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Thüringen
Protest gegen Rechtsrock

Rund 6.000 Anhänger der rechten Szene haben in der thüringischen Kleinstadt Themar ein Rechtsrockkonzert besucht. Viele Bewohner des Ortes protestierten mit friedlichen Aktionen gegen die Veranstaltung.

Von Henry Bernhard | 17.07.2017
    Anhänger der rechten Szene warten am 15.07.2017 in Themar (Thüringen) auf den Einlass zu einem Konzertgelände.
    Neonazi Konzert in Themar (dpa/picture alliance/Bodo Schackow)
    Sie kommen aus ganz Deutschland und aus Nachbarländern, tragen T-Shirts, die ihre Liebe zu Adolf Hitler, zum Jahr der Machtübernahme 1933, oder zum "deutschen Blut" ausdrücken. Die meisten Besucher sind junge Männer, aber auch eine Menge Frauen kommen und auch Veteranen der NPD, wegen Volksverhetzung und Holocaust-Leugnung Vorbestrafte. Katharina König-Preuss, Landtagsabgeordnete der Thüringer Linken, beobachtet den Aufmarsch der ganzen deutschen rechten Szene.
    "Who is Who der extremen Rechten"
    "Was an Bands hier heute auftritt und noch mal mehr, was an Rednern auftritt, ist ein Stück weit schon ein Who is Who der extremen Rechten in Deutschland und vor allem eine absolute Vernetzung aller in Deutschland bestehenden größeren Strukturen der rechten Szene."
    König-Preuss, eine Kennerin der Szene, ist verblüfft, dass sich die intern zerstrittene rechte Szene hier so einig gibt, dass sich Parteien wie NPD und "Der dritte Weg" in Themar gemeinsam versammeln. War Thüringen schon seit langem ein Zentrum rechtsextremer Musikveranstaltungen, so sei nun eine Qualität erreicht. Dass Thüringen bei Neonazis so beliebt ist für Veranstaltungen, läge nicht nur an der zentralen Lage mitten in Deutschland.
    "Es gibt die entsprechende Struktur, die durch die Führungspersonen von rechts hier in Thüringen abgesichert werden. Das heißt, man kann sich darauf verlassen, wenn Tommy Frenck eine Veranstaltung anmeldet, dass es Getränke, Verpflegung, gute Bühne, gute Technik usw. gibt, dass sozusagen organisatorisch alles steht und alles läuft, er sich versammlungsrechtlich auch auskennt."
    Breiter Widerstand
    Außerdem besäßen Rechtsradikale viele Immobilien in Thüringen, von denen aus sie ihre Aktivitäten steuern könnten. Mangelnder zivilgesellschaftlicher Widerstand wird zudem oft beklagt, wenn es um Neonazitreffen in Thüringen geht. Außerhalb der intellektuellen Zentren Jena und Weimar protestierten oft nur "die üblichen Verdächtigen" von Links – in Themar ist der Widerstand breiter.
    Nur ein paar Meter vom Veranstaltungsgelände entfernt, ist die Pfarrerin des Ortes mit einem Häuflein Aufrechter auf ihrem stündlichen Pilgerweg unterwegs.
    "Die Stadt Themar, vertreten durch unseren Bürgermeister Hubert Böse, hat einen tapferen Kampf gegen das heutige Ereignis gekämpft. Herr, gib uns deinen Frieden."
    Bewohner aus Themar protestieren gegen das Neonazi-Konzert in ihrem Ort.
    Bewohner aus Themar protestieren gegen das Neonazi-Konzert in ihrem Ort. (Deutschlandradio/Henry Bernhard)
    Ministerpräsident Ramelow fordert Präzisierung des Versammlungsrechts
    Auch ein Kinderfest, ein Konzert für die Anwohner, friedliche Aktionen im ganzen Ort hatten der Bürgermeister und sehr viele Anwohner seit Wochen organisiert. Überall hängen selbstgemalte Plakate gegen Rechts. Ungewöhnlich für Thüringer Verhältnisse. Vor dem Thüringer Oberverwaltungsgericht aber waren die Kommune und auch der Landkreis gescheitert: Das Rechtsrockspektakel wollten sie als kommerzielle Veranstaltung und nicht als politische Versammlung deklariert wissen. Dann hätten sie strengere Auflagen erteilen und Kosten vom Steuerzahler auf die umwälzen können, die von den Besuchern zwar je 35 Euro Eintritt nehmen, sich aber dank dem Versammlungsrecht nicht an der Absicherung beteiligen müssen. Allein der Polizeieinsatz kostet Hunderttausende Euro. Das Gericht aber beschied, dass es sich nicht um eine rein kommerzielle, sondern um eine "gemischte" Versammlung handele, die auch zur Meinungsbildung beitrage und deshalb vom Grundgesetz besonders geschützt sei. Dagegen regt sich nun Widerstand – u.a. vom Thüringer Ministerpräsident, Bodo Ramelow. Er sieht einen Missbrauch des Versammlungsrechts und regt eine Präzisierung desselben an.
    "Wer solche Veranstaltungen mit 6.000 Teilnehmern macht, der muss auch alle Kosten übernehmen, die der Staat beim Versammlungsrecht übernimmt. Und deshalb geht es ausdrücklich nicht um eine Verschärfung im Versammlungsrecht, sondern um eine präzise Abgrenzung zwischen kommerziellem Konzert und dem Demonstrationsrecht, das jedem Bürger zusteht."
    Von Seiten der Thüringer Jusos und auch der Grünen bekam Ramelow schon Widerspruch: Mit dem Demonstrationsrecht sei sehr sorgsam umzugehen.
    Weniger sorgsam gingen die in Themar versammelten Neonazis mit dem Demonstrationsrecht um: Sie priesen in ihren Sprechchören Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß und streckten "Heil" brüllend den rechten Arm zum Hitlergruß. In knapp zwei Wochen ist das nächste Rechtsrockkonzert in Themar geplant – wieder als politische Veranstaltung, wieder auf dem Gelände eines Lokalpolitikers, der bis vor kurzem noch Mitglied der AfD war.