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Tiefseevulkan unter Überwachung

Drei Viertel aller Eruptionen ereignen sich an untermeerischen Vulkanen - zumeist unbemerkt. Nicht so beim Axial Seamount 400 Kilometer vor der US-Küste. Zufällig waren drei Forschungsschiffe zugegen, als der Tiefseevulkan ausbrach und konnten wichtige Erkenntnisse sammeln.

Von Dagmar Röhrlich | 11.06.2012
    So spektakulär die Eruption eines Vesuvs wirkt: Drei Viertel aller Eruptionen ereignen sich - meist unbemerkt - an untermeerischen Vulkanen. Einer von ihnen ist der Axial Seamount. Verborgen unter anderthalb Kilometer Wasser liegt er 400 Kilometer vor der Küste Oregons. Axial Seamount ist Teil eines mittelozeanischen Rückens, an dem die Plattentektonik zwei Erdkrustenplatten auseinander zieht, wobei neuer Ozeanboden entsteht. Deshalb wird das Gebiet seit Langem untersucht:

    "Die ersten Studien in diesem Gebiet liefen in den frühen 1980er-Jahren. 1990 wurde es Standort eines untermeerischen Vulkanobservatoriums. Wir haben eine Vielzahl an Instrumenten ausgesetzt, deren Daten wir immer wieder einsammeln. Die Langzeitbeobachtung zahlte sich aus: 1998 und 2011 brach der Vulkan aus und dazwischen haben wir einen kompletten vulkanischen Zyklus beobachtet."
    Erklärt Bill Chadwick von der Oregon State University. So maßen die Wissenschaftler die Veränderungen am Meeresboden:

    "Nachdem sich der Meeresboden am Axial-Seamount durch die Eruption 1998 um mehr als drei Meter abgesenkt hatte, füllte sich die Magmakammer in anderthalb bis zwei Kilometern Tiefe erneut. Der Boden blähte sich wie ein Ballon auf: mit 15 Zentimetern jährlich. In den fünf Monaten vor dem Ausbruch 2011 verdreifachte sich diese Rate, wir wussten also, dass etwas bevorstand - und kurz vor der Eruption hob sich der Boden in 40 Minuten um sieben Zentimeter. Da war das Magma auf dem Weg an die Oberfläche ..."

    Und zwar im Schritttempo, was sehr schnell ist angesichts der Tatsache, dass das Magma dabei die Gesteine auseinander bricht. Bob Dziak von der Oregon State University:

    "In den Jahren vor dem Ausbruch, als sich das Magma in der Kammer ansammelte, hatte es kleine Erdbeben gegeben, pro Jahr ein paar hundert. Rund zweieinhalb Stunden vor der Eruption im vergangenen Jahr schoss das Magma dann von Tausenden Erdbeben begleitet, nach oben. Diesen Mechanismus kennen wir von Land, aber hier konnten wir ihn erstmals an einem submarinen Vulkan beobachten."
    Die Lava verteilte sich weitflächig: In der Nähe der Ausbruchsspalten ist sie nur 40 oder 50 Zentimeter dick, zu den Rändern des Ausbruchs hin, wo der Fluss zu stagnieren beginnt, bis zu 15 Metern. Dave Caress vom MBARI, dem Monterey Bay Aquarium Research Institute:

    "Bei einem Vulkanausbruch kann die Lava über neue oder alte Brüche aufsteigen, aber letzteres wäre schon überraschend."
    Denn an Land nutzt die Lava immer neue Brüche, weil das erstarrende Gestein die alten verstopft. Am Axial Seamount ist das jedoch anders, erklärt Dave Craig vom MBARI:

    "Dort floss die Lava über alte Brüche. Diese Brüche sind bis zu sieben Meter breit, weil die Plattentektonik die Meereskrustenplatten auseinander zieht. Wir sind daraufhin unsere alten Daten erneut durchgegangen und stellten fest, dass die Lava seit drei Eruptionen alte Aufstiegswege nutzt und sich anschließend auch an der Oberfläche über dieselben Fließkanäle verbreitet."
    Damit wirke das Resultat wie eine einziger Eruption, was wiederum bedeute, dass dieser Vulkan viel häufiger ausbreche als gedacht:

    "Aufgrund der Kartierungsdaten hatte ich abgeschätzt, dass der Vulkan in den vergangenen 1000 Jahren etwa alle 25 bis 40 Jahre aktiv war. Aber das, was uns als ein einzelner Lavafluss erscheint, sind in Wirklichkeit zwei oder drei unterschiedliche. Das bedeutet, dass wir jetzt mit den 13-jährigen Abstand zwischen den Eruptionen einen recht typischen Zyklus erlebt haben."
    Demnach müsste Axial Seamount bereits zwischen 2018 und 2024 erneut ausbrechen. Dann hoffen die Ozeanografen den Seeberg noch besser überwachen zu können: Bis dahin soll nämlich das untermeerische Labor per Kabel mit dem Festland verbunden sein - für eine Online-Überwachung wie bei Vulkanen an Land.


    Das Pulsieren in der Tiefe
    Geburt und Tod eines unterseeischen Vulkans