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Timeline Pflicht für alle

Facebook führt die Timeline für alle Nutzer verpflichtend ein. Das soziale Netzwerk hofft damit auf Zusammenfassungen ganzer Biografien und mehr Werbeeinnahmen. Die Nutzer können dem jedoch einen Riegel vorschieben.

Von Stefan Römermann | 13.02.2012
    Einen festen Stichtag gibt es nicht. Offiziell heißt es, die alten Facebookprofile würden – Zitat - "in den nächsten Wochen" auf die neue "Timeline" umgestellt. Jeder Nutzer wird individuell benachrichtigt, wenn Facebook seinen Zugang umstellt. Eine entsprechende Meldung erscheint auf dem Bildschirm, wenn man sich bei dem sozialen Netzwerk angemeldet hat. Ab diesem Moment hat man sieben Tage Zeit, bis das neue Profile mit der umstrittenen Timeline quasi "scharf geschaltet"– also für andere sichtbar wird. Und zwar egal, ob der Nutzer das möchte oder nicht. Kritik kommt dafür von Ulrich Lepper, Landesdatenschutzbeauftrager von Nordrhein-Westfalen.

    "Ich bin überrascht, dass Facebook rigide kurze Fristen setzt und den Verbraucher vor die Wahl stellt: Friss Vogel oder stirb. Das kann nicht richtig sein. Es handelt sich hier um Dinge, da geht es um Datenverarbeitung. Da geht es auch darum, Daten in einer Art und Weise dazustellen, die noch mehr aussagen können über die Persönlichkeit."

    Nach dem Willen von Facebook ist die neue Timeline eine komplette Lebenschronik: Hier sollen alle Fotos, Videos oder Kommentare gebündelt werden, die ein Nutzer jemals bei Facebook eingestellt oder hinterlassen hat. Diese Informationen waren zwar vorher auch schon da, aber nur sehr schlecht auffindbar, erklärt der Berliner Computerjournalist und Datenschutzexperte Falk Lüke.

    "Schlicht und einfach deshalb, weil die Menschen sich Ewigkeiten durch das Profil einer Person hätten durchklicken müssen, um diese dann zu finden. Dieser Aufwand entfällt mit der Chronik ein bisschen, das wird jetzt alles relativ übersichtlich dargestellt."

    Was habe ich im letzten Sommer getan? Freunde und Bekannte können das mit der Timeline nun erheblich einfacher herausfinden. Nutzer können außerdem auch nachträglich bestimmte Informationen ergänzen. So könne man die eigene Lebensgeschichte ganz neu erzählen, heißt es bei Facebook. Doch das Unternehmen hofft wohl auch auf genauere Informationen über seine Nutzer. Vor allem, wenn diese dann freiwillig die bisher weißen Flecken in ihrer Timeline ergänzen und eintragen, wann sie ein Kind bekommen haben. Facebook kann diese Information nutzen und Werbung schalten, zum Beispiel für Kinderspielzeug. Die Mitglieder des sozialen Netzwerks sollten sich genau überlegen, wie viele Informationen sie über sich preisgeben möchten, rät Datenschutzexperte Lüke.

    "Man kann vermuten, dass die Timeline vor allem aus einem Grund eingeführt wird, nämlich um wesentlich mehr, und vielleicht auch noch bessere Werbung, also besser passende Werbung einblenden zu können. Und damit heißt das für Facebook letzten Endes, dass sie damit schlicht und einfach besser Geld verdienen können."

    Und doch: Die Timeline ist nicht grundsätzlich etwas Schlechtes. Das betont Datenschutzexperte Florian Glatzner vom Verbraucherzentrale Bundesverband.

    "Das kann auch für den Verbraucher durchaus Vorteile haben, wenn ihm plötzlich mal auffällt, welche Beiträge er vielleicht vor einigen Jahren geschrieben hat, die er selber gar nicht mehr im Kopf hat. Und die ihm nun wieder vor Augen geführt werden, und die er nun, wenn er möchte, beispielsweise löschen kann oder nur für einen geringeren Personenkreis nur einsehbar machen."

    Auch mit der Timeline gilt: Nutzer können bei Facebook recht genau festlegen, was Andere von ihnen sehen können. Ein Partyfoto zum Beispiel kann ganz blockiert werden, oder es wird nur engen Freunden angezeigt, nicht aber den Arbeitskollegen. Wenn die Timeline demnächst freigeschaltet wird, sollten die Nutzer deshalb unbedingt ihre eigenen Inhalte durchschauen, rät Verbraucherschützer Glatzner.

    "Auf jeden Fall ist es sinnvoll wirklich die Sachen anzuschauen und zu überlegen: Wer soll das denn sehen können? Ich würde empfehlen erst einmal einzustellen, dass alle älteren Beiträge nur von einem ganz eingeschränkten Benutzerkreis gesehen werden können."

    In den Privatsphäreeinstellungen gibt es dafür extra einen Punkt "Beschränke das Publikum für ältere Beiträge". Anschließend kann man diese in Ruhe durchgehen und einzelne Beiträge bei Bedarf auch wieder für ein größeres Publikum freischalten.