Dienstag, 16. April 2024

Archiv

Tierschutz
Weiter Streit um das Klagerecht für Verbände

Immer mehr Menschen sind damit unzufrieden, wie Hühner, Puten oder Schweine in großen Beständen gehalten werden. Immer wieder decken Organisationen auch Verletzungen des Tierschutzgesetzes auf - geklagt wird dagegen jedoch selten. Ein Grund ist, dass es noch nicht in allen Bundesländern möglich ist.

Von Annette Eversberg | 01.03.2016
    Massentierhaltung in einer Putenfarm in Nordhessen, Deutschland. Unzählige Puten auf engstem Raum quetschen sich hinter einen Zaun und schauen in die selbe Richtung.
    Massentierhaltung 2003 in einer Putenfarm in Nordhessen. (imago / blickwinkel)
    Erst sieben von 16 Bundesländern haben das Verbandsklagerecht Tierschutz eingeführt. Niedersachsen wird in Kürze das achte Bundesland sein. Im bayerischen Landtag wurde dagegen bereits zum 5. Mal der Gesetzentwurf von SPD und Bündnis 90/Die Grünen von der CSU und den Freien Wählern abgelehnt. Denn dafür gebe es derzeit keinen Bedarf, sagt der CSU-Abgeordnete Josef Zellmeier: "Der Tierschutz ist für uns sehr wichtig. Deshalb haben wir auch schon 1998 den Tierschutz in die Bayerische Verfassung aufgenommen. Allerdings wollen wir allen Neuerungen auch den Mehrwert sehen. Hier kommt es auf den konkreten Einzelfall an, und da bringt uns ein Verbandsklagerecht nicht weiter."
    Das Staatsziel Tierschutz ist sogar seit 2002 im Grundgesetz Artikel 20a verankert. Trotzdem sieht Evelyn Ofensberger, Juristin beim Deutschen Tierschutzbund, nicht nur in Bayern, sondern generell ein Vollzugsdefizit, das ein Verbandsklagerecht ausgleichen kann. "Wenn der Gesetzgeber den Tierschutz schon mit Verfassungsrang erhebt, dann muss man auch die Möglichkeit haben, die Beeinträchtigung von Tierwohl auch entsprechend gerichtlich überprüfen zu lassen."
    Klagen kosten viel Geld
    Behördenentscheidungen zum Tierschutz sind noch uneinheitlich. Aber daran fehle es auf jeden Fall in Bayern, meint die SPD-Landtagsabgeordnete Susann Biedefeld und widerspricht damit ihrem CSU-Kollegen Josef Zellmeier. "Wenn ich mir so die Behörden anschaue, Veterinärämter anschaue, die Entscheidungen, wenn es um Schutz geht, Leid und Qual von Tieren abzuwehren, dann ist das sehr unterschiedlich. Es gibt auch keine klaren Richtlinien, man kann den Entscheidungen auch nicht habhaft werden, deshalb bräuchten wir dringend die Klage."
    Obwohl das Tierschutzgesetz in Deutschland als sehr streng gilt, wurde es anders als andere Gesetze noch kaum überprüft, ob alle darin enthaltenden Regelungen überhaupt stimmig sind. Die Befürchtung, dass nun eine Klageflut auf die Tierschutzbehörden zurolle, hat sich seit dem ersten Verbandsklagerecht in Bremen 2007 nicht bestätigt, betont auch Dr. Edmund Haferbeck von der Tierschutzorganisation Peta. "Sie müssen ja eines berücksichtigen. Diese Klagen kosten Geld und die Verbände sind gemeinnützige Organisationen, die stehen unter genauer Beobachtung ihrer Finanzämter. Und diese Kosten müssen erst mal da sein. Und da überlegt man sich sehr, sehr genau, ob man vor Gericht zieht oder nicht."
    Der Deutsche Tierschutzbund sieht den Vorteil vor allem darin, im Vorfeld von Verwaltungsentscheidungen beteiligt zu werden. Evelyn Ofensberger will keine Behördenentscheidungen um jeden Preis blockieren. "Wir sehen ja, in Nordrhein-Westfalen, da haben wir ja schon die Anerkennung, wenn wir diese Bauanträge bekommen, dann müssen wir in allen Fällen hinterfragen, welche Art von Tierrassen sollen aufgestellt werden, welche Stallgrößen – das sind Detailfragen die wir immer wieder rückfragen müssen, weil wir sehen, das ist in den Anträgen nicht vorhanden. Wir brauchen diese einzelnen Informationen, um abprüfen zu können, sind die rechtlichen Vorgaben erfüllt."
    Bewusstseinswandel auch bei der Staatsanwaltschaft
    Die Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutzrecht sieht im Verbandsklagerecht aber die Möglichkeit, dass Tierärzte künftig bei tierschutzgerechten Entscheidungen gestärkt werden. Zum Beispiel wenn sie eine Genehmigung für das Schnäbelkürzen von Legehennen verweigern. Dr. Harri Schmitt von der Tierärztekammer Westfalen-Lippe verlangt dagegen weitere Gesetze, weil er durch das Recht auf Mitwirkung und Information anerkannter Tierschutzorganisationen eine Mehrarbeit für die Behörden befürchtet. Das Verbandsklagerecht bleibt also umstritten. Trotzdem hat es schon seine Spuren hinterlassen. So sagt Josef Zellmeier von der CSU im Bayrischen Landtag: "Sollte sich mal eine neue Situation ergeben, dass der Tierschutz sträflich missachtet würde in Bayern, dann kann man über alles wieder reden."
    In dem aktuellen Fall einer Strafanzeige gegen einen Geflügelbrüter im Münsterland wegen der Tötung der männlichen Eintagsküken zeigt sich, dass die Diskussion um die rechtliche Absicherung des Tierschutzes nun auch bis in die Justiz hinein wirkt. Edmund Haferbeck: "Das Problem Tierrechte, in allen seinen Facetten, ist auf dem Boulevard angekommen. Deswegen ist der Bewusstseinswandel natürlich auch dahingehend auszulegen, dass eine Staatsanwaltschaft mittlerweile tatsächlich bereit ist, eine solche Unmöglichkeit, die Tötung der Eintagsküken, tatsächlich strafrechtlich anzuklagen, zumal es sich um eine Praxis handelt, die seit Jahrzehnten von den Behörden unbeanstandet durchgeführt wird."