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Thüringen
Ramelow will an die Macht

Bodo Ramelow (Die Linke) versucht in diesem Jahr bereits zum dritten Mal, Ministerpräsident von Thüringen zu werden. Und seine Chancen stehen besser als je zuvor. Er wäre der erste linke Landeschef Deutschlands. Doch für das Amt braucht er eine Koalition mit der noch wehrhaften SPD.

Von Henry Bernhard | 05.06.2014
    Nein, Bodo Ramelow trägt keine Cowboystiefel, keinen breitkrempigen Hut und er hat auch keine Pistolen im Holster stecken. Aber immerhin, er trägt gern lange Mäntel. Und wenn er bei Gegenlicht den langen Gang im Erfurter Landtag hoch läuft und die Sonne ihn blendet, muss er die Augen zusammenkneifen wie Clint Eastwood. Und er ist mindestens ebenso siegesgewiss wie die frühen Eastwood-Figuren, die vor Kraft kaum laufen konnten.
    "Es geht am 14. September in der Tat - es geht um Lieberknecht oder Ramelow!"
    Für Bodo Ramelow ist es der dritte Versuch, Ministerpräsident in Thüringen zu werden. Und zugleich sicher auch der letzte. 1990 ist er als junger Gewerkschaftssekretär aus Hessen nach Thüringen gekommen, um Aufbauarbeit zu leisten. Als 1993 die Kalikumpel in Bischofferode gegen den Ausverkauf der ostdeutschen Kaliindustrie in den Hungerstreik traten, führte Bodo Ramelow die Verhandlungen um bessere Konditionen - bis zur völligen Erschöpfung, gegen den erklärten Willen der Gewerkschaften. Die Kumpel danken es ihm bis heute. Und die PDS wurde auf Ramelow aufmerksam. Seit 1999 sitzt er für sie im Thüringer Landtag, zwischendurch auch mal im Bundestag. Er hat als Wahlkampfmanager einige erfolgreiche Kampagnen geleitet.
    Die Spitzenkandidatin der SPD, Heike Taubert, sieht in Bodo Ramelow jedoch keinen Helden, schon gar keinen Western-Helden:
    "Bodo Ramelow hat sich ja in 15 Jahren Opposition ganz gut eingerichtet. Er kommt mir so vor wie ein Stubenkater, er ist zahm und ein bisschen rundlich geworden. Und jetzt hat er auch noch die Idee, dass die SPD ihn in die Staatskanzlei trägt. Und da sage ich ihnen: Das kommt mit uns nicht in die Tüte. Wir wollen die Ministerpräsidentin stellen, ich möchte das werden, natürlich."
    Selbst die CDU hat nicht viel zu kritisieren
    Das ist von der SPD, die bei den letzten Wahlen und Meinungsumfragen stabil unter 20 Prozent liegt, nicht mehr als das Pfeifen im Walde. Bodo Ramelow mit immer über 20 Prozent Wählerstimmen im Rücken sieht das gelassen:
    "Ich habe zur Kenntnis genommen, dass die Spitzenkandidatin der Sozialdemokratie mich einen Stubenkater genannt hat. Ich weiß, was sie damit meint: Wer SPD wählt und wer Grüne wählt, kauft die Katze im Sack. Wer Ramelow wählt, wählt das Original. In diesem Sinne: Lasst uns in die Hände spucken und zufassen."
    Wenn alles nach seinem Plan läuft, dann wird er im Herbst der erste linke Ministerpräsident in Deutschland - in einer Koalition mit der SPD und eventuell den Grünen. Vor fünf Jahren war das schon einmal möglich. Die Gespräche waren weit gediehen, die Linken sogar bereit, als größter Koalitionär auf den Posten des Ministerpräsidenten zu verzichten, da flüchtete sich die Sozialdemokratie in die Große Koalition mit der CDU.
    "2014 ist nicht mehr 2009! Und 2009 haben auch wir als Linke damals Fehler gemacht. Insoweit war 2009 auch geprägt von Hakeleien zwischen SPD und uns, und die Grünen, die uns sozusagen auch abgefragt haben zu SED und Vergangenheit und DDR - und dann haben die Sozialdemokraten erklärt, das sei nicht ihr Thema. Daraufhin waren die Grünen etwas irritiert. Das ist aber alles Vergangenheit."
    An der Person Ramelow findet selbst die CDU nicht viel zu kritisieren: Er kommt aus dem Westen, ist bekennender Christ und steht bislang zumindest rhetorisch für einen soliden Landeshaushalt. Die Fraktion dagegen sieht bunter aus: ehemalige Stasi-IMs, ein einstiger Offizier der DDR-Grenztruppen. Und so gibt es in der SPD wenigstens zaghaften Widerspruch: Sabine Doht hat 1989 die Sozialdemokratie in Eisenach mitgegründet und will nach 20 Jahren im Landtag nicht mehr antreten:
    "Wenn ich jetzt befürchten muss, dass die SPD mit der Linken, der direkten Nachfolgepartei der SED, koaliert, dann möchte ich mich daran nicht mehr beteiligen. Die Linke hat sicher als Front-Männer und -Frauen ein paar jüngere, unverbrauchte Leute, aber gerade in den Parteigliederungen sitzen noch viele ehemalige SED-Genossen; und bei den Jüngeren: Die sind in meinen Augen linksextrem. Dann sitzen auch noch ehemalige Stasi-Leute im Landtag - und das macht's mir nicht möglich, mit denen zu koalieren."
    Rot-rot-grüne Koalition unter linker Führung wäre eine Zerreißprobe
    Andere sind da pragmatischer - so zum Beispiel Torsten Haß, der als Kreisvorsitzende der SPD in Erfurt für die rot-rot-grüne Koalition im Erfurter Rathaus steht.
    "Ich glaub' einfach, dass die SPD sich was vergibt und dem Land was vergibt, indem man da was ausschließt. Ich glaube nicht, dass das auf Dauer hilfreich ist. Das ist auch unser Grundproblem gewesen: Wir sind eine Neugründung; insbesondere haben sich die in der SPD Thüringen versammelt, die schlechte Erfahrungen zu DDR-Zeiten gemacht haben, die natürlich persönlich Befindlichkeiten hatten; und die sind natürlich jetzt 20, 24 Jahre nach der Wende ein Stück weit von der nächsten Generation abgelöst worden. Und die, die jetzt aktiv sind, das sind Menschen, die mit der DDR keine schlechten Erfahrungen, mit der damaligen SED - gemacht haben persönlich. Die gehen da ein Stück unbefangener ran."
    Für die Grünen wäre eine rot-rot-grüne Koalition unter linker Führung eine Zerreißprobe - eine Koalition mit der CDU allerdings auch. Wenn die Grünen überhaupt wieder in den Landtag kommen.
    Bodo Ramelow aber sieht dem Wahltermin gelassen entgegen. Er geht erst mal zurück in sein Büro, den langen Gang runter. Mit der Sonne im Rücken sieht er auch nicht mehr aus wie ein Cowboy, eher wie ein Finanzbeamter, der aus der Kantine kommt.