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Theaterstück "Camp David"
Wiedergutmachung an einem Unterschätzten

Das Theaterstück "Camp David" beruht auf den Erinnerungen der Präsidentengattin Rosalyn Carter an die Nahost-Friedensgespräche von 1978. Ein großartiges Skript und brillante Schauspieler machen daraus einen spannenden Politthriller.

Von Simone Hamm | 21.04.2014
    US-Präsident Jimmy Carter (Mitte) mit Anwar as-Sadat (rechts) und Menachem Begin (links) in Camp David. Links am Rand steht Rosalyn Carter.
    US-Präsident Jimmy Carter (Mitte) mit Anwar as-Sadat (rechts) und Menachem Begin (links) in Camp David. (AFP)
    Eine Blockhütte, eine amerikanische Flagge, Bäume ohne Wurzeln und Kronen, drei Sessel. Das ist das Bühnenbild. Nur ein einziges Mal erklingt leise Musik, und Jimmy und Rosalyn Carter tanzen.
    Drei Staatsmänner, ein wiedergeborener Christ, ein orthodoxer Jude, ein Moslem, Jimmy Carter, Menachem Begin und Anwar as-Sadat haben sich 1978 in Camp David, dem Landsitz des US Präsidenten in Klausur begeben, um nach Lösungen für den Frieden im Nahen Osten zu suchen. 13 Tage lang. Historische Tage.
    Lawrence Wright hat daraus ein Theaterstück gemacht, Molly Smith hat es inszeniert. Sie haben etwas scheinbar Unmögliches wahr gemacht: ein spannendes, ja sogar kurzweiliges Schauspiel.
    Meist sieht man miteinander diskutierende Männer. Lawrence Wrights Stück über die Friedensgespräche in Camp David lebt von seiner knappen, prägnanten Sprache, seinem pointierten Witz. Und von den exzellenten Schauspielern: Richard Thomas ist der naive, gottesfürchtige, breiten Südstaatendialekt sprechenden Jimmy Carter. Er trägt meist karierte, geschmacklose Hemden. Doch so simpel, wie Carter scheint, ist er natürlich nicht. Hinter seinem Lächeln steckt Kalkül. Immer dann lächelt er am breitesten, wenn er am unerbittlichsten argumentiert. Ron Rifkin ist der schlitzohrige, hartherzige Menachem Begin, den Anwar as-Sadat als Terroristen bezeichnet. Begin selbst sieht sich eher als Freiheitskämpfer. Ganz langsam wandelt er sich vom Hardliner in einen Zuhörer, der den Friedensvertrag unterschreiben wird. Er ist der, der sich während des Stückes am meisten verändert: in Worten und Gesten. Khaled Nabawy spielt den eitlen, in jeder Szene neu eingekleideten Sadat.
    Hinzu kommt - in kurzen Auftritten - Rosalyn Carter, gespielt von Hallie Foote, die immer dann einen Tee bringt, wenn die drei Männer sich anschreien. Sie stiftet Frieden unter den Friedensstiftern. Auf Rosalyn Carters Notizen, die sie sich während dieser so wichtigen Tage gemacht hat, hat sich Lawrence Wright gestützt. Noch nicht einmal Jimmy Carter, mit dem sie seit 67 Jahren verheiratet ist, kannte diese Notizen.
    Menschen aus Fleisch und Blut
    Der Nahostkonflikt ist nicht nur ein Gebietskonflikt, sondern auch ein religiöser. Das will die Inszenierung zeigen. Die drei tiefgläubigen Politiker sind immer wieder im Gebet zu sehen. Jeder wendet sich an seinen Gott. Sadat wirft seinen Gebetsteppich aus. Begin beugt den Kopf und murmelt Unverständliches. Carter fleht und hadert in langen Gebeten.
    Carter, Begin und Sadat wussten, dass sie Geschichte schreiben würden. 100 Minuten dauert die Geschichte, die jetzt im Arena Theater in Washington uraufgeführt worden ist. Und jede Minute ist aufregend und spannend. Spannend vor allem, weil die Schauspieler noch die allerkleinsten Gesten beherrschen. Wenn Carter Begin an dessen Enkel erinnert, huscht der Anflug eines Lächelns über Begins Lippen. Man spürt, dass doch nicht der harte Hund ist, als der er sich gibt.
    Spannend auch, weil Lawrence Wrights Text niemals hölzern ist, niemals schulmeisterlich, weil er Menschen aus Fleisch und Blut auf die Bühne bringt und nicht Polittalker, die Worthülsen stanzen.
    Zur Premiere kamen Rosalyn und Jimmy Carter. Es dürfte das erste Mal sein, dass ein amerikanisches Präsidentenpaar ein Stück über sich sieht. Die Witwe von Anwar as-Sadat kam. Ihr Mann war von militanten Islamisten ermordet worden, eben weil er Frieden mit Israel geschlossen hatte. Die Botschafter Israels und Ägyptens kamen, etliche Politiker und die Crème de la Crème der amerikanischen Theaterkritik.
    Politisches Theater im Lande der großen Broadwayshows. Theater, das eine direkte Wirkung hat: Keine Rezension, kein Fernsehbeitrag zur besten Sendezeit, in dem die Meisterleistung Jimmy Carters nicht gelobt wird - fast schon eine Wiedergutmachung. Es scheint, als versuche man, den einst ungeliebten Präsidenten, der jetzt fast neunzig ist, endlich zu verstehen. Bislang galt Jimmy Carter als der meistunterschätzte Präsident der USA. Das Stück "Camp David" hat eine Diskussion in Gang gesetzt, über Carter, und seine Nahostpolitik. Denn der Vertrag von Camp David ist der einzige Nahost-Friedensvertrag, der bis heute nicht gebrochen wurde.
    Produzent des Stückes ist Gerald Rafson, einst Kommunikationsdirektor unter Carter. Ein Mann mit Insiderblick. Er hatte diese geschichtsträchtigen Tage von Camp David schon lange festschreiben wollen. Und Jahre dafür gekämpft. Zuerst wollte er einen Film produzieren, dann schien ihm ein Kammerspiel auf der Bühne passender. In Lawrence Wright und den großartigen Schauspielern hat er seine Idealbesetzung gefunden.