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Tobias Hans (CDU) zu Bund-Länder-Gespräch
„Testkapazitäten nicht unnötig verbrauchen“

Nach dem Ende der Reiserückkehrwelle gehe es darum, nur noch diejenigen zu testen, die aus Risikogebieten kommen, sagte der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) im Dlf. Unnötige Reisen in Risikogebiete sollten vermieden werden.

Tobias Hans im Gespräch mit Silvia Engels | 28.08.2020
Tobias Hans (CDU), Ministerpräsident des Saarlandes
Tobias Hans (CDU), Ministerpräsident des Saarlandes, verteidigt Entscheidung zu Familienfeiern (dpa / Arne Immanuel Bänsch)
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten weitestgehend auf einheitliche Regeln im Umgang mit dem Coronavirus Sars-CoV2 geeinigt. Reiserückkehrer aus Risikogebieten sollen demnächst eine Corona-Quarantäne frühestens durch einen Test ab dem fünften Tag nach Rückkehr beenden können. Bei Verstößen gegen die Maskenpflicht soll künftig ein Bußgeld von mindestens 50 Euro erhoben werden. Bund und Länder konnten sich bei den Feierlichkeiten im Familien- und Freundeskreis nicht auf bundesweit geltende Obergrenzen für Teilnehmerzahlen einigen. Die Bürger werden gebeten, in jedem Einzelfall kritisch abzuwägen, ob, wie und in welchem Umfang private Feierlichkeiten nötig und vertretbar sind. Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) sagte in Deutschlandfunk, man könne sich auf Hochzeiten und Taufen vernünftig verhalten.

Silvia Engels: Schauen wir auf die Stimmung der Sitzung gestern. Es war ja schon ungewöhnlich, dass gestern noch vor der gemeinsamen Pressekonferenz der Kanzlerin mit Bayerns Ministerpräsident Söder und Hamburgs Bürgermeister Tschentscher der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, auch physisch vorpreschte und erklärte, dass sein Bundesland die einheitliche Bußgeldregelung nicht mitträgt. – Hat es in der Runde zuvor so sehr gekracht?
Tobias Hans: Das kann man so nicht sagen. Es gab sicherlich in gerade dieser Frage Bußgeld für Maskenpflichtverweigerer einen Dissens, der im Grunde genau dort verlief zwischen Sachsen-Anhalt und allen anderen Ländern. Aber ich glaube, es spricht für die Runde, dass wir so vernünftig miteinander umgegangen sind, dass wir deshalb nicht das Ganze als gescheitert erklären, sondern sagen, dass 15 von 16 Bundesländern dieses Signal setzen wollen, dass wir ein Bußgeld erheben werden, und natürlich ist dann für den einen von 16 das Bedürfnis groß, sich auch zu erklären. Deswegen finde ich das jetzt kein Indiz dafür, dass die Stimmung schlecht gewesen sei. Das war auch nicht so.
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Engels: Aber es ist doch schon ungewöhnlich, dass man vor der zentralen Pressekonferenz unbedingt schon seine Position abgeben will. Geht man als Parteifreund Haseloff-Merkel so miteinander um?
Hans: Nein. Die beiden haben ein gutes Verhältnis. Da sehe ich überhaupt gar keine Schwierigkeiten, auch wenn es hier in der Sache einen Dissens gegeben hat, im Grunde zwischen allen anderen und Reiner Haseloff. Und die Frage, wann geht jemand vor die Presse, ist, glaube ich, heutzutage nicht mehr ganz so entscheidend, weil da ja die Statements dann doch auch aufgezeichnet werden. Vielleicht hat er einfach einen Anschlusstermin gehabt.
"Wir haben bewusst noch kein Bußgeld im Saarland"
Engels: Dann gehen wir von der Stimmung weg hin zu den Inhalten. Bundeseinheitlich bis auf Sachsen-Anhalt soll es das Bußgeld von mindestens 50 Euro bei Verstoß gegen die Maskenpflicht geben. Wie wollen Sie das ganz konkret bei sich im Saarland durchsetzen?
Hans: Wir haben ganz bewusst bis zum heutigen Tag noch kein Bußgeld im Saarland für Personen, die sich des Tragens von Mund-Nasen-Bedeckungen verweigern, weil wir gesagt haben, wir möchten zu allererst sicherstellen, dass unsere geltenden Regeln eingehalten werden. Deswegen haben wir ganz verstärkt mit der Polizei die Ordnungsämter auch dabei unterstützt, die Maskenpflicht und andere Regeln zu kontrollieren.
Das hat eine erhebliche Verbesserung gebracht, aber natürlich gibt es immer noch diese Personen, die notorisch das Tragen verweigern, und da brauchen wir dieses Instrument des Bußgeldes. Wir werden jetzt natürlich diese Kontrollen, die bislang ohne Sanktionsmöglichkeit waren, weiterführen und dann natürlich auch Bußgelder verhängen. Das muss jeder wissen. Wenn er jetzt keine Maske trägt im öffentlichen Bereich, wo er sie tragen sollte, wird er dieses Bußgeld zahlen müssen.
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Schwesig (SPD): "Wir können uns Reisen in Risikogebiete nicht leisten"
Eine bundeseinheitliche Regelung für Reiserückkehrer sei wichtig, betonte Manuela Schwesig (SPD), Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, im Dlf. Hier habe bislang eine Strategie gefehlt.
Engels: Dann schauen wir auf das nächste Thema der Reiserückkehrer. Da waren ja erst vor wenigen Wochen die Gratistests eingeführt worden. Die werden nun ab 15. September abgeschafft – bis auf Bayern. Wer versteht denn noch dieses Hin und Her?
Hans: Ich halte das nicht für ein Hin und Her. Es war eine Reaktion auf die Urlaubsrückkehrer und es war auch vor allem eine Reaktion darauf, dass wir gemerkt haben, die Menschen machen vermehrt Gebrauch davon, auch ins Ausland zu fahren. Sie sind dann auch besorgt, weil sie feststellen, oh Wunder, es gibt nicht überall im Ausland deutsche Regeln, sondern es gibt ganz unterschiedliche Konzepte. Da gab es eine große Verunsicherung. Ich habe da selbst sehr viele Zuschriften bekommen, selbst von Personen, die aus Holland gekommen sind, weil es dort keine Maskenpflicht gibt wie in Deutschland.
Wir haben aber festgestellt, dass nach all den Wochen und Tagen, in denen wir jetzt getestet haben, die Zahl derer, die sich positiv infiziert zeigen bei so einem Test, die nicht aus einem Risikogebiet kommen, ausgesprochen gering ist. Es müssen schon quasi Dinge zusammentreffen, so dass man zum Beispiel in Frankreich auf Personen aus anderen Risikogebieten getroffen ist, dass es dann wirklich ein positives Testergebnis gibt.
Und deswegen schlichtweg, weil wir auch nicht Testkapazitäten unnötig verbrauchen können, sagen wir auch, nachdem jetzt die Reiserückkehrwelle durch ist, testen wir wirklich nur noch diejenigen, von denen wir auch davon ausgehen, dass es positive Ergebnisse geben könnte, sprich Personen, die aus Risikogebieten kommen, aber dann auch nicht ab dem ersten Tag, sondern nach fünf Tagen, weil wir wissen, dass nur dann das Testen im Prinzip Sinn macht. Das ist die Konzentration auf das, was hilft.
Ausnahmeregeln für Dauer des Aufenthalts
Engels: Sie sprechen es an: Sie haben ja nun die Grenze zu Frankreich. Dort werden jetzt Departement für Departement die Risikogebiete eher ausgeweitet. Zugleich erhöht ja der Beschluss von gestern den Druck auf diejenigen, die in ein Risikogebiet gereist sind und nun zurückkommen.
Fünf Tage Quarantäne – Sie haben es angesprochen. Kompensation für Verdienstausfall soll es nicht geben, wenn das Reiseland schon vor Antritt der Reise Risikogebiet war und die Reise vermeidbar war. Denken Sie nicht, dass dann viele versuchen, gar nicht merken zu lassen, dass sie in einem Risikogebiet waren? Das heißt, sie verheimlichen die Rückkehr aus Frankreich. Was machen Sie?
Hans: Erstens ist es definitiv ein Problem, das ich gestern angesprochen habe, dass es natürlich Reiserückkehrer gibt, die nicht über die Flughäfen und unsere, wenn auch digitalisierten Aussteigekarten zu erfassen sind, sondern dass sie einfach auf dem Landweg kommen. Das ist in der Tat ein Thema.
Deswegen muss man da natürlich auch stichprobenartig kontrollieren. Aber eines ist auch klar: Bei uns in der Grenzregion bedeutet das nicht, dass wir jetzt noch mal die Grenzen dichtmachen und kontrollieren wollen. Das kann nicht das Ziel sein, zumal es auch bei uns in unserer Quarantäne-Verordnung Ausnahmeregeln gibt für Frankreich, für Luxemburg, weil es auch praktikable Lösungen geben muss.
Ich kann natürlich nicht, wenn ich mal Brötchen kaufen war im Nachbarort, am Ende in Quarantäne gehen. Deswegen gibt es ja auch bundesweit die Ausnahmeregeln der Dauer des Aufenthalts. Und ich kann auch nicht in Quarantäne gehen, wenn ich mich berufsmäßig für einen sehr, sehr kurzen Zeitraum in Frankreich oder von mir aus selbst in New York aufgehalten habe. Deswegen braucht es diese Regeln, damit uns nicht das Geschäftsleben komplett zum Erliegen kommt.
Es geht tatsächlich darum, unnötige Reisen, solche, die private Reisen sind, in Risikogebiete zu vermeiden. Und wer es dann unbedingt tun muss, der soll dann natürlich auch die Konsequenzen tragen. Bedeutet, er muss in Quarantäne und er muss mit Verdienstausfällen rechnen.
"Ein sehr leistungsfähiges Netzwerk im öffentlichen Gesundheitsdienst"
Engels: Aber es bleibt das Problem: Wenn man den Druck erhöht, muss man auch mehr kontrollieren. Ärztepräsident Reinhardt fordert ja, dass die Polizei das tut, wenn es gerade um die Einhaltung von Quarantäne-Bestimmungen geht. Die Amtsärzte könnten das nicht mehr leisten. Macht das dann bei Ihnen künftig die Polizei?
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
Hans: Wir haben ein sehr, sehr leistungsfähiges Netzwerk im öffentlichen Gesundheitsdienst. Das muss man immer noch mal betonen. Und man muss diesen Menschen, die da arbeiten, von Ärzten über andere Angestellte, sehr, sehr dankbar dafür sein, dass sie uns bislang gut durch diese Pandemie gebracht haben. Für mich war immer selbstverständlich: Wenn es zu Engpässen kommt, werden wir die öffentlichen Gesundheitsdienste gerade in den Gesundheitsämtern auch unterstützen, sowohl über Hilfsmaßnahmen, Amtshilfeleistungen, aber auch durch personelle Bestellung. Da ist uns nichts zu viel.
Das sage ich in jeder Schalte auch meinen Landrätinnen und Landräten im Saarland. Wir haben das Angebot der Bundesverteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer, die sagt, wir geben Unterstützung durch die Bundeswehr, um die Gesundheitsämter zu entlasten mit medizinischem Personal, mit ausgebildetem Personal, angelerntem Personal. Da werden wir ganz sicherlich alles daransetzen, um das höchste Gut, was wir in dieser Pandemie haben, nämlich die Kontaktnachverfolgung, nämlich die Aufdeckung von Infektionsverläufen und Ketten durch die Gesundheitsämter zu erhalten.
"Man kann sich auf Hochzeiten auch vernünftig verhalten"
Engels: Viele Infektionen, die zum Teil dann auch schwer nachzuverfolgen waren, gab es ja zuletzt bei großen Familienfeiern und Partys. Die Bundesregierung wollte deshalb ursprünglich die Teilnehmerzahl bei solchen Feiern auf 25 begrenzen, auf 50 vielleicht in Restaurants. Weshalb hat sich die Runde darauf nicht verständigen können und wie macht das nun das Saarland?
Hans: Die Runde hat sich erst mal darauf verständigt, dass wir alle der Meinung sind, dass private Feiern so abzuhalten sind, dass sie möglichst gefahrenlos durchgeführt werden, sprich mit Abstand, idealerweise draußen im Garten, und wenn es nicht gerade die Hochzeit, die Kommunion, der runde Geburtstag ist, vielleicht auch zu überlegen, ob diese Party stattfinden muss.
Denn wir stellen ja schon fest: Es sind nicht die Taufen oder 50. Geburtstage, die dieses massive Infektionsgeschehen zu verantworten haben, sondern es sind teilweise schon eher entgleisende größere Zusammenkünfte privater Natur, und da muss man auch noch mal ein Zeichen setzen, dass wir das jetzt nicht wollen, dass es verantwortungslos ist gegenüber den Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten, und dieses Signal haben wir ja einmütig gestern gesendet.
Was nicht gelungen ist, ist, die landesspezifischen Regelungen auf einen Nenner zu bringen. Das hat mich auch nicht verwundert, denn es gibt teilweise ja auch gewisse Zwänge. So gab es zum Beispiel im Saarland einen Spruch des Verfassungsgerichtshofs, der uns untersagt hat, bei Familienzusammenkünften etwa überhaupt regelnd einzugreifen, und da sind Sie auch schon mal schnell über die 25 drüber. Das ist keine Frage.
Wir haben es im Saarland so geregelt, um das ein Stück weit einzugrenzen: Private Feiern sind ab 20 Personen der Ortspolizeibehörde anzumelden. Das ist eine gewisse Hürde. Und wer eine solche Veranstaltung nicht angemeldet hat, der hat dann natürlich auch einen Verstoß begangen, und das kann dann auch kontrolliert werden, wenn es dann etwa eine Meldung gibt. Und wer die Veranstaltung angemeldet hat, der muss natürlich auch damit rechnen, dass dann jemand vorbeigucken kommt und schaut, ob das vernünftig abläuft.
Ich will ganz deutlich sagen: Wenn ich in meine Infektionszahlen schaue, sehe ich, dass es viel mit Reiserückkehr zu tun hat aus Risikogebieten, und ich sehe eigentlich nicht ein, dass ich jetzt einer jungen Familie, die gesagt hat, wir heiraten jetzt, wir schieben es vom März in den September, dass ich denen jetzt sage, Leute, ihr habt Pech gehabt, ihr könnt das nicht machen. Man kann sich auch vernünftig verhalten auf Hochzeiten oder auf Taufen oder bei runden Geburtstagen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.