Tiergerechte LandwirtschaftNoch ein weiter Weg
Die Bedingungen in deutschen Ställen sollen besser werden - dafür schlägt eine Studie der Bundesregierung eine höhere Mehrwertsteuer auf Fleisch vor. Der Umbau der Ställe selbst ist dann aber noch eine Sache von Jahrzehnten, kommentiert Georg Ehring. Wem das zu lange dauert, kann auch einfach auf Fleisch verzichten.
Hören Sie unsere Beiträge in der Dlf Audiothek- Eine spezielle Abgabe für mehr Tierwohl in deutschen Ställen plant die Landwirtschaftsministerin schon länger. Zur Finanzierung empfehlen Berater Julia Klöckner jetzt eine höhere Mehrwertsteuer auf Fleisch. (picture alliance / blickwinkel/J. S. Peifer | J. S. Peifer)
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Die Landwirtschaft in Deutschland hat ein Imageproblem und das hat viel mit der Tierhaltung zu tun. Immer wieder gibt es schockierende Bilder aus einzelnen Ställen: Sie zeigen drangvolle Enge ohne die Möglichkeit zur artgerechten Beschäftigung und oft genug verletzte und tote Schweine oder Hühner. Wenn deren Besitzer dann darauf verweisen, nichts Illegales zu tun, dann macht das die Sache nicht besser.
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Der Gesetzgeber war bisher ziemlich zögerlich, für bessere Standards zu sorgen. Lange Übergangsfristen etwa bei der Abschaffung des Kastenstandes für Sauen sorgen dafür, dass die Verhältnisse sich nur langsam ändern. Kein Wunder, dass Viele sich abwenden und kein Fleisch mehr essen wollen. In Umfragen, warum sich Menschen vegetarisch oder vegan ernähren, steht der Tierschutz ganz oben.
Ein Lichtblick
Die heute erklärte Absicht von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner, für den tiergerechten Umbau von Ställen Geld in die Hand zu nehmen, ist da ein Lichtblick. Die Ministerin hat prüfen lassen, ob der Vorschlag einer Kommission unter Vorsitz des ehemaligen Ministers Jochen Borchert für eine Tierwohl-Abgabe rechtlich haltbar ist – und das Ergebnis ist positiv.
Am einfachsten wäre eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Fleisch und Milchprodukte auf 19 Prozent, um daraus den Umbau von Ställen zu fördern. Diese Lösung ist anders als die ebenfalls diskutierte Sonderabgabe für das Tierwohl ohne zusätzliche Bürokratie zu haben. Sozialverträglich ließe sie sich umsetzen, wenn untere Einkommensgruppen anderswo entlastet würden.
Der Umweg über Steuerzahler und Staatskasse muss sein, denn allein über striktere Auflagen lässt sich das Problem nicht lösen: Ein wachsender Teil des hier zu Lande produzierten Fleisches geht in den Export und auf dem Weltmarkt entscheidet der Preis. Zusätzliche Kosten für tiergerechte Ställe können da rasch das Aus bedeuten.
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Termin nicht zufällig gewählt
Die Ministerin erfreut mit ihrem Auftritt heute gleich zwei sonst sehr unterschiedliche Wählergruppen, deren Stimmen wichtig für die Union sind: Die Landwirtinnen und Landwirte, die in den vergangenen Jahren vielfach auf Distanz gegangen waren und viele Verbraucherinnen und Verbraucher, denen der Tierschutz wichtig ist und die oft eher den Grünen zuneigen. Der Termin für ihren Auftritt knapp zwei Wochen vor der Wahl in Klöckners Stammland Rheinland-Pfalz war vermutlich nicht zufällig gewählt.
Bis zur Umsetzung des Vorhabens ist es freilich noch ein weiter Weg. Vor der Bundestagswahl kann allenfalls ein Grundsatzbeschluss fallen. Der Umbau der Ställe selbst ist dann Sache von Jahrzehnten. Wem das zu lang ist, kann auf Fleisch verzichten oder beim Metzger und im Supermarkt nachhelfen: Durch Kauf von Fleisch, das mit einem Tierwohl-Label bessere Standards bescheinigt.
Georg Ehring (Deutschlandradio / Bettina Fürst-Fastré)Georg Ehring, Jahrgang 1959, hat in Dortmund Journalistik und Politikwissenschaften studiert, später an der Fernuniversität Hagen Volkswirtschaft. Er arbeitet beim Deutschlandfunk als Redaktionsleiter Wirtschaft und Umwelt. Berufliche Stationen zuvor waren die zentrale Wirtschaftsredaktion der Nachrichtenagentur Reuters in Bonn und zuvor in den 1980er Jahren freiberufliche Tätigkeit überwiegend für den WDR in Dortmund.