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Thomas Hacker: Annette Schavan muss Konsequenzen ziehen

Annette Schavan habe im Fall zu Guttenberg die Messlatte sehr hoch gelegt. Jetzt müsse derselbe Maßstab auch für sie gelten, meint Thomas Hacker, Fraktionschef der bayerischen FDP. "Wenn man sich selbst erhebt über die anderen, dann muss man es auch für sich selber so akzeptieren."

Thomas Hacker im Gespräch mit Bettina Klein | 07.02.2013
    Bettina Klein: Annette Schavan bleibt also zunächst mal im Amt als Bundesbildungsministerin, so hieß es gestern. Vorerst zumindest, das war die kleine Einschränkung, trotz des aberkannten Doktortitels. Sie genieße immerhin das Vertrauen der Kanzlerin. Bisher war die Rückendeckung aus Union und FDP sehr deutlich, einer der ganz wenigen aus den genannten Parteien, die der Ministerin bereits gestern den Rücktritt nahelegten, das war und ist der Fraktionschef der bayerischen FDP, den ich jetzt am Telefon begrüße. Guten Morgen, Thomas Hacker!

    Thomas Hacker: Guten Morgen, Frau Klein!

    Klein: Herr Hacker, wie es aussieht, mehren sich im Augenblick die Stimmen, die doch zur Einschätzung kommen, ein Rücktritt ist womöglich unausweichlich. Waren Sie gestern schon klüger als alle anderen?

    Hacker: Das sicher nicht, aber Sie haben die Worte, die Frau Schavan beim Rücktritt des Bundesverteidigungsministers ja auch gesagt hat, auch noch mal genannt, und die Worte klingen einem ja sehr deutlich im Ohr. Und wenn sie Gleiches für andere fordert, muss auch sie selbst bereit sein, notwendige Konsequenzen zu treffen.

    Klein: Frau Schavan – wir haben es gerade in der Der Fall zu Guttenberg und die Causa Merkel(MP3-Audio) Collage gehört – hat als Erste im Fall zu Guttenberg gesagt, sie schäme sich jetzt nicht mehr nur heimlich. Das hat damals viele im Freistaat Bayern sehr geärgert und verletzt. Da sitzt der Schmerz noch immer tief?

    Hacker: Also, da müssten Sie jetzt den Koalitionspartner CSU fragen, wie da der Schmerz ist. Ich fand die Konsequenzen damals richtig, auch das Handeln richtig, und es setzt dann natürlich dann auch Maßstäbe für andere!

    Klein: Das heißt, Sie würden sagen, das wäre jetzt das Kriterium für sie, dass sie zurücktreten muss? Andere Kriterien, die dagegen sprechen würden möglicherweise, lassen Sie nicht gelten?

    Hacker: Ja, sie hat ja angekündigt, dass sie gerichtlich die Entscheidung der Hochschule noch mal überprüfen lassen will. In einem Rechtsstaat muss man solche Verfahren auch abwarten. Unbestritten ist sicherlich ihre Kompetenz und ihr Auftreten und ihre politische Arbeit, aber wenn ich die Messlatte für andere sehr hoch setze, wie sie es getan hat, dann muss ich die Messlatte auch für mich selbst so ansetzen.

    Klein: Aus Ihrer Partei, Herr Hacker, der FDP, sind Sie ja bisher noch eine Einzelstimme. Wie stehen Sie dazu, dass der Rest der Partei da schweigt?

    Hacker: Ja, das ist eine Einzeleinschätzung, die jeder für sich selber treffen muss. Da gibt es ja keine Parteimeinungen hinsichtlich eines solchen Verfahrens. Ich habe mir noch mal genau angeschaut, Interviews auch nachgelesen und habe die Überzeugung gewonnen, dass es der richtige Schritt wäre. Aber das muss natürlich auch jeder in einer Partei mit unterschiedlichen Parteien auch für sich selber prüfen.

    Klein: Was würde das denn jetzt parteistrategisch bedeuten, wenn sie im Amt bliebe?

    Hacker: Ja, auch da müssen Sie die Union fragen, denn es ist ja …

    Klein: Sie sind Koalitionspartner, auch im Bund!

    Hacker: Ja, aber die Minister, das wissen Sie ja, dass in Koalitionsregierungen die Minister, auch das Vorschlagen von Ministern oder das Abberufen von Ministern immer primär auch Angelegenheit des einzelnen Koalitionspartners ist. Frau Merkel hat sich ja hinter Frau Schavan gestellt, jetzt sollten wir auch das weitere Verfahren abwarten. Meine Position ist klar, das, was ich selber von anderen erwarte, von anderen fordere, muss ich auch in meiner eigenen Person gelten lassen. Deswegen habe ich keine Fragezeichen mehr, aber andere sind wohl noch am Überlegen.

    Klein: Wir haben vorhin gerade kurz über den Fall zu Guttenberg gesprochen. Sie haben gesagt, man möge die CSU fragen, ob der Schmerz denn noch tief sitze, aber noch mal die Frage: Ist das Thema in Bayern nach Ihrem Eindruck von größerem Interesse, haben die Bürger den Rücktritt des damaligen Verteidigungsministers sehr klar vor Augen und wünschen sich da vielleicht schneller Konsequenzen jetzt auch als andere?

    Hacker: Das kann ich mir gut vorstellen, dass es hier in Bayern eine andere, deutlichere Erinnerung noch an den Fall gibt. Es gab dann ja auch Filmaufnahmen, wo vermutlich die Nachricht per SMS von Frau Schavan an Frau Merkel gegangen ist, ich denke, auch diese Bilder sagen ja manchmal mehr als Wortinterviews. Daran erinnert man sich schon.

    Klein: Aber Herr Hacker, mit Verlaub, es klingt schon so ein bisschen danach zu sagen, also, das war gemein damals und deswegen muss das auch für sie selbst gelten. Also, mir ist noch nicht so ganz klargeworden, weshalb Sie auch in der Sache das für gerechtfertigt halten würden, dass die Ministerin zurücktritt?

    Hacker: Also, wenn Sie sich für Vorwürfe an andere schämt, bei der Doktorarbeit abgeschrieben zu haben, dann muss man das auch selber gelten lassen, wenn die Hochschule den gleichen Vorwurf gegen einen selbst erhebt. Und da geht es nicht um Erinnerung von anderen Fällen oder um Gleichbehandlung, sondern: Wenn man sich selbst erhebt über die anderen, dann muss man es auch für sich selber so akzeptieren.

    Klein: Schauen wir noch mal auf die grundsätzlicheren Konsequenzen, die sich natürlich auch wiederum an diesen Fall anknüpfen, an viele Fragen, die jetzt auch zu neuen Debatten führen: Was ist zum Beispiel mit den Universitätsprofessoren, die damals ihre Arbeit haben durchgehen lassen, spricht das nicht eventuell auch Bände über die Art, in der Doktorarbeiten da offenbar angenommen werden? Haben wir nach Ihrer Einschätzung auch ein grundsätzlicheres Problem auf dieser Ebene?

    Hacker: Das glaube ich nicht, dass es ein grundsätzlicheres Problem gibt. Es sind Einzelfälle, die bekannt geworden sind, die untersucht wurden. Sicherlich hat auch die Verfügbarkeit von Quellen, die digitale Verfügbarkeit von Quellen die Überprüfung von Plagiaten besser oder leichter ermöglicht, und das Ganze muss dann auch in die Prüfverfahren jetzt mit einbezogen werden, aber dass jetzt flächendeckend ähnliche Verfahren sind, ist in den letzten Jahren ja nicht aufgekommen. Es wird ja verstärkt auch überprüft und nachgeschaut, gerade Menschen, die ins Rampenlicht gehen, die sich auch in der Politik engagieren, die werden ja besonders beobachtet und besonders untersucht. Dafür sind die Fälle ja sehr wenige, die aufgetreten sind oder bekannt geworden sind.

    Klein: Aber wenn wir uns überlegen, es waren ja schon einige Fälle, wo Politiker in den vergangenen Jahren ihre Titel losgeworden sind. Da drängt sich natürlich bei vielen auch die Frage auf, ob Menschen mit Politikerlaufbahn da wirklich so viel schlampiger arbeiten oder ob wir da ein grundsätzlicheres Problem im Hintergrund haben, das im Grunde genommen auch überprüft gehört und nicht nur bei Menschen von einiger Prominenz.

    Hacker: Aber wenn Sie jetzt von den Fällen, die bekannt geworden sind – und das sind circa fünf, die da genannt werden –, von einem Massenphänomen sprechen, dann ist das meines Erachtens eine unzulässige Verallgemeinerung. Es mag immer wieder Einzelfälle geben, aber ich glaube nicht, dass das ein Thema ist, das vor allem politisch aktive Menschen betrifft.

    Klein: Gut, das Wort Massenphänomen haben wir beide nicht verwendet. Abschließend noch, Herr Hacker: Sie haben gesagt, Sie gehen davon aus, dass Frau Schavan zurücktreten muss und sollte. Das wird in den nächsten Tagen auch passieren?

    Hacker: Ja, in die Glaskugel schauen ist immer schwierig, aber wir werden sicherlich das Thema in den Medien noch einige Zeit verfolgen können.

    Klein: Thomas Hacker, der Vorsitzende der FDP-Fraktion im bayerischen Landtag. Vielen Dank für das Gespräch heute Morgen, Herr Hacker!

    Hacker: Danke, Frau Klein!


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