Samstag, 20. April 2024

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Tiny Houses
Bezahlbarer Wohnraum in Miniaturform

Wie will ich wohnen? Diese Fragen treibt viele Menschen um, doch nicht jeder hat die Möglichkeit, seine Wünsche zu erfüllen. Anders die Tiny-House-Bewegung. Hier entstehen Häuser Marke Eigenbau - alles mit günstigen Materialien, die man in jedem Baumarkt bekommt. Und wie der Name schon verrät, alles ein bisschen kleiner.

Von Mike Herbstreuth | 15.06.2016
    Das Tiny House von Hanspeter Brunner
    Klein, aber mein: das Tiny House von Hanspeter Brunner (Hanspeter Brunner)
    Regen prasselt auf den asphaltierten Hof einer Schreinerei am Stadtrand von Staufen im Breisgau. Am Rand des Hofs befindet sich ein schmaler Grünstreifen, vielleicht drei Meter breit. Hier steht Hanspeter Brunners Tiny House.
    "Also Grundfläche sind acht Quadratmeter. Oben hat's noch ein Schlafloft, das dürfte so sechs Quadratmeter sein. Aber auch nur Grundfläche, es ist ja ein schräges Dach."
    Kleine Treppenstufen führen hinauf zum Eingang, denn Brunner hat sein Tiny House passgenau auf einen Anhänger gebaut. Das drei Tonnen schwere Holzhäuschen ist verkehrstauglich. TÜV-geprüft. Und innen?
    Gerade mal vier große Schritte braucht man, dann hat man das baldige Zuhause des 64-jährigen ehemaligen Religionslehrers und Kunsttischlers durchquert.
    "Also hier haben wir zwei auf zwei Meter Wohnraum sozusagen. Hier ist ein bisschen Stauraum, da können Kleider rein, dann wird es ab hier eine Kombüsenküche geben, hier kommt die Warmwasserbereitung über Gas hinein, hier ist das Badezimmer. So, hier ist die Dusche, 70 auf 70 Zentimeter. Hier kommt die Komposttoilette hin. Oben ist der Schlafraum. Gut, das ist es im Großen und Ganzen schon gewesen!"
    Das Holz und die Enge machen den Wohnraum gemütlich, man kann es sich gut vorstellen, hier ein bisschen Zeit zu verbringen. Aber dauerhaft hier leben?
    "Es gibt Leute, die haben mich hier besucht, die haben gesagt: Um Gottes Willen, da würde ich wahnsinnig werden. Und es gibt Leute, die haben gesagt: Wahnsinn, das wär genau mein Ding."
    Über zwei Jahre baut er jetzt schon an seinem Haus. Brunner lebt allein und will sein Leben vereinfachen, Dinge loswerden.
    "Mir fällt das immer mehr auf, nicht nur bei mir, auch bei Bekanntschaft, Verwandtschaft und anderen Menschen: Wie viel Krempel die um sich versammeln! Und wie die langsam in diesem Krempel ersticken. Und ich habe mir gesagt: Ich habe keine Lust, den Rest meines Lebens meinen Krempel zu verwalten."
    Wer sich von diesen Dingen trennt, kann im Gegenzug dafür Freiheit und Unabhängigkeit gewinnen. Und vor allem Geld sparen. Die Hype um die Tiny Houses nahm in den USA nicht zufällig 2007 Fahrt auf – als das Land von der Finanzkrise gebeutelt war und viele Menschen ihre Wohnungen und Häuser verloren haben.
    "Ich hab jetzt so 20.000 Euro reingesteckt an Material. Das ist nicht wenig Geld, aber die Gesamtsumme ist so, dass die normalerweise jemand stemmen kann, ohne sich zu ruinieren. Und wenn es klappt mit einem Platz, dann hat man mehr Lebensqualität."
    Wenn es denn klappt mit einem Platz. Denn in einem Tiny House auf einem Grundstück zu wohnen, ist in Deutschland nicht einfach. Es gelten die gleichen Genehmigungspflichten wie für normale Häuser. Landesbaurecht, Baugenehmigungen, Bebauungspläne, Anträge - das schreckt viele ab. Deshalb nutzen die meisten Tiny-House-Besitzer die Variante von Brunner: Auf einem Anhänger zählt das Tiny House als Ladegut. Erlaubt der Eigentümer eines Grundstücks dann das Abstellen des Tiny Houses, bewegt man sich in einer rechtlichen Grauzone. Frankreich sei bei diesem Thema schon weiter, erzählt Brunner. Dort mache es ein neues Gesetz mittlerweile einfacher, dauerhaft legal in Tiny Houses zu wohnen.
    "Ich kann nur hoffen, dass Deutschland nicht nur die Kreisverkehre von Frankreich übernimmt, sondern auch noch vielleicht die Haltung gegenüber Tiny Houses."