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Tierwohlsiegel
Christian Schmidt: "Ich will Trendsetter sein"

Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt will zur Eröffnung der Grünen Woche sein Tierwohlsiegel vorstellen. Nur ein staatliches Label könne die Verbraucher objektiv und verlässlich über die Bedingungen der Haltung informieren, sagte der CSU-Politiker im DLF. Auf eine verbindliche europäische Regelung habe er nicht warten wollen.

Christian Schmidt im Gespräch mit Christiane Kaess | 19.01.2017
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    Damit wies Schmidt Forderungen nach einer Gesetzesänderung für mehr Tierwohl zurück. Diese sei nur auf europäischer Ebene machbar und würde Jahre dauern. Er wolle mit dem neuen Siegel Trendsetter sein, betonte Schmidt.
    Zugleich versprach er, dass das Schreddern männlicher Küken schon bald verboten wird. Er habe mit mehreren Millionen Euro die Entwicklung einer technischen Möglichkeit gefördert, die diese Praxis unnötig mache. Das Schreddern werde verboten, wenn die nötigen Geräte verfügbar seien. Das sei nur noch ein kurzer Zeitraum.

    Das Interview in voller Länge:
    Christiane Kaess: Begleitet von Debatten über mehr Tierschutz wird heute in Berlin die Agrarmesse "Grüne Woche" eröffnet. Bundesagrarminister Christian Schmidt von der CSU gibt am Abend den Startschuss zu der zehntägigen Schau der Landwirtschaft, Ernährungsindustrie und des Gartenbaus. Bis zum 29. Januar werden 400.000 Besucher erwartet. Heute steht das Siegel für Tierwohl in der Diskussion, das Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt dort vorstellt.
    Mitgehört hat der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Christian Schmidt von der CSU. Guten Morgen, Herr Schmidt.
    Christian Schmidt: Guten Morgen, Frau Kaess.
    Kaess: Ihre Kritiker sagen, Sie setzten weiter auf eine industrielle umweltschädliche Agrarindustrie, obwohl man längst auf nachhaltige Alternativen umschwenken müsste. Ist das Tierwohl-Siegel jetzt der Versuch, diesem Eindruck entgegenzuwirken?
    Schmidt: Nein. Das ist eine konsequente Fortsetzung dessen, was ich seit Jahren anstrebe. Das heißt, dass wir die Nachhaltigkeit und die besseren Standards in der Produktion umsetzen müssen, aber nicht durch Verbote, die letztendlich zum Ende von Produktion führen, jedenfalls in Deutschland, und diese Produktion woanders wieder entstehen lassen, allerdings ohne dass dabei ein Eingriff und Einfluss auf die Qualität der Produktion gemacht werden kann.
    Kaess: Und diese Standards des Tierschutz-Labels, die liegen deutlich oberhalb der gesetzlichen Vorgaben. Aber das Ganze beruht auf Freiwilligkeit. Warum sollten da Landwirte mitmachen?
    Schmidt: Die sollten deswegen mitmachen, weil sie in einem Zweiklang Vorteile davon ziehen. Zum ersten, dass die Produktion, die Umstellung in der Investition in dieser Phase auch gefördert werden kann, dass es mit einem staatlichen Label - Herr Müller von den Verbraucherzentralen hat das bereits ja schon dargelegt -, dass das staatliche Label von mir dann objektiv, neutral und verlässlich ist und damit auch auf dem Markt eine hohe Durchdringung erreichen kann. Das kann kein anderes Werbelabel oder so. Es geht hier um ein Qualitätssiegel.
    Das Zweite ist, dass dann ein höherer Preis erreicht werden kann. Natürlich sind die fast 80 Prozent Verbraucher, die nach meinen Umfragen sagen, wir sind bereit, mehr zu zahlen, das sind erst einmal Feststellungen, die sich an der Ladenkasse dann auch realisieren müssen. Deswegen muss das natürlich attraktiv und transparent sein. Das Stück Fleisch, das Produkt, das der Verbraucher erwirbt, das muss konkret dann unter diesen Bedingungen, die auch überprüft werden und transparent sind, entstanden sein und das kann eigentlich nur ein staatliches Siegel garantieren.
    Kaess: Herr Schmidt, da sprechen Sie jetzt von den Vorteilen. Aber es gibt ja auch die Nachteile. Es gibt erst mal mehr Kosten, das Tier zu halten. Das Fleisch wird dann teurer verkauft. Man weiß auch gar nicht mehr, ob überhaupt der Verbraucher bereit ist, das dann auch zu bezahlen. Organisationen wie Foodwatch oder die Tierärztliche Vereinigung, die schätzen, dass nur 20 Prozent der Produkte dieses Tierwohl-Siegel bekommen werden. Das heißt, 80 Prozent der Tiere werden weiter in schlechteren Bedingungen leben.
    Schmidt: Nein. Ich gehe da sehr von einem Zugeffekt mit aus. Ich gehe davon aus, dass bereits die jetzige Initiative, die schon benannt worden ist, bei der es um eine allgemeine Leistung des Lebensmittel-Einzelhandels zur Verbesserung der Standards geht, dass das gute Ansätze sind, die wir genau so als Ziel mit umsetzen können. Da muss natürlich bei den Kriterien noch weiter daran gearbeitet werden.
    Die Besorgnis habe ich eigentlich nicht. Wir leben doch in einer Gesellschaft, die von den Tierhaltern fordert und erwartet, jeden Tag hören wir darüber, dass die Tierhaltungsbedingungen verbessert werden müssen, und das ist eine Gesellschaft, die sehr aufgeklärt ist und die auch weiß, dass so etwas nicht zum Nulltarif kommt. Das ist allerdings in der Tat der Punkt, der sich nicht an die Tierhalter richtet, sondern der sich an das Verantwortungs- und Mitmachbewusstsein ja jedes Verbrauchers richtet.
    "Eine gesetzliche Regelung ist auf deutscher Ebene nicht machbar"
    Kaess: Und trotzdem, Herr Schmidt, kaufen ja viele Billigfleisch. Warum machen Sie nicht einfach eine gesetzliche Regelung?
    Schmidt: Eine gesetzliche Regelung ist auf deutscher Ebene nicht machbar. Die muss auf europäischer Ebene stattfinden. Ich muss das in der Komplexität sagen. Europäische Regelungen, die von der Kommission angestoßen werden müssen, neigen dazu, dass sie relativ lang brauchen. Wir hatten das staatliche nationale Ökosiegel, auch ein freiwilliges, und nach elf Jahren kam dann ein europäisches, wenn es auch freiwillig ist, Ökosiegel, aber mit festen Kriterien. So lang will ich nicht warten. Ich will Trendsetter sein und ich bin ein Stück optimistischer als der eine oder andere, der wohl irgendwie mit dem Ansatz nicht zurechtkommt. Regulieren heißt nämlich, wenn ich reguliere, dann muss ich darauf achten, dass vorher auch der Produzent, der Erzeuger, der Bauer die Möglichkeit hat, zu investieren in seinen Stall, und das Geld kann er sich nicht vom Himmel holen, sondern das muss er schon verdienen.
    Ich bin bereit, durch 70 Millionen Euro die Markteinführung von solchen Qualitätssiegeln, dieses Qualitätssiegels zu unterstützen. Ich habe Vorsorge im Haushalt getroffen. Und wenn ich den Einzelhandel und die Fördermöglichkeiten auf europäischer, nationaler Ebene und meine Initiative sehe, dann kommt da schon eine gute kritische Masse im Positiven zusammen.
    Kaess: Da sagen jetzt viele auf der anderen Seite, man könnte sehr wohl auch national gesetzlich etwas machen.
    Schmidt: Das ist schlicht und einfach nicht richtig.
    "Zukünftig wird es dann nicht mehr erlaubt sein, Küken zu töten"
    Kaess: Herr Schmidt, lassen Sie mich eine andere Frage noch stellen. Wir kennen diese Bilder von Millionen Küken, die geschreddert werden, von Ferkeln, die erschlagen werden. Wir haben es gerade im Beitrag noch mal gehört: Schweine, die sich gegenseitig blutig beißen aus Platzmangel. Ist dieses Tierschutz-Label auch ein Ausdruck von politischer Hilflosigkeit?
    Schmidt: Ganz im Gegenteil! Es ist ein Ausdruck von politisch gezielter Einflussnahme auf diese Situation. Übrigens das Kükentöten ist ein weiterer Punkt, den ich bei dieser Grünen Woche mit einer wirklich Superidee, die sich umgesetzt hat, nämlich einer hochwissenschaftlichen praxistauglichen Alternative zum Töten von Küken vorstelle. Zukünftig wird dann der vernünftige Grund, so heißt das, ein komischer Satz, im Tierschutzgesetz wegfallen. Zukünftig wird es dann nicht mehr erlaubt sein, Küken zu töten.
    Kaess: Das geht gesetzlich?
    Schmidt: Das ist bereits jetzt Gesetz. Unser Tierschutzgesetz ist weitaus besser, als man meint und sieht.
    Kaess: Warum wird dann weiter geschreddert?
    Schmidt: Weil jetzt eine technische Möglichkeit der Uni Leipzig, die ich mit vier Millionen Euro gefördert habe, endlich soweit ist, dass wir das verhindern können. Aber wenn ich gesetzliche Regelungen alleine mache, darf ich das schon einmal sagen, und dann gehen die Produktionen ins Ausland, dann habe ich keinerlei Einfluss. Jetzt habe ich den Einfluss mit meiner praxistauglichen Alternative.
    Ich lade herzlich ein zur Grünen Woche, das zu besichtigen. Das Modell steht da und das ist markt- und einführungsfähig und damit muss sich jede Brüterei, jeder, der Legehennen produziert in Deutschland, an das halten. Ich bin völlig bei Ihnen, dass wir diese moralisch und ethisch verwerfliche Praxis ausschalten müssen. Rechtlich ist sie von den Gerichten bis heute anerkannt worden. Das wird zukünftig anders sein. Die Politik hat hier gut gehandelt!
    Kaess: Da muss ich jetzt noch mal nachfragen. Das heißt, in Zukunft werden keine Küken in Deutschland mehr geschreddert?
    Schmidt: Ja!
    "Der Einstieg in den Ausstieg ist jetzt geschafft"
    Kaess: Ab wann?
    Schmidt: Wenn die Geräte alle nun bei den Brütereien sind. Da wird es natürlich eine Übergangszeit geben. Aber ab jetzt ist die Technologie zu ordern und verfügbar und das heißt, das ist nur noch ein sehr kurzer Zeitraum. Das heißt, der Einstieg in den Ausstieg ist jetzt geschafft.
    Kaess: Noch mal zurück zu den gesetzlichen Regelungen oder Möglichkeiten einer gesetzlichen Regelung, was die Verbraucherstandards bei Fleisch angeht. Bei Eiern haben wir das. Warum geht das?
    Schmidt: Bei Eiern haben wir eine europäische Regelung der Kennzeichnung für unverarbeitete Eier. Bei Fleisch haben wir bereits jetzt eine Herkunftskennzeichnung auch auf europäischer Ebene. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass wir in diesen Bereichen auch noch nachlegen und ergänzen, zum Beispiel für das Thema verarbeitetes Fleisch oder Herkunftskennzeichnungen. Nur das sind europäische Wege und Europa kann gut sein, dauert aber sehr lange. Ich will nicht so lange warten.
    "Das sind Strafsteuern"
    Kaess: Um gegen die schädliche Massentierhaltung vorzugehen, gibt es einen Vorschlag des Umweltbundesamtes, der auf den ersten Blick zumindest viel sinnvoller erscheint als jetzt zum Beispiel Ihre Initiative. Das Umweltbundesamt will Fleisch mit höherer Mehrwertsteuer belegen, auch weil es klimaschädlich ist. Warum lehnen Sie das ab?
    Schmidt: Ich lehne das deswegen ab, weil ich von Strafsteuern und künstlichen Preiserhöhungen zugunsten des geschätzten Finanzministerkollegen nichts halte.
    Kaess: Wieso sind das Strafsteuern?
    Schmidt: Das sind Strafsteuern, weil sie ja nur bewusst draufgelegt werden, um das zu verteuern. Übrigens bin ich in dieser Frage der Beurteilung einig mit meiner Umweltminister-Kollegin Barbara Hendricks, die das genauso wie ich ablehnt.
    Kaess: Aber Sie haben doch gerade eben gesagt, dass die meisten Verbraucher bereit sind, mehr zu bezahlen, wenn die Tiere besser gehalten werden.
    Schmidt: Ja. Aber wenn der Finanzminister das Geld kriegt, dann ist noch kein Bauer dabei, der Geld hat, um seinen Stall besser umzubauen.
    "Das ist so ein Stück Veggie-Day-Mentalität"
    Kaess: Aber es ging jetzt um eine höhere Mehrwertsteuer.
    Schmidt: Nein, so einfach ist das. Manchmal sind die Dinge ganz einfach. Deswegen soll man sich nicht in Fantasien zurückentwickeln, was man wo irgendwie steuern und lenken könnte. Das ist so ein Stück Veggieday-Mentalität und wissen, was gut und böse ist. Nein! Wir müssen auf dem Markt und mit staatlicher Unterstützung die Entwicklung fördern, richtig im Stall, und da helfen solche Dinge gar nicht weiter.
    Kaess: ... sagt Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Christian Schmidt von der CSU. Danke für Ihre Zeit heute Morgen.
    Schmidt: Gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.