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Thich Nhat Hanh
Am wirklichen Leben teilnehmen

Er traf den Papst und Martin Luther King: Der Mönch Mönch Thich Nath Hanh gilt neben dem Dalai Lama als einer der bekanntesten Vertreter des Buddhismus'. Vor 50 Jahren wollte er beim Wiederaufbau seiner Heimat Vietnam helfen - und wurde dort zur unerwünschten Person. Im Exil arbeitet er bis heute an seiner Friedensidee.

Von Margarete Blümel | 03.12.2014
    Thich Nhat Hanh, buddhistischer Mönch, Schriftsteller und Lyriker
    Thich Nhat Hanh (picture-alliance/ dpa / Jogye Temple)
    "Thay hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Menschen zu helfen, damit sie sich von ihren Leiden befreien können. Dies tut er nun schon seit mehr als siebzig Jahren."
    Sagt der Mönch Phab An, ein Wegbegleiter Thich Nhat Hanhs.
    Thay, Lehrer - so nennen seine Anhänger den 1926 geborenen vietnamesischen Mönch Thich Nhat Hanh. Er gilt als Begründer des engagierten Buddhismus. Grundlage des engagierten Buddhismus ist das Leben Buddhas und dessen Mitgefühl für alle Geschöpfe.
    Bereits Mitte der 1950er Jahre stellte Thich Nhat Hanh seine Lehre in den vietnamesischen Medien vor. Zwei Jahre später gründete er in Vietnam ein eigenes Kloster.
    "Thay versucht seinen Schülern bestimmte Praktiken zu vermitteln. Er benutzt dazu Sutras, Lehrreden aus dem frühen Buddhismus. Zum Beispiel gehören die Sutra des bewussten Atmens und die Lehrrede zur Achtsamkeit zu den Grundlagen der Meditationspraxis. Auch der Zen-Buddhismus spielt in unserem Alltag eine wesentliche Rolle. In unserer religiösen Tradition gibt es also Elemente aus verschiedenen Richtungen des Buddhismus."
    Zen-Buddhismus spielt eine wesentliche Rolle
    Neben den Meditationsübungen wird großer Wert auf Achtsamkeit gelegt - die Anhänger Thich Nhat Hanhs bemühen sich, jeden Moment des Lebens mit Bedacht wahrzunehmen. Auch negative Emotionen wie Ärger, Wut und Einsamkeit sollen bewusst erlebt und so teilweise abgeschwächt werden.
    In seinen Vorträgen betont Thich Nhat Hanh immer wieder, dass es das Positive ohne das Negative nicht gäbe. Negative Gefühle oder widrige Lebensumstände könnten deshalb zum Guten verändert werden.
    Gerne zieht der Mönch dabei die Lotusblume zum Vergleich heran – die prachtvolle Blume, sagt er, wächst auch nicht auf edlem Marmor, sondern sie keimt und gedeiht im Schlamm und Morast.
    "Wir versuchen das Bewusstsein der Menschen zu schärfen, sie dazu zu bringen, über ihre Lebensumstände nachzudenken und zu sich selbst zu finden. Die Lehre Buddhas kann ihnen dabei helfen."
    1964 gründete Thay den Tiep Hien Orden
    Mitte der 1960er Jahre setzte sich Thich Nhat Hanh für ein Ende des Krieges in seinem Heimatland Vietnam ein. Hierzu traf er sich unter anderem mit dem Papst und dem amerikanischen Bürgerrechtler Martin Luther King. Dieser sprach sich nach der Unterredung öffentlich gegen den Krieg und die Einmischung der Amerikaner aus.
    1964 gründete Thay den Tiep Hien Orden. Die Mitglieder der Ordensgemeinschaft kümmerten sich während des Vietnam-Krieges um Verletzte und halfen beim Aufbau zerstörter Dörfer. Viele dieser Gläubigen kamen im Zuge ihrer Bemühungen ums Leben.
    "'Tiep Hien' bedeutet 'am wirklichen Leben teilnehmen'. Um den Leuten zu helfen und ihre Leiden zu erkennen, muss man unter ihnen leben. Die Laien des Tiep Hien Ordens können in der Gesellschaft sozial tätig werden, da sie nicht an Klosterregeln gebunden sind. So also waren sie etwa während des Vietnam-Krieges an der Front und haben sich um die Verwundeten gekümmert."
    Ende der 1960er Jahre fanden Friedensverhandlungen in Paris statt, um den Krieg in Vietnam zu beenden.
    Thich Nhat Hanh war Mitglied einer buddhistischen Abordnung, die an den Gesprächen teilnahm.
    Während seines Aufenthaltes in Paris erklärte ihn die südvietnamesische Regierung aufgrund seiner Friedensaktivitäten zur unerwünschten Person. Seitdem lebt der Mönch in Frankreich.
    In der Nähe von Bordeaux leitet Thich Nhat Hanh ein buddhistisches Zentrum. 2007 gründete er das Europäische Institut für Angewandten Buddhismus im nordrhein-westfälischen Waldbröl. Menschen aus der ganzen Welt kommen an diese Orte, um sich dort zurückzuziehen und an Vorträgen teilzunehmen.
    "Als Praktizierende nehmen wir das Dasein um uns herum bewusst wahr - das Leben der Pflanzen, der Tiere und der Erde. Für uns stehen alle Dinge in einem Zusammenhang und wir sind eng mit ihnen verbunden. Wir bemühen uns sehr darum, für die Erde Sorge zu tragen. Zum Beispiel ernähren wir uns vegetarisch oder vegan, damit nicht so viele Wälder für Weideflächen und Viehfutter gerodet werden müssen."
    Nach 39 Jahre im Exil wieder in Vietnam
    Nach neununddreißig Jahren im Exil durfte Thich Nhat Hanh 2005 zum ersten Mal wieder in sein Heimatland zurückkehren. Bis dahin hatte er in Vietnam soziale Projekte unterstützt und unter einem Pseudonym mehrere Bücher verfasst.
    "Mittlerweile gibt es in Vietnam auch Bücher unter seinem Namen. In dieser Hinsicht hat sich etwas bewegt. Aber was Vorträge, öffentliche Diskussionen und Retreats angeht – da sieht man noch keine Fortschritte. Die führenden Politiker befürchten, dass durch öffentliche Auftritte Thich Nhat Hanhs eine Bewegung in Gang kommen könnte, die dem Regime schaden würde. Und das versucht die kommunistische Regierung natürlich unbedingt zu verhindern."
    Eine freie Religionsausübung ist in Vietnam nicht möglich. Die Hälfte der Einwohner sind Buddhisten, zehn Prozent sind Christen. Der Rest bekennt sich entweder zu Natur- und Stammesreligionen oder folgt überhaupt keinem Glauben.
    Erst vor Kurzem hat ein Sonderberichterstatter des UNO-Menschenrechtrats diverse Verstöße gegen die Religionsfreiheit festgestellt. Zum Beispiel werden immer wieder religiöse Würdenträger und Gläubige von der Polizei eingeschüchtert und belästigt und so an der Ausübung ihres Glaubens gehindert.
    "Durch Dialog und gewaltfreie Kommunikation mit Regierungsvertretern versuchen wir, Mitgefühl bei den Betroffenen zu wecken und so die Religionsfreiheit zu fördern. Wir rufen aber nicht zu Demonstrationen auf oder unterstützen derartige Aktionen. Vielmehr liegt uns daran, dass die Leute ihre eigene Situation reflektieren und erkennen, was Religionsfreiheit für sie bedeuten kann."