Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

"The Jungle" von Plants and Animals
Wunderschön und gefährlich

In den 2000ern waren Arcade Fire Vorreiter einer dynamischen Szene mit melodischen Indierocksongs, zu der auch Plants and Animals gehörten. Jetzt erscheint deren fünftes Album: einprägsame Hooks in komplexe Strukturen verpackt.

Von Anke Behlert | 01.11.2020
    Drei Männer stehen auf einer grünen Wiese. Der in der Mitte trägt einen rosafarbenen Pulli, der Mann links eine Baseballkappe.
    Plants and Animals: Matthew Woodley, Nic Basque, Warren Spicer (vlnr) (Caroline Desilets)
    Manchmal vergessen sie einfach ihren Bandnamen, erzählt Plants and Animals-Gitarrist und Sänger Warren Spicer. Der Titel ihres neuen Albums "The Jungle" hat damit nämlich nichts zu tun. Der kommt vielmehr daher, dass alle drei Bandmitglieder mittlerweile Kinder haben, was ihre Sicht auf die Welt erwartungsgemäß nachhaltig beeinflusst hat.
    "Der Dschungel repräsentiert einen Ort, der gleichzeitig wunderschön und auch sehr gefährlich ist. Vor allem, wenn man sich nicht auskennt. In einigen der Songs geht es darum, dass man versucht, die Schönheit festzuhalten und in anderen geht es eher um Unsicherheit und Gefahren. Wir haben alle Kinder und irgendwie fühlt man die Dinge dann intensiver."
    Musik: "The Jungle"
    Warren Spicer und Drummer Matthew Woodley kommen ursprünglich aus Halifax und kennen sich seit ihrer Kindheit. Schon damals spielten sie in verschiedenen Bands. Zum Studieren zogen beide Mitte der 90er nach Montréal und dort trafen sie auf Nicolas Basque, der ebenfalls Gitarre spielte und begannen, gemeinsam Musik zu machen. Noch bevor sie sich den Namen Plants and Animals gaben, veröffentlichten sie ein Instrumentalalbum. 2008 erschien dann das erste "richtige" Album "Parc Avenue". Mit ihren Songs zwischen Jamband-Psychedelia und sorgfältig arrangiertem Chamberfolk waren sie unter anderem für den Juno Award nominiert, dem kanadischen Pendant zum amerikanischen Grammy.
    Musik: "Feedback in the field"
    Keine Langeweile
    Die Bandbesetzung hat sich seit ihren Anfangstagen nicht verändert und trotzdem langweilen sich die drei nicht miteinander, erzählt Sänger Warren.
    "Es gibt zwar keine großen Überraschungen, aber wir sind ja trotzdem Individuen und suchen unabhängig voneinander nach Dingen, die wir interessant finden. Und wenn wir uns dann wieder treffen, bringen wir diese unterschiedlichen Einflüsse mit. Nach dem letzten Album haben wir uns alle mit verschiedenem Equipment beschäftigt wie Synthesizern, Drumcomputern, eben Dinge abseits unserer Hauptinstrumente. Und es war cool zu sehen, dass wir alle unsere Möglichkeiten erweitert haben."
    Musik: "House on fire"
    Aufgenommen haben sie die Stücke im Verlauf der letzten zwei Jahre.
    "Wir haben das nicht wie früher gemacht, zwei Wochen am Stück nur aufgenommen. Sondern es waren eher mal hier drei Tage, mal da zwei Tage, in denen wir ins Studio gegangen sind. Und das waren dann auch keine endlos langen Sessions, wir haben das eher wie zur Arbeit gehen betrachtet, also um neun anfangen und um halb fünf heimgehen. Und das haben wir so lange gemacht, bis wir genug Material zusammen hatten."
    Musik: "Love that boy"
    Mit den eher reduziert-akustischen Aspekten älterer Songs haben die Stücke auf "The Jungle" nicht mehr viel gemein. Neben Gitarre, Bass und Schlagzeug kommen die erwähnten Synthesizer und Drumcomputer großzügig zum Einsatz und füllen mit pluckernden Beats, sphärischen Klängen und klimpernden Soundteppichen die dichten Arrangements. Spicers Gesang wirkt dringlich, wenngleich er manchmal derart im Mix vergraben ist, dass man die Texte nur schwer versteht. Die sind aber durchaus hörenswert.
    "Der Song 'Sacrifice' ist inspiriert von einem Gespräch mit Nic. Wir haben über seinen ältesten Sohn geredet, der ist jetzt 16/17, also ein Teenager und er verbringt sehr viel Zeit auf Instagram. Dann hab ich über die Beziehung von Menschen zu sozialen Medien allgemein nachgedacht, man produziert für sie Inhalte und nur deshalb existieren sie überhaupt. Einerseits ist es eine Plattform, um sich auszudrücken, aber man steckt eben auch viel Zeit rein. Der Text könnte allerdings auch von einer Ehe handeln – ich habe dir die besten Jahre meines Lebens gegeben. Aber eigentlich spreche ich über Instagram, weil es deine Zeit auffrisst."
    Musik: "Sacrifice"
    Erstes frankophones Stück
    Der verträumt-romantische Song "Le Queens" verbreitet trotz leicht angetrunken anmutender Gitarre, kratzender Percussion-Samples und flötender Synthies eine nostalgisch-melancholische Atmosphäre, was zum Großteil am französischen Gesang liegt. Und es ist auch das erste wirklich frankophone Stück, das Plants and Animals aufgenommen haben.
    "Die Musik zu diesem Song ist aus einem Jam entstanden, aber wir hatten uns noch keine Gedanken über die Lyrics gemacht. Nic hat dann darüber geschrieben, wie er seine Freundin Adele getroffen hat, die auch auf dem Song zu hören ist. Wir waren in einer Bar in Queens und dort war gerade eine Hochzeitsfeier, alle Leute haben getanzt. Der Song fängt die Atmosphäre von damals ganz gut ein."
    Musik: "Le Queens"
    Plants and Animals haben über die Jahre ihren charakteristischen Sound immer wieder ein Stück weiter gedreht und verändert. Auch auf "The Jungle" gelingt ihnen das offenbar ganz mühelos, mit einprägsamen Hooks in komplexe Strukturen verpackt fangen sie die unterschiedlichsten Stimmungen ein. Jeder der acht Songs ist wie eine eigene Landschaft, durch die man spazieren kann - oder: ein kleines Stück Dschungel.