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Tischtennis-WM
Sparring mit dem Nachwuchs

Um sich auf die Spiele während der Weltmeisterschaft vorzubereiten, trainieren die deutschen Tischtennis-Profis auch mit dem Nachwuchs. Für beide Seiten ein Gewinn.

Von Matthias Friebe | 04.06.2017
    Timo Boll während eines Tischtennis-Spiels
    Timo Boll bei der Tischtennis-WM in Düsseldorf (imago sportfotodienst)
    "Die Jungs schreiben per WhatsApp."
    Die Anfrage läuft über das Smartphone. Per Kurznachricht buchen die deutschen WM-Spieler einen von vier U23-Kaderathleten für ein Sparringstraining. Kilian Ort und seine drei Mitstreiter aus der Nachwuchs-Nationalmannschaft stehen bereit für Timo Boll, Dimitrij Ovtcharov und Co.:
    "Dann wird das in die WhatsApp-Gruppe geschrieben. Der Kilian spielt ab 15.15 Uhr mit mir und dann weiß der Nächste auch, der Kilian kann da nicht. Vielleicht frag ich ihn für 18 Uhr."
    Kilian Ort, Dang Qiu, Dennis Klein und Nils Hohmeier werden pro WM-Tag mehrfach von den Topathleten gebucht und begeben sich in die Trainingshalle als Sparringspartner. Jede Warmspieleinheit dauert eine bis anderthalb Stunden.
    "Da weiß man, was man gemacht hat. Aber man wird auch oft müde, weil man selber eigentlich nicht trainiert. Man spielt nur zu, man spielt eigentlich nur passiv, dass die anderen ihre aktiven Bälle spielen können. Natürlich bist Du dann abends um 19.30 Uhr, wenn Du dann wieder einen einspielen musst, schon müde. Aber gut, da müssen wir durch."
    Konkrete Aufgaben
    Es ist für die Nachwuchsspieler ein Erlebnis, so hautnah WM-Luft schnuppern zu können. Für die Profis ist das Sparringstraining eine absolute Hilfe, wie Deutschlands Nummer 1 Dimitrij Ovtcharov ganz einfach vorrechnet:
    "Man spielt natürlich gegen einige Spieler besser, gegen andere schlechter. Einige lesen dein eigenes Spiel besser und spielen dir besser zu. Man kann Training von 2,5 Stunden so gestalten, dass der eine seine Übungen 1 Stunde 15 trainiert und der andere trainiert seine Übungen 1 Stunde 15. Oder man trainiert zweieinhalb Stunden Sachen, die für einen besser sind und für den anderen weniger bringen. Das ist Sparringspartnertraining."
    Es sind konkrete Aufgaben, die Ort und seine Kollegen gestellt bekommen:
    "Mach mal den Aufschlag, mein nächster Gegner macht den Aufschlag sehr gut. Schau mal, dass Du den machst, dann kann ich auf den Aufschlag zurückschlagen. Oder wenn jemand eine gute Rückhand hat, dann hau mal richtig drauf von da. Solche Sachen."
    Oder ganz einfach:
    "Wenn er sagt, jetzt spiel mir 100 Mal dahin, dann spiel ich ihm 100 Mal dahin, ohne etwas zu sagen."
    Das geht natürlich auch nicht, ohne es selbst gut zu können. Kilian Ort ist in der aktuellen Weltrangliste bereits auf Rang 157 vorgerückt. Damit ist er der elftbeste deutsche Spieler im Ranking. In anderen Ländern wäre er längst WM-Teilnehmer:
    "Am Montag war die Qualifikation, da spielen alle Nationen mit. Da spielt dann Turkmenistan gegen Senegal. Also die schlagen wir schon dann."
    Bald Gegner von Boll?
    Bevor der große Traum WM sich vielleicht irgendwann erfüllt, steht für Kilian Ort ab Spätsommer erstmal ein neues Abenteuer an. Mit seinem Heimatverein TSV Bad Königshofen ist er gerade in die Bundesliga aufgestiegen. 200 Meter von der Turnhalle entfernt ist er aufgewachsen, die Halle nennt er sein Wohnzimmer.
    "Ist schon etwas Besonderes für mich für meinen Heimatverein in der 1. Bundesliga zu spielen als wenn ich dreimal hätte wechseln müssen, um diesen Traum zu verwirklichen. Klar, es ist ein großes Abenteuer. Ich bin da mit 21 der Oldie in der Mannschaft."
    Für den TSV in einer Gemeinde mit gerade einmal 5.000 Einwohnern ist es der größte Erfolg der Vereinsgeschichte. Finanziell und von den Rahmenbedingungen ist man Exot in der Bundesliga, kein Vergleich zu Branchenprimus Borussia Düsseldorf um Topspieler Timo Boll.
    "Wir hoffen, dass der Timo kommt und sich mal Franken anschaut."
    Dann ist Kilian Ort Gegner von Timo Boll im Bundesliga-Duell und nicht Sparringspartner, so wie jetzt bei der WM.