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Teurer Lesestoff

In der freien Marktwirtschaft ist der Kunde König. Und dieser König kostet Deutschlands Apotheker eine Stange Geld. Denn er verlangt zwei Mal im Monat nach einem rezeptfreien und für ihn kostenlosen Produkt. Nach der Apotheken-Umschau.

Von Klaus Deuse | 04.02.2012
    "Der Kunde erwartet, dass wir sie haben. Ich könnte es mir gar nicht leisten, die Apotheken-Umschau nicht zu haben."

    …sagt stellvertretend für die meisten seiner Kollegen in der Republik der Bochumer Apotheker Heiko Meyer. Wer will schon Kunden an einen Mitbewerber verlieren. Das Blatt bereit zu halten, das ist für diesen Berufsstand allerdings ein beträchtlicher Kostenfaktor…..

    "…denn die Zeitung ist ja nicht umsonst für uns, auch wenn das immer so übermittelt wird."

    Schließlich handelt es sich nicht um eine Service-Publikation des Apotheken-Verbandes, sondern erscheint im Verlag Wort&Bild. Vor 66 Jahren kam Verleger Rolf Becker auf die einträgliche Idee, eine Illustrierte für Gesundheitsthemen und mit Werbeanzeigen aus der Gesundheitsbranche an den Mann zu bringen. Und zwar an einem Ort, den Kranke aufsuchen müssen. Damals wie heute: In der Apotheke. Die Zeche bezahlen längst die Apotheker. Rund 50 Cent kostet es sie, das Blatt an Kunden kostenlos abzugeben. In der Nacktausgabe mit den puren Gesundheitsthemen. Die De-Lux-Ausgaben mit zwölfseitigem Rätselteil oder der TV-Progammvorschau kosten sie gut einen Euro. Und gerade danach, so Heiko Meyer, verlangen viele Apotheken-Kunden.

    "Es ist sicherlich ein elementarer Bestandteil des Marketings der Apotheken Umschau. Es wird also direkt gezielt danach gefragt: Ich hätt gern die Fernsehzeitung oder die Rätselzeitung."

    Für "Wort&Bild" ein ordentliches Geschäft, denn sowohl öffentlich-rechtliche wie auch private TV-Sender versorgen Verlage kostenlos mit der Vorschau auf ihre Programme. Zwei Mal im Monat erscheint die Umschau, immer am 1.und am 15. Und viele Patienten, erlebt Heiko Meyer, warten mit der Einlösung ihrer Rezepte bis zu diesen Stichtagen…

    "…und dann auch direkt sagen: naja, es ist ja heute wieder die Umschau gekommen, und ich hab extra gewartet, dass ich dann da meine Zeitung bekomme."

    Eine Zeitung, die nicht nur fundierte Artikel zu Gesundheitsthemen enthält, sondern auch etliche Anzeigen, die als solche zwar gekennzeichnet sind, für die Leser aber aussehen wie Artikel.

    "Aufgemacht wie ein redaktioneller Text. Die Leute glauben, das ist alles so hand- und fußrecherchiert. Und dabei ist es in Wirklichkeit nur Werbung"

    Die Apotheken Umschau spült Millionen in die Kassen. Nicht in die der Apotheken, sondern des Verlages. Mit einer Auflage von jeweils fünf Millionen zwei Mal im Monat erreicht das Blatt nach eigenen Angaben über 21 Millionen Leser. Für Anzeigenkunden heißt das: sie müssen ganz tief in die Tasche greifen. Der Seitenpreis beläuft sich auf satte 63.000 Euro. So summiert sich in der Februar-Ausgabe das Anzeigen-Volumen auf rund zwei Millionen Euro. Zwar findet sich inzwischen auf dem Titel der Hinweis "Bezahlt von Ihrer Apotheke", doch das hält Kunden nicht davon ab, das Blatt zu verlangen, ohne etwas aus dem Apothekensortiment zu kaufen.
    Heiko Meyer kennt eine Reihe von Kollegen, die aus Kostengründen die Umschau entweder nicht mehr beziehen…….

    "Oder ich weiß auch, dass es z.B. so ist, dass viele da ne Schutzgebühr mittlerweile für nehmen."

    Nach einer Studie des Kölner Institutes für Handelsforschung kostet der Bezug der Umschau die Apothekerschaft jährlich rund 100 Millionen Euro. Doch der Platzhirsch auf dem Markt der Gesundheitspostillen stützt sich auf die hohe Akzeptanz der Leserschaft. Und darum führt offenbar für Apotheker kein Weg an diesem für sie teuren Blatt vorbei, wollen sie es sich nicht mit ihrer Klientel verderben.