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Thailändische Fischerei-Wirtschaft
Fragwürdige Arbeitsbedingungen in Shrimps-Fabriken

In thailändischen Fabriken werden Shrimps zur Weiterverarbeitung vorbereitet und geschält. Den kleinen Fabriken wurde Kinderarbeit vorgeworfen, worauf die Regierung schnell und heftig reagierte. Nun werden die Krustentiere in größeren Unternehmen für den Export nach Europa und USA geschält - fraglich, ob sich die Arbeitsbedingungen verbessert haben.

Von Udo Schmidt | 25.02.2016
    Shrimpskörbe, bereitgestellt zum Verkauf
    In Thailand werden Shrimps für den europäischen Markt verarbeitet. (picture alliance / dpa - Jia Ce)
    Die drei Frauen sitzen um einen kleinen Tisch in einem Hinterzimmer des Labor Rights Promotion Networks, einer gewerkschaftsähnlichen Organisation, die sich für die Rechte von Seeleuten vor allem auf Fischerbooten einsetzt. Die Shrimps-Schwestern, wie sie sich selber lachend nennen, sind Besitzerinnen kleiner Shrimps Fabriken - derzeit ist ihnen eigentlich überhaupt nicht zum Lachen zumute. Frau Duang, Frau Guoong und Frau Nang sind erbost.
    In ihren Fabriken, in denen 50 bis 100 Frauen und Männer tiefgefrorene Shrimps für die Weiterverarbeitung vorbereiten, ihnen den Panzer abschälen etwa, in diesen kleinen Fabriken sollen Kinder zur Arbeit gezwungen worden sein, so lautete vor einigen Monaten der Vorwurf. Frau Nang ist wütend:
    "Am 21. Dezember hat uns die Vereinigung der thailändischen Kühlbetriebe mitgeteilt, dass uns die Erlaubnis entzogen wird, Shrimps schälen zu lassen. Das kam ganz plötzlich und ist bereits am 1. Januar in Kraft getreten."
    Frau Duang, Frau Guoong und Frau Nang sind unruhig, sie würden gerne aufspringen, das ist ihnen anzusehen. Kinderarbeit sei ihnen vorgeworfen worden, sagt Frau Nang. Dabei sei doch in ihren Fabriken alles ganz anders gewesen – kinderfreundlich geradezu.
    Ganze Familien hätten auf ihrem Gelände gearbeitet, ergänzt Frau Duang, alle hätten ein eigenes Zimmer an einer Seite des Fabrikgebäudes gehabt. Die Kinder, die es in ihrer Belegschaft gab, habe sie persönlich jeden Morgen zur Schule gefahren:
    "Ich habe sie morgens um 7 Uhr mit meinem Auto zur Schule gebracht, auch zum Sprachunterricht, um drei Uhr am Nachmittag habe ich sie wieder abgeholt, sie waren ein Teil meiner Familie, wir haben lange Zeit zusammengelebt."
    Wanderarbeiter sind weitergezogen
    Ob das stimmt, ist nicht zu überprüfen. Derzeit werden keine Shrimps geschält, weil niemand mehr die kleinen Fabriken beliefert, viele der Wanderarbeiter sind weitergezogen, mit ihnen die Kinder. Deutlich aber ist, dass die Regierung Thailands auf den Vorwurf der Kinderarbeit so schnell und heftig reagierte, weil das finanzielle Vorteile versprach.
    Aus der Verarbeitungskette wurde ein Glied herausgelöst, nun kommen die Krustentiere direkt aus dem Kühlhaus in die großen Fischfabriken von Thai Union etwa, dem drittgrößten Meeresfrüchteexporteur der Welt, einer alles beherrschenden Fischverarbeitungskrake mit 46.000 Mitarbeitern weltweit und einem Umsatz von 2014 umgerechnet drei Milliarden Euro. Thai Union verfügt über engste Kontakte zur Regierung. Sak Sip ist ebenfalls Besitzer einer kleinen Shrimps-Schälfabrik, aber als Mann nicht Teil der Shrimps-Schwestern:
    "Die großen Unternehmen sind die Gewinner, sie haben jetzt einen noch größeren Marktanteil, sie können die Preise noch besser kontrollieren als vorher auch schon."
    Patima arbeitet seit Jahren für das Labor Rights Promotion Network, einer Art Gewerkschaft, die sich um die Belange von Seeleuten kümmert sowie um alle, die mit Meeresprodukten zu tun haben:
    "Bisher konnten die großen Firmen wie Thai Union die Shrimps nicht direkt vom Boot kaufen, nun dürfen sie es. Und das heißt, die großen Firmen können mehr Gewinn machen und bekommen dazu auch noch die ausgebildeten Arbeitskräfte."
    Verarbeitung in größeren Unternehmen
    Denn an den Toren der Thai Union Group bewerben sich die Wanderarbeiter jetzt erneut, zu deutlich schlechteren Konditionen. Das die Arbeitsbedingungen in den Hallen von Thai Union besser sind als in den kleinen Shrimps-Fabriken, dass darf bezweifelt werden. Patima:
    "Für die Arbeiter in den kleinen Fabriken hatte sich die Situation in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. Es gab Wohnungsangebote, manchmal war es wie in einer großen Familie. In großen Unternehmen wird es für die Leute schwerer, sie sind daran nicht gewöhnt. Sie bekommen den Mindestlohn von 300 Bath am Tag, etwa acht Euro, und müssen damit alles bezahlen."
    Der deutsche Verbraucher kann sich nun wohlfühlen, keine von Kinderhänden geschälten Shrimps landen auf dem gepflegten Teller. An den Lebens- und Arbeitsverhältnissen an Thailands Küsten ändert dieser vermeintliche Erfolg jedoch nichts. Frau Nang, der Kopf der Shrimps-Schwestern:
    "Ich möchte den Verbrauchern in Europa und in den USA erklären, was wir eigentlich tun. Und was wir unseren Arbeitern bisher geboten haben. Wir haben immer unser Bestes getan. Unsere Firmen jetzt zuzumachen, ist ungerecht, nur weil es vielleicht eine geringe Zahl von kleinen Fabriken gab, die Kinderarbeit zugelassen haben."