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Themenreihe Mittelpunkt Mensch
Barbara Steffens Vision vom Alter

"Ich bräuchte Menschen zum Doppelkopf spielen", sagt Barbara Steffens, wenn sie an ihren Lebensabend denkt. Als Ministerin in Nordrhein-Westfalen setzt sie sich für ein selbstbestimmtes Leben im Alter ein. Eines ihrer Herzensprojekte ist die Quartiersentwicklung. Die Idee: Stadtteile werden gezielt gefördert, um altersgerechtes und inklusives Zusammenleben zu ermöglichen.

Von Dörte Hinrichs | 01.02.2017
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    Barbara Steffens, Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter, will Menschen ermöglichen, möglichst lange selbstbestimmt zu leben. (picture alliance / dpa / Philipp Strobel)
    Barbara Steffens geht mit großen Schritten durch die moderne Eingangshalle der Jugendherberge Düsseldorf. Die nordrhein-westfälische Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter eröffnet hier an einem sonnigen Novembertag die Veranstaltung "Quartier konkret: Von der Idee zur Umsetzung".
    Das Thema ist ein Herzensanliegen der Ministerin, denn: "Viele Strukturen orientieren sich nicht an den Bedarfen und Bedürfnissen von Menschen, die in der nachberuflichen Phase sind. Das ist so ein Stück Entleerung, Entwertung von Menschen.
    Und deswegen glaube ich, dass es ganz wichtig ist, dass wir wieder Strukturen schaffen, wo Menschen sich begegnen können, wo Menschen ihre Kompetenzen und Lebenserfahrungen einbringen können und uns als Gesellschaft auch was zurückgeben können und wo es einen sozialen Zusammenhalt gibt, der wirklich gelebt wird."
    Strukturen schaffen für das Leben von morgen
    Insgesamt fördert Nordrhein-Westfalen derzeit 56 Projekte zur Quartiersentwicklung und ist damit bundesweit Vorreiter. Darauf ist Barbara Steffens sichtlich stolz in ihrer Begrüßungsrede vor über 100 Tagungsteilnehmern:
    "Die Motivation hinter all dem ist, wir brauchen veränderte Strukturen für die demografische Entwicklung und damit die Menschen selbstbestimmt so lange es geht alt werden können. Egal ob mit oder ohne Behinderung, mit oder ohne Migrationsgeschichte, egal ob alt oder jung, dass wir am Ende Quartiere haben, von denen alle Menschen profitieren.
    Und Quartiere für ältere Menschen zu entwickeln, bedeutet immer, dass diese Quartiere für alle Menschen lebenswerter werden. Alle profitieren im Stadtteil und im Quartier davon."
    Wissentransfer fördern
    Und die für alle mehr Lebensqualität bringen soll. Mit Tagungen wie dieser will die Ministerin den Wissenstransfer fördern unter den Quartiersentwicklern.
    "Das erste ist, das Wichtigste, eine Haltungsänderung vor Ort. Dass die Menschen sagen, wir wollen wieder uns einbringen in die Gesellschaft und wir wollen gemeinsam diese Gesellschaft verändern. Und das ist für die Quartiersentwickler vor Ort schwierig: wen hole ich ab, wie erreiche ich die Leute?
    Und vor allem, wie erreiche ich die Leute, die am meisten in ihren vier Wänden schon isoliert sind? Wenn ältere Menschen gar nicht mehr rausgehen, wie kriege ich die abgeholt? Das sind ganz große Herausforderungen."
    Einsatz für ein selbstbestimmtes Leben im Alter
    Deshalb sieht Barbara Steffens zum Beispiel in Ärzten und Apothekern, in Mitarbeitern von Selbsthilfe- und Seniorengruppen wichtige Akteure für eine vernetzte Quartiersentwicklung. Das Nebeneinander von ambulanter und stationärer Hilfe hält sie für überholt:
    "Eine zweite ganz große Herausforderung für mich dann in meiner Funktion als Ministerin ist, dass wir ganz starre Systeme haben: ambulante Pflegedienste, stationäre Pflegeheime, Träger, Krankenhaus und Ärztesystem, die sich an Finanzierungen orientieren und nicht an den Bedarfen und Bedürfnissen von Menschen.
    Und diese Systeme aufzubrechen, ist doch jetzt egal, ob das Bad jetzt im Pflegeheim oder ob man zu Hause einen Badewannenlift bekommt, das geht nicht so einfach, sondern da müssen Finanzierungsstrukturen, da müssen richtige Systeme hinter verändert werden."
    Barbara Steffens kennt keine Berührungsängste, sie lacht in die Kamera, wenn Tagungsteilnehmer ihre Handys zücken und ein Foto mit ihr wünschen. Sie interessiert sich für ihre Fragen und Ideen und fragt auch die Menschen vor Ort, was fehlt und wo es hakt:
    Ministerin ohne Berührungsängste
    Barbara Steffens kennt keine Berührungsängste, sie lacht in die Kamera, wenn Tagungsteilnehmer ihre Handys zücken und ein Foto mit ihr wünschen. Sie interessiert sich für ihre Fragen und Ideen und fragt auch die Menschen vor Ort, was fehlt und wo es hakt:
    "Und das Schöne ist, wenn man sich dann Quartiere anguckt, wo ältere Menschen plötzlich mit Kindergartenkindern was machen, wo ältere Menschen Flüchtlingen Deutsch beibringen, wo gemeinsam gekocht wird, wo ältere Leute selber Tanzkurse geben, also wo ganz unterschiedliche Sachen plötzlich im Stadtteil, im Quartier initiiert werden, dann sieht man, wie reich an Wissen und Kompetenz unsere ältere Bevölkerung ist und wie sie darauf brennen, das auch weiterzugeben. Das alles zusammenzuführen ist die Hauptaufgabe von Quartiersmanagement."
    Das Gefühl, gebraucht zu werden, auch im wohlverdienten Ruhestand die eigenen Ressourcen zu nutzen, Erfahrungen und Wissen weiterzugeben, Gemeinschaft zu stiften dafür setzt sich Barbara Steffens ein. Die Quartiersentwickler, deren Einsatz sie mit über zwei Millionen Euro jährlich fördert, sollen dafür Impulse geben und nachhaltige Strukturen schaffen.
    Eigene Vision vom Leben im Alter
    Von der Quartiersentwicklung, die die Ministerin anstößt, kann sie dann vielleicht eines Tages selbst profitieren:
    "Ich bin jemand, ich muss draußen sein, muss mich auch bewegen können, ich muss rumgärtnern können und dafür finde ich es auch wichtig, dass wir Projekte haben wie "urban gardening", wo Menschen im öffentlichen Raum gemeinsam Gemüse anbauen und ernten, und dass es solche Projekte gibt, wo es für alle Menschen, auch für Menschen mit Demenz möglich ist in ihrem Stadtteil, ihrem Quartier sich weiter zu bewegen und Teil dieser Gesellschaft zu sein.
    Und für mich wäre genau sowas eine Vision. Ich bräuchte Menschen zum Doppelkopf spielen und vielleicht gibt es noch ein paar andere Projekte, die es heute noch gar nicht gibt, die meinen Leidenschaften entsprechen und da würde ich dran arbeiten wollen. Mein Ziel wäre, dass ich dann auch, wenn es soweit wäre, selber mein Quartier und meinen Stadtteil mit anderen mitgestalten kann."