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Tierethik
Hund im Himmel

Wer ein Haustier hat, zweifelt nicht daran: Tiere haben eine Seele, sie zeigen Empathie und Zuneigung. Nun kümmert sich auch die Theologie um die Frage: Sind Hund, Katze und Co. erlösungsbedürftig? Erwartet sie ein Leben nach dem Tod?

Von Michael Hollenbach | 21.11.2017
    Tierisches Seelenheil: Dieser spanische Priester segnet am Jahrestag des Heiligen Antonius auch Hunde und Katzen.
    Tierisches Seelenheil: Dieser spanische Priester segnet am Jahrestag des Heiligen Antonius auch Hunde und Katzen. (imago stock&people)
    Die Hundebesitzerin Ulrike Bloch ist überzeugt: ihre Rüden Fino und Noki haben eine Seele.
    "Diese Erfahrung mache ich im Zusammenleben mit meinen beiden. Für mich äußert sich das in einer sehr hohen Sensibilität mir gegenüber, aber auch anderen Menschen gegenüber."
    So würden Fino und Noki auch so etwas wie Empathie empfinden:
    "Wenn es mir mal nicht so gut geht, dann sind meine beiden da. Die spüren das sehr deutlich. Der eine rechts, der andere links. Und dann wird auf Frauchen aufgepasst."
    Die christliche Theologie war allerdings jahrhundertelang geprägt von Thomas von Aquin und Descartes, die lehrten, dass die Existenz einer Seele eng verbunden sei mit der Vernunft. Peter Kunzmann ist Theologe und Professor für Tierethik an der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Kunzmann:
    "Was man ihnen abgesprochen hat, ist eine aktive erkennende Seele, und aus der Lehre, dass man ihnen das abgesprochen hat, wurde dann gern in katholischen Kreisen eine Lehre davon, dass Tiere angeblich keine Seele hätten. Sie haben keine Geistseele, aber das ist was anderes."
    Tierhimmel und Tierhölle
    Und selbst wenn man den Seelenbegriff mit Vernunft verbindet, schließt das die Tiere nicht zwangsläufig aus, meint Kurt Remele. Er ist Professor für Ethik und christliche Gesellschaftslehre in Graz. Er sagt:
    "Wenn es die Vernunft ist, dann wissen wir heute aus der modernen Verhaltensforschung, dass auch manche Tiere rationales Denken zu Tage legen, dass sie schlussfolgern, dass sie Werkzeuge bauen. "
    So hätten beispielsweise Schimpansen ein besseres Kurzzeitgedächtnis als Menschen. Und wenn es um theologische Fragen nach dem Jenseits geht, dann verweist Remele auf den Begriff der Schöpfung Gottes.
    "Wenn es eine Vollendung gibt für den Menschen, dann - und das hat Franziskus auch in seiner Enzyklika geschrieben -, dann nehmen auch die Tiere daran teil. Insofern kann man es so sagen: Tiere kommen in den Himmel."
    Allerdings wundert sich der katholische Tierethiker Peter Kunzmann etwas über die Jenseitsgewissheit mancher Tierliebhaber:
    "Das Erstaunliche ist ja, das Menschen heute sicher sind, dass Tiere in den Himmel kommen, das aber für ihre Großmutter so nicht unterschreiben würden. Das macht für mich schon einen skurrilen Effekt aus, dass man Tiere so gut hält, dass sie in den Himmel kommen, und vor allem wenn sie in den Himmel kommen, dann - naiv gesagt - müsste es auch Tiere geben, die in die Hölle kommen."
    Moral ohne Prinzipien?
    Wenn Tiere eine Seele haben, wenn es auch für sie ein Leben nach dem Tod gibt - haben Tiere dann auch eine Moral? In einem bestimmten Sinn schon, sagt der Grazer Kurt Remele:
    "Die Tiere halten sich an gewisse Regeln. Zum Beispiel, wenn sie miteinander spielen, wissen sie, dass sie sich nicht beißen dürfen und keinen Sexualakt initiieren dürfen, und wenn einer das dennoch macht, dann entschuldigt er sich nachher bei den anderen."
    Ob man bei Tieren von einem moralischen Verhalten sprechen kann, hängt für den hannoverschen Tierethiker Peter Kunzmann allerdings davon ab, was man unter Moral versteht:
    "Moralanaloges Verhalten gibt es. Sozial lebende Tiere haben so etwas wie Moral, in dem sie Regeln befolgen, die einzuhalten wichtig sind für den konfliktfreien Zusammenhalt der Gruppe. Moral in dem Sinne, weil ich aus ethischen Gründen einsehe, dass eine bestimmte Handlung ein Prinzip verletzt, dem ich eigentlich zustimmen würde, das wäre eine ethische Begründing von Moral, und das - mit Verlaub - traue ich Tieren nicht zu."
    Umdenken in der Tierethik
    Insgesamt ist in beiden Konfessionen ein Prozess des Umdenkens zu beobachten. Lange Zeit war sowohl bei Protestanten als auch bei Katholiken die Meinung vorherrschend: Tiere haben keine Seele; für sie gelte nicht die Ebenbildlichkeit Gottes.
    "Das ist vollkommen veraltet und nicht auf dem Niveau heutiger Theologie und heutiger Tierethik."
    Sagt Kurt Remele und führt als Kronzeugen Papst Franziskus an, der in seiner Enzyklika Laudato Si' einen neuen theologischen Blick auf die Tierwelt richtet:
    "Tiere haben einen Eigenwert, sie sind nicht nur dafür da, dass sie bei uns auf dem Teller landen, sie haben einen Eigenwert, es gibt eine starke Interdependenz zwischen Mensch und Tier, wir gehören zu einer Familie."
    Ralf Meister ist evangelischer Bischof der hannoverschen Landeskirche und selbst Hundebesitzer eines Terriers. Auch für ihn ist die Theologie bislang zu sehr auf den Menschen ausgerichtet:
    "Wir führen da die Sonderheit des Menschen weiter und verzichten darauf, den Tieren, die Gott auch geschaffen hat, von denen wir wissen, dass sie leiden können, dass sie Angst haben, dass wir denen diesen Erlösungsgedanken nicht zumuten wollen, dass wir sie da raus nehmen. Es ist eine theologische Frage, und an dieser theologischen Frage müssen wir noch mal neu ansetzen."
    Hat eine neue theologische Sicht auf Tiere auch ethische Konsequenzen? Ja, sagt der Vegetarier Kurt Remele:
    "Ich würde sagen: In einer Gesellschaft wie der unsrigen, wo ich mich gesund und abwechslungsreich ernähren kann, ohne dass dafür Tiere getötet werden, scheint mir das ethisch die vorzugswürdigere Haltung zu sein. Alles in allem ist die vegetarische Lebensweise eine bessere als eine, die Fleisch konsumiert."