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Tim Burton: "Die Insel der besonderen Kinder"
Einer seiner besten Filme

Die Welten, die Tim Burton in seinen Filmen zeichnet, sind nie ganz "von dieser Welt". Es ist das Fantastische, das sich mit dem Unheimlichen und dem Komischen verbindet, das sie so besonders macht. Jetzt hat er Ransom Riggs Fantasy-Roman "Die Insel der besonderen Kinder" verfilmt.

Von Hartwig Tegeler | 05.10.2016
    Besondere Vorgänge in London - zum Start des neuen Films von Tim Burton "Die Insel der besonderen Kinder" zeigt die Luftakrobatin Sally Miller zusammen mit Schauspieler Asa Butterfield die ungewöhnlichen Fähigkeiten der Figur Emma Bloom.
    Besondere Vorgänge in London beim Start des neuen Films von Tim Burton "Die Insel der besonderen Kinder" (Bettina Strenske/imago stock&people)
    So skurril, so absonderlich, so wunderschön verträumt: Nur dieses eine Bild entwickelt schon diesen besonderen Sog, den Filme brauchen: Ein junger Mann geht am Strand entlang. Meer. Blauer Himmel. Er hat ein dickes Seil in der Hand und mit dem zieht er ein blondes Mädchen hinter sich her, das in drei Meter Höhe hinter ihm her schwebt. Allein dieses Bild. Einer der schönsten Filme des Kino-Magiers Tim Burton ist "Die Insel der besonderen Kinder" geworden. Diese Geschichte über die nicht ganz Normalen, die Absonderlichen, oder, wie Miss Alma LeFay Peregrine es nennt:
    "Im normalen Sprachgebrauch würde man uns als 'besonders' bezeichnen."
    "Besondere" Kinder verfolgt von augenlosen Monstern
    Aber leider werden, so Miss Peregrine - wunderbar gespielt von Eva Green -, werden besondere Menschen zeitlebens verfolgt. Daher leben Miss Peregrine und die Kinder an Orten wie diesen.
    "Ein Zuhause für besondere Kinder."
    Damit erklärt sich auch, warum Jacob Emma an dem Seil hinter sich herziehen muss, denn sie ist auch leichter als Luft. Wenn sie nicht ihre Bleischuhe anhat, muss man sie an eine Leine binden, damit sie nicht wegfliegt. Zum zweiten klärt sich für Jacob, dass die Erzählung seines Großvaters über das leichte Mädchen oder das mit dem Feuer in den Fingerspitzen, den Jungen mit dem Bienenstock in seinem Körper und eben dem Mädchen, das leichter ist als Luft, dass all dieses Geschichtenwahr sind. Jacob, der Junge aus diesem Jahrhundert, ist jetzt da, wo auch sein Großvater war, in der Zeitschleife am 3. September 1940, in Wales, in dem Waisenhaus. Zeitschleife? Miss Peregrine manipuliert die Zeit, aus gutem Grund:
    "Wir wählen einen sicheren Ort, einen sicheren Tag und kreieren eine Schleife. - Was meinen Sie? - Eine Schleife. Konserviert die letzten 24 Stunden. Setzt man die Schleife zurück, erlebt man den Tag noch einmal aufs Neue. Setzt man sie täglich zurück, kann man da auf ewig leben. Ganz und gar sicher vor der Außenwelt."
    Aber nicht ganz und gar sicher vor den langbeinigen, augenlosen Monstern, die es auf die Augäpfel dieser besonderen Kinder abgesehen haben. Und gegen die muss nun Jacob, der ebenfalls besondere Fähigkeiten hat, so, wie einst sein Großvater, zusammen mit den anderen Kindern in den Kampf ziehen.
    "Also, Kinder, eure Hauptaufgabe ist, euch gegenseitig zu beschützen."
    Wunderbares Werk aus dem Tim-Burton-Kosmos
    Natürlich erinnert Tim Burtons "Die Insel der besonderen Kinder" mit dem Motiv der "Besonderen", der zur praktischen Magie Fähigen, mit den Monstergestalten, die es zu besiegen gilt, an die "Harry Potter"- und die "X-Men"-Reihe. Doch Tim Burton schafft es in seinem wunderbaren Film, einen ganz eigenen Sog zu entwickeln, wenn er diese phantastische Welt baut. Der Hang zu visuellen Details ist bei dem Macher von "Edward mit den Scherenhänden", "Big Fisch" oder "Charlie und die Schokoladenfabrik" legendär. Nach dem enttäuschenden Künstler-Film "Big Eyes" von 2014 ist Tim Burton mit "Die Insel der besonderen Kinder" jetzt wieder ganz angekommen in dem ihm eigenen Kosmos sprühender Phantasie, explodierender Ideen und feiner Charakterzeichnungen.
    Warum "Die Insel der besonderen Kinder" so fasziniert, das hängt auch damit zusammen, dass Burton auf seine phantastische Geschichte den Schleier der Melancholie, der Trauer und des Abschieds legt: Jacob begibt sich nämlich aus der US-Vorstadt in das "alte" England, weil sein Großvater - gespielt von Terence Stamp - ermordet wurde. Als kleiner Junge glaubte Jacob dessen Schauergeschichten noch, als Heranwachsender und junger Mann war das, was der alte Mann über dieses Waisenhaus in Wales erzählte, nur noch Geschwätz. Und genau dieser Versuch, innerlich, emotional wieder zurückzufinden zu dem geliebten Großvater, das ist der untergründige emotionale Strom, der den Film, ja, quasi antreibt. Der aber am Ende nicht, und das ist die Qualität von Tim Burton, im Computerbild-Gewitter untergeht.
    Man kann nur hoffen, dass "Die Insel der besonderen Kinder" nicht der Start zu einer Film-Serie ist, sondern dass dieser besondere Film über besondere Kinder besonders, einzigartig bleiben darf. Tim Burton jedenfalls, das brauchen wir keine Sorge zu haben, wird noch viele, viele Phantasiewelten entwerfen. Mit Puppen aus Stoff und aus Holz oder aus Knetmasse oder mit im Computer geschaffenen Wesen, egal: Für diesen genialen Filmkünstler ist der Phantasie-Vulkan - in diesem Film hat es Tim Burton wieder bewiesen - weiterhin mächtig am Brodeln.