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Tiere, Tiere - ihr müsst wandern

Traditionell werden Trockengebiete und Wüsten von umherziehenden Hirtenvölkern genutzt. Aber immer häufiger versuchen Staaten, die Nomaden sesshaft zu machen. Das allerdings hat Folgen für die Trockengebiete, wie sich im chinesisch-mongolischen Grenzgebiet zeigt.

Von Yvonne Mabille | 06.06.2006
    "Die Mongolei ist ja sehr dünn besiedelt, und diese großen Flächen lassen sich eben nur durch mobile Tierhaltung ausnutzen. Wenn man die Tiere auf einem Fleck hält, dann würde es sehr schnell dazu kommen, dass die Weiden zerstört werden. Die Tiere müssen also immer irgendwie in Bewegung bleiben."

    Ilse Köhler-Rollefson, Tierärztin und Kamelforscherin, ist gerade von einer Reise in die mongolische Provinz Bayankhongor in der Wüste Gobi zurückgekehrt. Offene Türen habe sie eingerannt, sagt Köhler-Rollefson. Denn Politiker, Beamte und Tierhalter der Provinz wollen die nicht sesshafte Viehhaltung voranbringen, gerade auch mit Kamelen.

    Die Wüste Gobi besteht nur zu einem kleinen Teil aus Sanddünen. Halbwüste und weite Steppen überwiegen. Die Weiderouten der Viehhalter wurden zu Zeiten der Sowjetunion zentral festgelegt. Nach deren Zusammenbruch haben sich die Pastoralisten - wie sie in der Fachsprache heißen - in lokalen Gemeinschaften neu organisiert. Welche Kamelprodukte lassen sich am besten vermarkten, wollten sie von der Kamelforscherin wissen.

    "Gerade mit dem zweihöckrigen Kamel gibt es unheimlich viele Möglichkeiten. Noch mehr als mit dem einhöckrigen, weil die zweihöckrigen Kamele diese wunderbare lange Wolle haben, die sich sehr gut verarbeiten lässt. Dann haben sie Milchprodukte, von denen es auch in der Mongolei traditionell eine Riesenauswahl gibt. Das reicht also von Butter und verschiedenen Sauermilchprodukten bis hin zu Wodka, der aus der fermentierten Milch in der Yourte selber destilliert wird und sehr lecker schmeckt."

    Das Einsammeln der Milch ist nicht ganz einfach, denn die Kamelherden sind über riesige Flächen verteilt, aber es ist machbar. Köhler-Rollefson, die die "Liga für Hirtenvölker" mitbegründet hat, nennt ein afrikanisches Beispiel. So liefern die Kamelhalter in Nordkenia ihre Milch auf den Markt nach Nairobi.

    Die mobile Tierhaltung hat bei vielen Wissenschaftlern und Entwicklungspolitikern bis heute den Ruf, unproduktiv und überholt zu sein. Auch die Chinesen setzen auf Sesshaftigkeit, obwohl sehr ähnliche ökologische Bedingungen herrschen - jenseits der Grenze von Bayankhongor

    "Also, der Ansatz, der in der Mongolei praktiziert wird, ist grundsätzlich anders als der in der inneren Mongolei, die zu China gehört. In China wird hauptsächlich auf sesshafte Tierhaltung gesetzt und zum Teil auch noch mit importierten genetischen Ressourcen, mit schwarz-weißen Kühen. Für die wird dann der Boden umgepflügt, um Grünfutter anzubauen. Das ist natürlich ganz schädlich für die Pflanzendecke, das fördert die Erosion."

    Eine groß angelegte Studie der Cambridge Universität hat die verschiedenen Landnutzungsmethoden in mehreren Ländern in Innerasien - darunter China, die Mongolei, und Russland - verglichen.

    "Die können anhand von Satellitenfotos genau zeigen, dass die mobile Tierhaltung kaum Veränderungen hervorruft. Während bei der sesshaften Tierhaltung, da sieht man das wirklich, wie der Boden aufgewühlt worden ist und erodiert."

    Wenn dann noch staatlich subventionierte Brunnenbohrungen und billiger Diesel dazukommen, wie zum Beispiel im indischen Rajasthan, ist die Katastrophe vorprogrammiert. Binnen weniger Jahre sinkt der Grundwasserspiegel, bis die versalzenen nackten Böden nichts mehr hergeben. Andernorts werden dann neue Brunnen gebohrt.

    Mit umherziehenden Herden lassen sich die Trockengebiete, die mehr als 40 Prozent der Landfläche der Erde bedecken, hingegen langfristig wirtschaftlich nutzen. Auch die UN-Umwelt- und Entwicklungsorganisationen werben inzwischen dafür, den Hirtenvölkern die alten Weiderechte zu garantieren. Denn in diesen Trockengebieten lebt immerhin ein Drittel der Weltbevölkerung.