißt für Werner Hohenberger nicht, dass man die Patienten weniger behandelt, sondern besser. Chirurgen müssten bessere Ergebnisse erzielen und Chemotherapien sinnvoller eingesetzt werden.

    "Dafür will ich ihnen einfach die Tatsache nennen, dass Patienten mit Dickdarmkrebs und Lymphknotenabsiedlungen eine unterschiedliche Prognose haben, und zwar ganz erheblich in unserem Lande. Das misst man an den Fünfjahres-Überlebensraten, und die schwanken zwischen 40 Prozent und 99 Prozent bei den Besten."

    Das bedeutet: Mancherorts werden die Patienten so gut versorgt, dass fünf Jahre später noch alle leben. Es gibt eben auch Landstriche, wo jeder zweite Patient stirbt, vielleicht schon nach ein oder zwei Jahren. Für diese Zeit brauchen die Patienten starke Medikamente, die pro Patient und pro Jahr etwa 100.000 Euro kosten. Wenn insgesamt mehr Patienten überleben würden, weil sie besser behandelt werden, dann könnte man hier schon Milliarden einsparen, sagt Werner Hohenberger.

    "Man muss die chirurgische Therapie optimieren, dazu muss man den Chirurgen, die noch nicht in der Lage sind, helfen, und wenn man dann insgesamt die Prognosen anhebt, dann schauen die Kosten auch wieder anders aus. Und zwar besser."

    Außerdem müsste die Diagnostik insgesamt besser werden, um die Patienten zielgerichteter behandeln zu können. Ein weiterer Sparansatz: die Medikamente.

    "Es ist das AMNOG geschaffen worden, das Arzneimittelneuordnungsgesetz, das besagt eben, dass innerhalb von drei Monaten bei einem neuen Medikament der Nutzen belegt werden muss. Das heißt, ob es tatsächlich besser ist als ältere und in der Regel auch billigere Medikamente."

    Trotzdem kann es passieren, dass hierzulande auch irgendwann priorisiert werden muss. Noch weiß keiner, wie eine Priorisierung in Deutschland aussehen soll und nach welchen Kriterien sie ablaufen könnte. Nur eines ist klar: Die Kosteneffizienz allein darf nicht ausschlaggebend sein, sagt Werner Hohenberger. Stattdessen müsse man genau untersuchen, welche Krebsbehandlungen dem Patienten wirklich etwas bringen. Und welche nutzlos sind und getrost wegfallen können, um Kosten zu senken.

    "Ich denke hier sollte man die Patienten als Erstes befragen. Und manchmal hilft man einem Patienten besser oder mehr, wenn man ihn zum Beispiel nicht mehr operiert. Wenn er von der Operation nicht mehr profitiert. Das wird gelegentlich auch schon mal gemacht."