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"The Real Thing" am Broadway
Heillose Verirrung

Film- und Fernsehstars haben es am Broadway oft schwer, werden doch hohe Erwartungen in sie gesetzt. Nun versuchten es Ewan McGregor, Maggie Gyllenhaal und Cynthia Nixon in Tom Stoppards "The Real Thing". Die Inszenierung von Sam Gold überzeugt nicht - McGregor hinterlässt jedoch einen sympathischen Eindruck.

Von Andreas Robertz | 04.11.2014
    Rote Theaterstühle
    Für viele Fans ist "The Real Thing" der Beweis, dass Tom Stoppard nicht nur ein Dramatiker des Wortspiels und der großen philosophischen Themen gleichermaßen ist, sondern ein Autor, der über Gefühlsverwirrungen schreiben kann. (picture-alliance / dpa-ZB / Patrick Pleul)
    Regisseur Sam Gold hat sich in New York durch kluge Regieeinfälle und eine oft punktgenaue Dialogregie den Ruf erarbeitet, mit wenigen Mitteln große Intimität zu erzeugen. Doch in seiner Neuinszenierung von Tom Stoppards "The Real Thing" scheint er sich im Dickicht nur gespielter oder echter Gefühle heillos verirrt zu haben. Dabei hat er ein Ensemble zusammen gebracht, das es in sich hat: Ewan McGregor und Maggie Gyllenhaal in ihrem Broadway-Debüt als der britische Erfolgsautor Henry und seine Geliebte Annie und Cynthia Nixon als Henrys Frau Charlotte. Im Stück verlässt Henry Charlotte, um mit Annie zusammen zu leben. Als Annie ein Engagement in dem Stück eines von Henry verachteten Dramatikers im fernen Glasgow annimmt, brechen sich Eifersucht, Misstrauen und verletzter Stolz in Henry Bahn.
    Tom Stoppard spielt mit den Themen Liebe und Untreue in einer Stück-im-Stück-Konstruktion. Oft weiß man erst im Nachhinein, ob die vorher gespielte Szene aus einem Theaterstück von Henry stammt oder zur eigentlichen Geschichte gehört. Stoppard benutzt nämlich oft dieselben Dialoge für beide Situationen, um die Absurdität von Schein und Sein zu zeigen. In Sam Golds Inszenierung wirkt das Stück allerdings von Anfang an steif und verstaubt, gefangen in einem allzu beiläufigen, britisch-vernäselten Unterhaltungston, der mit dazu beiträgt, dass nie authentische Gefühle spürbar werden.
    Darum geht es aber in "The Real Thing". Das Unglück beginnt bereits mit dem Bühnenbild von David Zinn. Ein breites, flach wirkendes Apartment mit weißer Rückwand und einem Mobiliar, das geschmacklos zusammengewürfelt ist. Auf dem Boden liegen Schallplatten, in denen Henry oft wie ein Teenager herum wühlt. Denn seine Vorliebe für Popsongs aus den 60er Jahren hat sich in Sam Golds Version zu einem abendtragenden Konzept entwickelt, in dem die Schauspieler zwischen den Szenen kitschige Popsongs singen. Sentimentalität soll die Sehnsucht nach den wahren Gefühlen ausdrücken. Doch diese zusätzliche Metaebene verwirrt mehr, als dass sie etwas erzählt.
    Großer Applaus für sympathischen Ewan McGregor
    Maggie Gyllenhaal, die man aus den Filmen "Donnie Darko" oder "Secretary" kennt, flirtet sich als Schauspielerin Annie am Anfang leicht und unbesorgt durch die Szenen, entwickelt dann aber eine Figur, die über Gefühle nur redet, statt sie zu haben. Cynthia Nixon, bekannt als Anwältin Miranda Hobbes aus der Erfolgsserie "Sex and the City", wirkt in ihrem abwegigen Kostüm, dessen Hauptfunktion es zu sein scheint, sie so unattraktiv wie möglich zu machen, viel zu alt, als dass man ihr eine erfüllende Beziehung zum charmanten Henry zutrauen würde. Kein Wunder, dass er sie verlässt.
    Ewan McGregor verkörpert den arroganten und in sarkastische Wortspiele verliebten Dramatiker Henry mit jugendlicher Leichtigkeit, und er macht das richtig gut. Zum Beispiel, wenn er anhand eines Kricketschlägers Annie den Unterschied zwischen einem guten und einem schlechten Schriftsteller erklärt. Mit einem richtigen, handgefertigten Schläger kann man den Ball nämlich gut 60 Fuß weit schießen, während ein Holzstück in derselben Form nicht einmal in der Lage wäre, ihn sechs Fuß weit zu schlagen. Doch auch McGregor findet nicht zu Momenten echter Gefühle, bleibt ein intellektueller Saubermann. Einzig die Unterhaltung mit seiner Tochter Debbie, die die Schule verlassen hat und mit einem Freund durch das Land trampen will, wirkt warm und echt. Sie zeigt, was so eklatant in den anderen Szenen fehlt. Dabei hat "The Real Thing" große Tage gesehen, nicht nur durch die preisgekrönte amerikanische Uraufführung mit Jeremy Irons und Glenn Close. Die Neuinszenierung im Jahr 2000 gewann sogar den Tony für die beste Wiederaufnahme eines Stückes.
    Für viele Fans ist "The Real Thing" der Beweis, dass Tom Stoppard nicht nur ein Dramatiker des Wortspiels und der großen philosophischen Themen gleichermaßen ist, sondern ein Autor, der über Beziehungen und Gefühlsverwirrungen schreiben kann. Vielleicht will Regisseur Sam Gold uns sagen, dass Gefühle aus nichts anderem als sentimentalem Kitsch bestehen, aber dadurch funktioniert das Stück nicht. Nichts desto trotz großer Applaus für einen supersympathischen Ewan McGregor.