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Teure Reinigung
Feuchttücher verstopfen die Kanalisation

Fürs Baby, das Gesicht oder für die Badreinigung: Feucht- und Reinigungstücher verdrängen immer mehr den Waschlappen und das Putztuch. Problematisch dabei: Viele werfen die benutzten Tücher in die Toilette, wo sie dann die Kanalisation verstopfen. Feuchttücher lösen sich nicht wie Toilettenpapier auf. Entstörungsteams der örtlichen Wasserbetriebe rücken mittlerweile mehrmals täglich aus, um Abwasserpumpen von Verstopfungen zu befreien.

Von Katja Hanke | 16.10.2015
    "Und hier ist meistens die Verstopfung, vor dem Laufrad."
    Der Entstörungsdienst der Berliner Wasserbetriebe im Einsatz: Norman Forin und sein Kollege müssen eine verstopfte Abwasserpumpe von Abfall befreien, von Dingen, die in der Toilette landen, obwohl sie dort nicht hingehören: Windeln, Lappen, Kondome und seit einiger Zeit immer mehr Feuchttücher. Diese bereiten Abwasserbetrieben in ganz Deutschland zunehmend Kopfschmerzen. Denn entgegen der gängigen Annahme zersetzen sich die reißfesten Tücher nicht wie Toilettenpapier, sondern lagern sich in der Kanalisation ab oder blockieren auf dem Weg zum Klärwerk Pumpen. Allein deshalb müssen in Berlin die Entstörungsteams der Wasserbetriebe acht Mal täglich ausrücken.
    "Und? Was drin? Ja, ist voll. Aiaiaiai."
    Norman Forin trägt Gummihandschuhe, die bis zu den Oberarmen reichen, greift durch eine Öffnung ins Rohr und zieht ein zwei Meter langes, stinkendes Bündel heraus, zu dem die Feuchttücher sich mit anderem Abfall verdreht und verknotet haben. Dass sie nicht ins WC gehören, wissen viele Menschen nicht. Einige Hersteller behaupten auf ihren Verpackungen sogar, dass eine Entsorgung der Vliestücher über das WC in Ordnung ist. Das findet der Sprecher der Berliner Wasserbetriebe, Stephan Natz, nicht akzeptabel. Deshalb klären die Wasserbetriebe nicht nur ihre Kunden auf, sondern sprechen über den Abwasser-Bundesverband auch mit den Herstellern.
    "Wir reden mit denen darüber, erstens, dass sie ihre Packungen vernünftig beschriften, dass völlig klar ist, dass die Dinger in den Müll gehören und nicht ins Klo. Wir reden aber auch mit denen darüber, dass man die Tücher nach Möglichkeit so wirkt, dass sie sich nach Möglichkeit zersetzen, dass sie kleiner sind oder ähnliches, dass wir da zu vernünftigen Standards kommen."
    Auch für die Verbraucher kann die Reinigung teuer werden
    Er könne sich zum Beispiel ein Piktogramm vorstellen, das klar anzeigt, welches Produkt in den Mülleimer gehört. Außerdem forschen die Berliner Wasserbetriebe mit Wissenschaftlern der Technischen Universität Berlin nach weiteren Lösungen.
    "Wir versuchen in den Pumpwerken durch konstruktive Änderungen im Zulauf auf der einen Seite und an den Pumpen selber, dem Problem technisch zu Leibe zu rücken."
    In einem Modellpumpwerk haben sie die Strömungen so optimiert, dass die Tücher sich erst gar nicht ineinander verdrehen und auch Pumpen entwickelt, die das Verstopfungsmaterial durch Sensoren erkennen und sich automatisch abschalten oder rückwärts drehen. Auch denkbar sind Schneideräder vor den Pumpen, die den Abfall klein häckseln. Bis diese Ansätze aber breitflächig einsetzbar sind, wird es noch dauern. Vorerst kosten die Verstopfungen die Abwasserbetriebe viel Geld. Eine Million Euro sind es allein in Berlin, Tendenz steigend. Aber auch für die Verbraucher kann es teuer sein, Feuchttücher im WC zu entsorgen, meint Phillip Held von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, die auf diesem Gebiet viel Aufklärungsarbeit leistet.
    "Wenn ich jetzt ältere Leitungen im Haus habe, wo die ganzen Abwässer durchgehen, dann hängen sich solche Tücher ganz gern an schon festgebackene Verunreinigungen an. Ja, und wenn ich dann noch aus Unachtsamkeit irgendwie heißes Frittierfett da entsorge, das dann im Rohr runterkühlt und mit so einem Tuch verbappt, dann habe ich da einen prima Pfropfen drin, den ich für viel Geld dann erstmal von einem Rohrreinigungsunternehmen entfernen lassen muss. Im Vergleich zu einem Mülleimer, den ich mir ins Bad stelle und ab und zu entleere, ist das auf jeden Fall die deutlich teurere Variante."