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Tod auf der Straße

Mit Beginn der Osterfeiertage rechnen die spanischen Behörden mit einem besonders hohen Verkehrsaufkommen. Diese Tage sind besonders unfallträchtig. 3329 Menschen starben im vergangenen Jahr auf Spaniens Straßen. Damit führt das Land die Statistik der Unfalltoten europaweit an. Härtere Strafen sollen das ändern. Hans-Günter Kellner berichtet.

    Fahren Sie zu Ostern mit dem Auto in den Urlaub? Rechnen sie damit, dabei auf der Straße zu sterben? Der neueste Fernsehspot der spanischen Verkehrsgeneraldirektion, der in diesen Tagen im Fernsehen läuft, ist hart. 105 Menschen starben vergangenes Jahr allein während der Osterfeiertage auf den Landstraßen Spaniens.

    Bea Fernández zeigt Fotos von ihrer Schwester Cristina kurz nach ihrer Hochzeit. Neben Bea sitzt die Mutter Isabel mit Tränen in den Augen. Eine Luxuslimousine durchbrach vor zwei Jahren die Leitplanken der Autobahn und raste auf die gegenüberliegende Fahrspur direkt in den Kleinwagen, in dem Cristina, ihr Mann, dessen Bruder sowie seine Freundin fuhren. Auch der Beifahrer der Limousine starb, nur der Verursacher des Unfalls überlebte. Bea Fernández:

    "Schon die Polizei und die Untersuchungsrichterin machten Fehler. Sie unterzogen den Fahrer keinem Alkoholtest, und das bei fünf Toten und einem klaren Verursacher. Die Polizei machte auch keine Berechnungen der Geschwindigkeit der beteiligten Fahrzeuge. Als die Ermittlungen abgeschlossen waren, sagte die Untersuchungsrichterin, sie könne nur ein Verfahren wegen einer Ordnungswidrigkeit anstrengen, weil es keine Hinweise auf eine Straftat gab. Dabei hätte sie diese Hinweise ja ermitteln müssen."

    Die Justiz behandelte den Tod von fünf Menschen als Ordnungswidrigkeit, wie Falschparken. Erst als ein von den Hinterbliebenen in Auftrag gegebenes Gutachten ergab, dass der Verursacher mit 175 km/h unterwegs war, zeigte sich ein Berufungsgericht bereit für eine Anklage wegen fahrlässiger Tötung. Das Urteil steht noch aus. Schlampereien bei den Ermittlungen und geringste Strafen bei Verkehrsunfällen mit Todesopfern sind keine Seltenheit.

    "Es gibt hier kein vorgeschriebenes Verfahren zum Vorgehen der Polizei bei Unfällen. Wir fordern, dass Alkoholtests bei Unfällen mit Todesopfern vorgeschrieben sind. Uns sagte die Polizei sogar, es sei doch gut, dass kein Test gemacht wurde, das würde das zivilrechtliche Entschädigungsverfahren nur verzögern. Das ist mir doch egal. Ich will wissen, warum meine Schwester, mein Schwager und drei weitere Menschen tot sind."

    Bea Fernández und ihre Mutter Isabel haben damals bei der Vereinigung "Stoppt die Unfälle" Hilfe gefunden. Die Organisation fordert klare Vorgaben bei den Ermittlungen und härtere Strafen.

    Auch David Sánchez fühlte sich ohnmächtig angesichts der Entscheidungen der Justiz. Sein Bruder wurde auf der Landstraße von einem entgegenkommenden Lkw getötet. Der Fahrer dieses Lastwagens gab zu, auf dem Boden Papiere gesucht, und dabei die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren zu haben.

    "Das Gericht wollte den Führerschein des Lkw-Fahrers nicht einbehalten. Sie würden ihm damit die Arbeit abnehmen, war die Argumentation. Wir hatten dagegen gefordert, als Berufskraftfahrer müsse er besonders verantwortungsbewusst fahren. Er bekam eine Geldstrafe von rund 400 Euro, lächerlich. Wenn es schon hart ist, einen Angehörigen auf diese Art zu verlieren, macht einem so eine Entscheidung zu schaffen."

    Das spanische Parlament hat inzwischen die Einführung eines Punktesystems für Autofahrer beschlossen. Und seit zwei Jahren schon beraten die Politiker eine Verschärfung des Verkehrsstrafrechts. Francisco Altozano von der Verkehrsgeneraldirektion über den jetzt vorliegenden Entwurf, der nach der Sommerpause umgesetzt werden soll:

    "Die Richter sollen klare Vorgaben haben, wann ein Vergehen im Straßenverkehr eine Straftat ist. Wir fordern, ein Gramm Alkohol pro Liter Blut, eine Geschwindigkeit von 180 km/h auf den Autobahnen sowie 110 km/h in der Stadt sowie das Fahren ohne Führerschein sollen Straftaten sein. Die Leute denken heute, 100 Verkehrstote in der Osterwoche sind der Preis für den Fortschritt. Sie haben nicht das Bewusstsein, dass die Verkehrsregeln eingehalten werden müssen, und es dann auch weniger Unfälle und Tote gibt."