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Töne in der Therapie

Schlaganfall-Patienten leiden häufig unter den Folgen einer seinseitigen Lähmung. Nach der Akuttherapie des Schlaganfalls erhalten Patienten oft Bewegungstherapie, nicht immer aber mit nachhaltigem Erfolg. Wissenschaftler der Musikhochschule Hannover haben jetzt ein neues Rehabilitationskonzept entwickelt.

Von Michael Engel | 28.10.2008
    Dietmar Körner sitzt auf einem Klavierhocker und schlägt dabei auf sogenannte "Drumpads": Das sind tellergroße Trommeln, die elektronisch klingende Töne erzeugen, wenn sie angetippt werden. Für den Patienten ist das eine echte Herausforderung. Ein Schlaganfall hatte ihn halbseitig gelähmt - vor allem die linke Hand. Durch die Musik ist neuer Schwung in sein Leben gekommen.

    "Es war so: Wenn ich früher die linke Hand versucht habe zu bewegen, dann war meistens in der rechten Hand noch so ein Spiegelbild da. Also wenn ich die Hand geballt habe, dann habe ich instinktiv oder wie man das nennen kann, die rechte Hand auch geballt. Und das ist vorbei. Also die linke Hand kann ich jetzt völlig getrennt von der rechten Seite bewegen. Das war früher dann halt nicht so. "

    Dr. Sabine Schneider von der Musikhochschule Hannover entwickelte das "Musikunterstützte Training" und erprobte die Methode an 62 Schlaganfallpatienten. Gegenüber herkömmlichen physiotherapeutischen Verfahren ist das musikalische Training deutlich überlegen, so das Ergebnis:

    "Außerdem haben wir festgestellt, dass da so eine gewisse Alltagsrelevanz eine Rolle spielt. Das heißt, die Patienten konnten dann im Anschluss besser Kartoffeln schälen, sie konnten besser Gegenstände greifen und auch wieder wegstellen, konnten gerade feinmotorische Tätigkeiten viel besser durchführen."

    Schon nach 15 Sitzungen zeigten die Studienteilnehmer eine deutlich bessere Bewegungsfähigkeit als die Vergleichsgruppe. 30 Minuten üben die Patienten täglich - drei Wochen lang.

    "Es gab Leute, die haben diese elektronischen Drumpads noch nie gesehen. Und dann war es so eine Hemmschwelle tatsächlich erst mal zu sagen, OK, ich setze mich ran. Also es war auch so ein bisschen Motivationsarbeit nötig, dass die Patienten da zugesagt haben. Und auf einmal stellten sie fest, Mensch, ich kann ja einen Ton spielen oder der Finger bewegt sich. "

    Am Ende können die Patienten sogar Lieder spielen. Viele Betroffene, so die Erfahrung, sind begeistert von dem Erfolg. Nicht selten fließen sogar Tränen - vor Glück:

    "Patienten haben ja nicht nur die motorische Funktionsbeeinträchtigung, sondern teilweise auch eine Sprachstörung. Und ich habe festgestellt, wenn die Patienten die Lieder gespielt haben und dann dazu noch gesungen haben, war auf einmal die Sprache da. Das heißt, die konnten sich nicht im Satz äußern, aber sie konnten singen - richtig mit Wort und Ton das Lied singen. Und gab schon eine Menge Emotionen und Tränen. "

    Dabei gehen die Möglichkeiten weit über die Behandlung von Schlaganfallpatienten hinaus, urteilt Prof. Eckard Altenmüller von der Musikhochschule Hannover. Er hatte die Idee für das "Musikunterstützte Training":

    "...... sei es zum Beispiel im Rahmen einer entzündlichen Erkrankung, multiple Sklerose, oder auch im Rahmen von anderen Erkrankungen auch von Muskelerkrankungen, und man kann das Ganze auch einsetzen für Menschen, die unter der Parkinson Krankheit leiden. Man kann es auch einsetzen zum Beispiel um das Gehen oder andere grobmotorische Fertigkeiten zu verändern. "


    Vier Reha-Kliniken in Deutschland wenden das "Musikunterstützte Training" bereits an. Neben Wasserburg am Inn auch Berlin, Hannover und Magdeburg. Bald werden es deutlich mehr Häuser sein, versichert Prof. Eckhard Altenmüller: Das Interesse der Klinikbetreiber ist groß.