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Tiefer Schlaf schützt Geist und Körper

Medizin. - Die Bedeutung von gutem Schlaf für unsere Gesundheit wird immer deutlicher: jetzt untersuchen Lübecker Mediziner, wie die Tiefe der Nachtruhe das Immunsystem beeinflusst.

Von Detlev Karg | 05.02.2007
    Für die Testreihe wurden Medizinstudenten im Schlaflabor der Universität Lübeck vier Elektroden, je zwei über dem Stirnhirn und hinter dem Ohr, aufgesetzt. Während der ersten Tiefschlafphase floss darüber ein schwacher, regelmäßig an- und abschwellender Strom mit einer Frequenz von nur 0,75 Hertz durch das Hirn. Am nächsten Tag konnten sie sich besser an zuvor gelernte Wortpaare erinnern als nach einem Schlaf ohne Stromzufuhr. Mit Strom erhöhte sich ihre Gedächtnisleistung um etwa 13 Prozent. Für Professor Jan Born, Leiter des Instituts für Neuroendokrinologie der Universität Lübeck, ein Hinweis auf die generelle Funktion von Schlaf:

    "Diese Studie haben wir im Grunde genommen durchgeführt, um zu zeigen, dass diese langsamen Wellen, die auch vom Gehirn selber während des Schlafes produziert werden, während des Tiefschlafes, tatsächlich eine ursächliche Funktion bei dieser Gedächtnisbildung ausüben."

    Eine Art Super-Lernen im Schlaf freilich wollen die Lübecker Schlafforscher mit ihrem Sonderforschungsbereich nicht entwickeln. Ihnen geht es erst einmal um mögliche neue Therapien für Patienten, die unter schlechtem Schlaf leiden. Jan Born:

    "Bei älteren Menschen, die weniger Tiefschlaf, weniger Delta-Schlaf haben, da können wir hergehen und mit solchen Stimulationen einfach diese langsamen Oszillationen verstärken und darüber die Gedächtnisleistung verbessern, das wird funktionieren, denke ich."

    Denn das Entscheidende ist, dass dieser äußerst schwache Strom dem entspricht, den das Hirn auch selbst produziert, wenn es denn gesund ist:

    "Und wenn ich einmal eine solche "Invasion" vergleiche mit pharmakologischen Behandlungen, um zum Beispiel besser, intensiver zu schlafen, ein Holzhammer!"

    Leichte Ströme wären damit für die Behandlung bei Altersdemenz und Insomnie, also Schlaflosigkeit, denkbar. Denn nur im tiefen Schlaf konsolidiert unser Gehirn, speichert es die tagesaktuellen Wahrnehmungen dauerhaft ab. Genau dies geschieht, wenn die Neuronen bestimmter Bereiche im Gehirn im Schlafmodus kommunizieren. Vorstellen muss man sich das laut den Lübecker Forschern wie einen Dialog: Die Hirnrinde des gesunden Hirns generiert im Schlaf die langsamen Schwingungen. Diese erreichen den Hippocampus in den Tiefen des Schläfenlappens und regen ihn an, die Erinnerungen des Tages auszuspielen an den Neokortex. Von dort sind sie als Erinnerung wieder abrufbar. So entstehen neuronale Netze, dauerhafte Verbindungen zwischen den Neuronen des Gehirns, die die physische Grundlage des Erinnerns sind. Ist der Tiefschlaf gestört, funktioniert das Ganze nicht, das Gedächtnis spielt nicht mehr so recht mit. Doch das ist nur die eine Seite der Medaille. Denn fehlender Tiefschlaf kann auch physische Defizite hervorrufen, darauf deuten weitere Studienergebnisse der Lübecker Schlafforscher hin:

    "Wir haben eben diese Studie durchgeführt, wo wir Studenten geimpft haben, morgens, gegen Hepatitis A, ein Teil der Studenten durfte die darauf folgende Nacht schlafen, der andere blieb in dieser ersten Nacht wach. Und dann haben wir vier Wochen später den Impferfolg gemessen, und da sieht man deutlich, dass alleine eine Nacht Schlafverlust nach der Impfung zu einer Halbierung dieses Antikörpertiters führt – er ist deutlich, der Effekt."

    Jan Born vermutet hinter diesem Zusammenhang die Wirkung von Hormonen, die unseren Körper steuern. Schlaf fördert die Produktion des Wachstumshormons und von Prolactin, beide sind immunfördernd. Stress und Wachsein hingegen fördern die Produktion von Cortisol, das immunhemmend wirkt. Auch der Körper hat ein Gedächtnis, das sich, je nach Tiefe des Schlafs, unter anderem in einer mehr oder weniger guten Immunabwehr ausdrückt, sagt Jan Born, etwa wenn es um die Funktionsweise einer der wichtigsten Zellgruppen geht, die uns vor Infektionen schützen, die T-Zellen:

    "Was Sie in Zuständen haben, wo Sie längerfristig wenig Tiefschlaf haben, da sieht man eben, dass diese T-Zell-vermittelten, adaptiven Immunfunktionen eher schlechter werden. Wir sind ganz am Anfang, das ist eine Spekulation, dass diese beiden Prozesse zusammenhängen – aber man kann es doch vermuten."