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Tierschützer trommeln gegen Tierversuche

Laut dem werden hierzulande in den Labors jedes Jahr mehr als zweieinhalb Millionen Kaninchen, Katzen und Affen für Versuche eingesetzt. Die Organisation prangert die Missstände in einer Aktion an. Anlass ist die EU-Tierversuchsrichtlinie, die derzeit überarbeitet wird.

Von Anja Nehls | 19.04.2010
    Ein gefleckter Beagle, eine Katze, kuschelige Kaninchen, Mäuse und ein unglücklich dreinschauender kleiner Affe, entsorgt in einem großen Müllsack – nur einige von jährlich 2,6 Millionen Tieren, die in Tierversuchen der Wissenschaft dienen und letztlich auf dem Müll landen.
    Die Tiere im Müllsack sind das Motiv der neuen Kampagne des Deutschen Tierschutzbundes gegen Tierversuche: "Entwürdigt. Entstellt. Entsorgt – Tiere in Versuchen." Heute Mittag am Reichstag in Berlin fällt der Startschuss, bis kommenden Sonnabend, dem internationalen Tag des Versuchstieres sollen die Plakate verteilt werden.

    Einer der aktuellen Anlässe ist die Überarbeitung der EU-Tierversuchsrichtlinie, die noch Mitte dieses Jahres vom EU-Parlament verabschiedet werden soll. Dem Tierschutzbund geht diese Richtlinie nicht weit genug. Gegenüber der alten 22 Jahre alten Richtlinie sind kaum Fortschritte zu erkennen, so Marius Tünte vom Deutschen Tierschutzbund:

    "Also das ist aus unserer Sicht ein ganz kleiner und schwacher Kompromiss, es ist besser als gar keine Richtlinie zu haben, aber insgesamt ist das Papier nicht ausreichend. Speziell für den Bereich Menschenaffen: Da ist immer noch zuviel Freiheit für Forscher oder vermeintliche Forscher da, Grundlagen zu legen mit entsprechenden Versuche an Primaten, und das ist sicherlich ein großer Kritikpunkt. Wir würden uns wünschen, dass Deutschland eine Vorreiterrolle übernimmt. Durch das neue Eins-zu-eins-Recht soll aber den nationalen Staaten untersagt werden, strengere Richtlinien zu schaffen, als in der EU vorgesehen, und das ist schlecht und aus unserer Sicht einfach nicht nachzuvollziehen."

    Federführend bei der Erarbeitung der neuen Richtlinie ist in Deutschland das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Aufgehetzt – so der Tierschutzbund – wurde es aber von der Bundesforschungsministerin Anette Schavan, die sich gegen eine Einschränkung von Tierversuchen wende.

    "Frau Schavan stellt sich immer mehr als Lobbyistin der Forschung heraus. Sie erkennt zum Beispiel im Ministerium den Sonderstatus von Primaten nicht an. Und das ist eigentlich schon längst wissenschaftlich belegt, weil Affen einfach eine besondere Leidenfähigkeit haben, und da ist das Ministerium sehr locker und verteilt quasi Persilscheine für Tierversuche."

    Das Bundesforschungsministerium fürchtet dagegen um den Forschungsstandort Deutschland und verweist auf über 100 Millionen Euro Investitionen, die für die Förderung von Ersatzmaßnahmen für Tierversuche ausgegeben wurden.

    Hauptsächlich Rhesusaffen und Makaken werden in Deutschland in Tierversuchen verwendet. Vorreiter dabei ist die Universität Bremen. Seit 2008 schon wird dort Grundlagenforschung mit Menschenaffen betrieben. Welchem Zweck die Experimente dienen und ob man die wissenschaftlichen Erkenntnisse auch auf anderem Weg bekommen könnte, ist dabei aber nicht klar, kritisiert der Tierschutzbund. Experimente mit Primaten sind besonders grausam, sagt Marius Tünte.

    "Gerade weil die Primaten leidensfähig sind, extrem leidenfähig, ist es für sie noch mal besonders schlimm, wenn sie in Gefangenschaft gehalten werden oder wenn sie dressiert werden, um bestimmte Ergebnisse zu liefern und konditioniert werden. Also die Tiere bekommen Elektroden und es werden Hirnströme gemessen zum Beispiel, und die Tiere werden konditioniert unter Schmerzen und Strafen, und es kann einfach nicht weitergehen."

    Noch in dieser Woche wird in Bremen ein Gerichtsverfahren eröffnet, das die Rechtmäßigkeit der Verwendung von Menschenaffen in Versuchen klären soll. Bis dahin will der Deutsche Tierschutzbund die Öffentlichkeit für das Thema sensibilisieren. Am Reichstag in Berlin mit einem kleinen Theaterstück, in dem eine als Annette Schavan verkleidete Darstellerin Affen, Hunde, Kaninchen, Katzen und Mäuse – selbstverständlich aus Plüsch - in große Säcke in den Müll entsorgt.