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Theater in Heidelberg
Ein tänzerisches Denkmal für Hieronymus Bosch

Zwitter aus Vogel und Mensch, Drachen und andere Fabelwesen, oft grausam misshandelt - auch fast ein halbes Jahrtausend nach Hieronymus Boschs Tod haben seine Bilder nichts von ihrer düsteren Faszination verloren. Am Theater in Heidelberg bringt die niederländische Choreografin Nanine Linning Boschs Bilderwelten auf die Bühne.

Von Sebastian Felser | 16.01.2015
    Tänzer des Theaters Heidelberg proben Nanine Linnings Stück "Endless"
    Proben zu Nanine Linnings Stück "Endless" aus dem Jahr 2013 (picture alliance / dpa / Uwe Anspach)
    "Ich bin der grüne Flötenmann und der blaue Engel. Eigentlich, der blaue Engel sollte das einzig rein Gute auf Erden darstellen und der grüne Flötenmann ist ein gefallener Engel, der einen Link hat mit Musik und wie das Leute in Verführung bringen kann."
    Verführen, das will der Tänzer Jesse Hanse und auch das übrige Ensemble der Choreografin Nanine Linning. Verführen in die Welt von "Hieronymus B.", so hat sie ihren Abend genannt. Dafür hat die Niederländerin die Wände ihres Probensaals mit Ausdrucken des Meisters behängt:
    "Wir sind jetzt in meinem Tanzsaal, wo wir 'Hieronymus Bosch' kreiert haben."
    Und dessen Welt ist voller Angst, Schrecken und Wollust.
    Fabelwesen und nackte Frauen aus Ohren
    "Überall tauchen Fabelwesen auf und man ist eigentlich mit in dem Stück und das gefällt mir so gut und damit bekomme ich das Gefühl, dass man richtig in ein Bild von ihm geht: Wir haben Heilige, haben wir, eine Mittelalter-Frau, eine Frau die ist nackt und kommt aus einem Ohr..."
    Nanine Linning hat sich nämlich für ihre Bühnen-Adaption des niederländischen Malers ein Werk aus dem Jahr 1500 ausgesucht: das Tryptichon "Der Garten der Lüste": im Mittelpunkt überall nackte Menschen - auf Pferden um einen Brunnen wandelnd, in kleine Gruppen stehend, manche sich liebend. Links davon: der Garten Eden - Gott mit Adam und Eva - und rechts: die "musikalische Hölle" - Menschen, die mit Musikinstrumenten gequält werden. Viele kleine Szenen daraus hat Nanine Linning mit den Künstlern Les Deux Garçons in Kostüm und Requisite zum Leben erweckt:
    "Ich fange eigentlich nie damit an, Bewegung zu kreieren, das ist eigentlich das letzte auf meinem Ablauf. Ich fange immer an mit einem Gedanken, einer Frage, um eine Welt zu kreieren und in dieser Fantasiewelt bringe ich dann eigentlich sehr assoziativ verschiedene Facetten eines Themas rein."
    Tatsächlich springen die Figuren und Szenen aus Boschs Gemälden einen regelrecht an, wenn man sich "Hieronymus B." hier aussetzt. Nanine Linning zeigt an ihrer Bosch-Wand im Probensaal, wie sie sich das vorstellt:
    "Wir haben hier in Boschs Arbeit, ich muss mal suchen wo, nein, hier ist er zum Beispiel, hier kann man sehen, wir haben viel in einem Kreis gearbeitet, wo wir glauben, das sind unsere Darsteller, die stehen dann da mittendrin und das Publikum bewegt sich darum hin..."
    Ein vielschichtiger, audio-visueller Abend
    Das bedeutet: Ein Teil geht in den Zuschauersaal, der andere über den Lastenaufzug auf die Hinterbühne. Die Bühne wird also nach vorne und nach hinten bespielt. Im Laufe der Vorführung tauschen die beiden Teile der Zuschauer die Positionen. So entsteht eine Kreisbewegung, wie im Zentrum des zugrunde liegenden Gemäldes:
    "Hier in der Hölle passiert auch ziemlich viel: Wir haben eine Eule, die zusammen mit der 'Dirty Nun' ein Spiel treibt - da ist eigentlich eine Menge verschiedener Welten, die kommen da zusammen, wir haben in unserem Bühnenbild viel mit Musikinstrumenten gearbeitet, wo, hier kann man's sehen, wurde man gequält, durch Musikinstrumente."
    Das alles kombiniert Nanine Linning mit mehreren Video-Projektionen und einem Soundtrack aus Renaissance und Barock - gespielt vom Philharmonischen Orchester Heidelberg und einem Countertenor. Dazu eine elektronisch angehauchte Auftragskomposition von Michiel Jansen, die vom Band kommt: ein vielschichtiger, audio-visueller Abend.
    "Da werden auch Momente sein, dass das Publikum wirklich angefasst wird und einfach mitgenommen wird nach einem anderen Teil oder einem nächsten Stück - ja, also da bin ich noch gespannt, wie das Publikum reagiert."