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Tierische Himmelsgucker

Sogenannte Pillendreher sind Mistkäfer, die sich in Südafrika am Sternenhimmel orientieren. Das haben Zoologen von der Universität Lund in Versuchen herausgefunden, bei denen sie den Krabbeltieren kleine Sichtblenden aufsetzten.

Von Michael Stang | 16.09.2013
    "Mit Mistkäfern meint man in Deutschland eigentlich ganz spezifisch die Arten, die es in Europa gibt. Die Skarabäen von Südafrika werden oft auch als Pillendreher bezeichnet, weil sie eben einen Ball aus dem Dung drehen und ihn dann wegrollen",

    sagt Jochen Smolka. Der Zoologe von der Universität Lund ist regelmäßig in Südafrika, um die eigenwilligen Insekten zu studieren. Haben sich die Käfer eine Kugel aus Dung geformt, klettern sie zunächst auf sie. Dort drehen sie sich einmal um die eigene Achse, um sich ein Bild von der Umgebung zu machen und die Richtung zu bestimmen, in die sie gehen wollen. Dann rollen die Käfer die Kugel in direkter Linie mit den Hinterbeinen vom Dunghaufen weg. Denn das Gedränge ist groß. Auf einem Dunghaufen, den ein Elefant hinterlassen hat, können sich bis zu 7000 dieser Käfer tummeln.

    "Alles, was die Käfer wollen, ist, so schnell wie möglich von diesem Misthaufen wegzukommen, weil da andere Käfer versuchen, ihren Ball zu stehlen, versuchen, mit ihnen zu kämpfen. Und deswegen rollen die Tiere in einer geraden Linie von dem Misthaufen weg und dafür benutzen sie Kompassinformationen, die sie vom Himmel bekommen. Es sieht für uns so aus, als würden alle Mistkäfer sich wirklich nur den Himmel ansehen und keine Landmarken zum Beispiel, um sich zu orientieren."

    Die Käfer zeigen ein sehr einfaches Orientierungsverhalten. Das hatten Jochen Smolka und seine Kollegen herausgefunden, nachdem sie den Tieren kleine Sichtblenden auf den Kopf gesetzt hatten. Die Käfer konnten nur noch nach vorne und zu den Seiten sehen, den Himmel aber nicht mehr. Alle derart sichtbehinderten Tiere waren komplett desorientiert. Um herauszufinden, wie sich die Mistkäfer nachts orientieren, haben die Biologen zwei Arten miteinander verglichen, eine nachtaktive Spezies und eine tagaktive.

    "Wir konnten tagaktive Tiere mitten in der Nacht aufwecken und schauen, wie die es noch schaffen, sich zum Mond zu orientieren und das über den Monat hinweg."

    Die Forscher wollten zunächst sehen, welche Reize die tagaktiven Versuchskäfer mit ihren kleinen und unspezialisierten Augen auch nachts noch wahrnehmen und wie sie sich orientieren.

    "Das ist den Tieren auch noch sehr gut gelungen bei Vollmond, bei Halbmond, selbst beim kleinsten Mond konnten sich die tagaktiven Tiere noch perfekt orientieren. Erst wenn wir den Mond dann abgeschattet haben und die Tiere nur noch den Rest des Himmels zur Verfügung hatten, dann gab es Probleme."


    Die nachtaktiven Skarabäen hatten hingegen keine Probleme, sich auch bei Neumond zu orientieren. Sie rollten stets den Dungball in direkter Linie ihres Weges.

    "Die nachtaktiven Tiere können das Polarisationsmuster sehen, das von reflektiertem oder gestreutem Licht des Mondes am Himmel zu sehen ist. Das ist ein Muster, das wir nicht sehen können, viele Insekten aber zur Orientierung benutzen. Und die nachtaktiven Tiere können das auch noch, wenn gar kein Mond mehr da ist und sie nur noch die Sterne beziehungsweise die Milchstraße zur Verfügung haben."

    Die Augen der nachtaktiven Tiere sind doppelt so groß wie die der tagaktiven Vertreter, zudem haben sie viel mehr Facetten und die Fotorezeptoren in den Augen sind spezialisiert, extrem dick und lang, um besonders viel Licht aufzunehmen. Sie verfügen auch über ein Tapetum am Ende des Auges, das das Licht reflektiert, genauso wie man das von Katzen kennt. Außerdem ist bei den nachtaktiven Käfern der Bereich des Auges, der spezialisiert ist, um polarisiertes Licht wahrzunehmen, extrem viel größer; er nimmt ungefähr die Hälfte des Auges ein. Damit nehmen die Mistkäfer auch winzige Lichtquellen wahr, so Jochen Smolka.

    "Sie benutzen das breite Band der Milchstraße als eine verteilte Lichtquelle, die ihnen nur eine Richtung anzeigt. Und wir denken, dass die Tiere eigentlich mit jeder Lichtquelle arbeiten könnten, die am Himmel irgendwie asymmetrisch ist, dass sie sich also unter allen Umständen damit fortbewegen können, ob das eine künstliche Lichtquelle ist, ob das eine natürliche Lichtquelle ist und unsere afrikanischen Tiere haben zum Beispiel auch keine Probleme, sich in Schweden zu orientieren."