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The Prof is a DJ

BWL oder Wirtschaftswissenschaften sind nicht unbedingt die Studiengänge, die man so direkt mit Anarchie oder nonkonformistischen Experimenten in Verbindung bringt. Ein Vorurteil wie man feststellen kann, wenn man Franz Liebl kennen lernt. Der 44jährige Professor ist Inhaber des Lehrstuhls für Strategisches Marketing an der Uni Witten-Herdecke und pflegt in seiner Freizeit ein extravagantes Hobby: Er legt als DJ in Münchner Clubs harte Punkscheiben auf.

Von Birgit Fenzel | 07.01.2005
    Ein guter DJ ist jemand, der auf jeden Fall Gefühl hat für Musik und zwar so, dass er Rhythmus und Melodie in Einklang bringen kann mit den Stücken die darauf folgen.

    Ein guter DJ kann die Leute steuern. ..Ein guter DJ sorgt dafür, dass die Tanzfläche voll ist, wenn es ums Tanzen geht.


    Die Vorstellungen darüber was ein guter DJ ist, stimmen bei den meisten Leuten zumindest in einem Punkt überein: Der Soundmix sollte allgemein gut ankommen. So gesehen wäre Franz Liebl eigentlich die perfekte Besetzung. Schließlich kennt er sich als Professor für Strategisches Marketing mit den Bedürfnissen von Konsumenten aller Art bestens aus, aber er sagt selbst über seine Künste:

    Ich bin eigentlich ein ganz schlechter DJ. Eigentlich besteht mein Ding darin Platten aufzulegen. Ich bin jemand, der weder scratchen, noch gut mixen kann, aber ich glaube, es kommt auf den Rohstoff an, und den entsprechend harten Rohstoff bring ich mir dann mit.

    Wann immer es sein Job an der Uni Witten/Herdecke zulässt, verschwindet Liebl nach München und legt in kleineren Clubs ausgewählte Exemplare seiner Musiksammlung auf. Die Leute kommen, denn schließlich hört man bei ihm Sound, den es nicht überall gibt. Chicks on Speed und Client gehören noch eher zur leichten Kost, wenn er in seine die Punkkiste greift, gibt es härtere Brocken auf die Ohren. Throbbing Gristle, Einstürzende Neubauten oder andere Kreative aus der Abteilung Industrial Punk.

    Wenn Franz Liebl den Wirtschaftsprofessor vergisst und den DJ raus lässt, verwandelt er die Raumakustik des jeweiligen Clubs in eine Großbaustelle. Nicht schön, sondern schön laut - denn es geht um eine Grenzerfahrung:

    Der tiefere Sinn ist: "Hören mit Schmerzen" wie es die Einstürzenden Neubauten mal gesagt haben oder "Entertainment through pain" wie es bei Throbbing Gristle heißt.

    Hören bis zur Schmerzgrenze ist eher was für Spezialisten. Dabei hatte die Musikliebhaberei auch bei ihm ganz harmlos angefangen.

    Das ging Mitte der 70er Jahre los. Und so ein erster Einschnitt war 1977 Punk, wo ich von einem Tag auf den anderen von normaler Rockmusik zum Punk konvertiert bin.

    Das Blondie-Konzert in München Downtown war für ihn ein Schlüsselerlebnis mit dauerhaften Folgen. Franz Liebl wurde zum Hardcore-Punker und das bald auch schon ziemlich professionell:

    Ich hab Anfang der 80er angefangen Kassetten zu produzieren, daraus ist dann ein Kassettenlabel, ein Plattenlabel, dann eine eigene Zeitschrift geworden. Daraus ist dann ein Vertrieb geworden und im Moment mach ich das Ganze als DJing.

    Denn irgendwann zwischendurch so etwa in seiner Assizeit an der Münchner Uni fiel dann die Entscheidung zwischen Punkrocklabel und Professorenkarriere zugunsten der bürgerlicheren Existenzform. Dahinter steckte die Feststellung: Wenn man mit dem Hobby Geld verdient, verliert man den Spaß daran. Und den will sich der DJ mit Professorentitel in keinem Fall nehmen lassen - allerdings sollte man bei seinen Auftritten aufpassen, wenn er vorab einen Vortrag hält. Bei Gemütsausbrüchen an der falschen Stelle ist für Mindereingeweihte schnell Schluss mit lustig:

    Ich hatte auch mal einen Vortrag auf einem Symposium für Unternehmenstheater, wo ich über Kidnapping als Grundlage unternehmerischer Innovation referiert habe. Das Publikum waren vorwiegend Theaterleute, die dann leider an den falschen Stellen gelacht haben und danach war ich so wütend, dass ich so hart aufgelegt habe, dass eine halbe Stunde später das Licht anging und nur noch der Veranstalter mit zwei Hilfskräften da saß.

    Wer sich ein Musikerlebnis der anderen Art mal angedeihen lassen möchte, hat dazu übrigens demnächst in Köln dazu Gelegenheit. Am 21. Januar gibt es einen Vortrag plus DJing von Franz Liebl im Stylepark der Möbelmesse:

    Dort halte ich am Freitagabend einen Vortrag zum Thema "Die Kunst der Kundenorientierung" und lege dann mit meinem Ko-DJ Grimmo aus Augsburg auf. Wir haben auch schon mal überlegt, keinen Eintritt zu verlangen, sondern lieber Austritt, weil wir glauben, dass das mehr Geld bringt.

    Und da sage noch jemand: Punker haben keinen Geschäftssinn.